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Gesetz ohne Gott

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Revolutionsepoche der Fall gewesen sei. 10 Während es nach Weber auf der einen Seite zum<br />

Wesen des Naturrechts gehört, unabhängig von allen positiven Normen zu gelten, kann<br />

Naturrecht auf der anderen Seite als „Recht des Rechtes“ soziologisch nur insofern relevant<br />

werden, als es im Bereich des positiven Rechts eine Wirkung zeitigt. Wenn auch von diesen<br />

beiden Seiten nur die zweite einen Gegenstand der Soziologie bildet, wird die erste<br />

Geltungsweise von Weber keineswegs verneint. Ob sie allerdings nicht doch zu verneinen<br />

wäre, ist der Zweifel, den man an dieser Stelle gegen Weber hegen kann. Denn es fragt sich,<br />

inwiefern überpositive Normen, wenn sie für das positive Recht unwirksam bleiben, als ein<br />

wie immer geartetes Recht Geltung besitzen können. Es fragt sich, ob nicht die soziologisch<br />

nachweisbare Wirksamkeit und d.h.: die faktische Erzwingbarkeit eine wesentliche<br />

Bedingung für Recht überhaupt darstellt; ob also Naturrecht als Recht nicht insgesamt ausser<br />

Betracht fällt, wenn es soziologisch nicht in den Blick kommt – kurzum es fragt sich: Kann<br />

etwas für Recht gelten, das im gesetzten Recht nichts gilt? Dieses Problem benennt Wilhelm<br />

R. Beyer, wenn er das Naturrecht charakterisiert „als einzigartige Erscheinung eines Rechts,<br />

das nicht gilt, aber doch Geltung beansprucht.“ 11<br />

Ein zweites Problem ist dasjenige der Legitimität aufgrund immanenter Qualitäten. Nach<br />

Weber liegt es vor, sobald die Legitimierung nicht mehr über die Berufung auf einen<br />

transzendenten <strong>Gott</strong> geschieht: Wird der Rekurs auf diese externe Grösse durchbrochen, muss<br />

das Naturrecht den Grund seiner Geltung in sich selber finden, sich allein aus sich selbst<br />

heraus rechtfertigen. Vom Fehlen solcher Transzendenz gelangt Weber freilich rasch zu<br />

absoluter Immanenz, <strong>ohne</strong> darauf einzugehen, dass sich das säkularisierte Naturrecht nach<br />

wie vor aus einer Bezüglichkeit speist. Denn an die Stelle des <strong>Gott</strong>esbezugs ist der Bezug auf<br />

die Seinsweise der Natur derjenigen getreten, für die das Recht gilt. Als Quelle dient nicht<br />

mehr <strong>Gott</strong>, sondern die Natur des Menschen. Immanenz besteht demnach nicht in dem Sinne,<br />

dass sich naturrechtliche Normen qualitativ aus sich selbst heraus legitimieren, sondern<br />

vielmehr darin, dass die Normen der Natur immanent sind. Keine Emanation von Legitimität<br />

aus einer Norm liegt vor, sondern die Norm wird legitim erst dadurch, dass sie aus der<br />

menschlichen Natur deduziert werden kann.<br />

Hier drängt sich die Frage auf, ob eine menschliche Natur bestimmt werden kann, d.h. ob<br />

ein genuin menschliches Wesen existiert und ob es begrifflich einzuholen ist. Deutlicher als<br />

bei Weber klingt dieses Problem bei Jacob Taubes an, der nicht von einer Selbstlegitimation<br />

der Norm, sondern vom Bezug auf den Menschen und die Bedingungen seiner irdischen<br />

Existenz ausgeht: „Und sicher muss die Frage nach dem Recht heute ‚theologisch’ gestellt<br />

10 Ebd.<br />

11 Wilhelm R. Beyer: Rechtsphilosophische Besinnung. Eine Warnung vor der ewigen Wiederkehr des<br />

Naturrechts, Karlsruhe: C. F. Müller 1947, S. 59.<br />

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