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Gesetz ohne Gott

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4. Positivismus als Dezisionismus: Über die Aporien eines Auswegs<br />

4.1 Die Verwandtschaft zweier Gegner: Hans Kelsen und Carl Schmitt<br />

4.1.1 Hans Kelsen und der Positivismus der Norm<br />

In diesem vierten Kapitel wird eine allmähliche Parallelführung von Kelsen, Schmitt und<br />

Luhmann unternommen, um sie auf der Grundlage einer noch zu erweisenden<br />

Gleichsträngigkeit mit der gegenläufigen Theorie von Thomas Hobbes zu konfrontieren. Ihre<br />

Gemeinsamkeit muss dabei herausgestellt werden, <strong>ohne</strong> die bestehenden Differenzen<br />

einzuebnen. Die geteilte Grundlage ergibt sich aus einem recht, weil weit verstandenen<br />

Positivismusbegriff. Unter den Titel „Rechtspositivismus“ möchte ich die Kontrahenten<br />

Schmitt und Kelsen zugleich subsumieren, denn beide stellen sie im selben Mass auf das<br />

Moment der Setzung ab. Abweichungen ergeben sich daraus, dass Kelsen die Setzung von der<br />

Norm her begreift, während Schmitt sie dezisionistisch fasst. Tritt Rechtspositivismus bei<br />

Kelsen als „<strong>Gesetz</strong>espositivismus“ 182<br />

auf, bietet sich für Schmitt, der als Recht nicht nur die<br />

Norm behandelt, der Begriff „Entscheidungspositivismus“ an.<br />

Von der gängigen Terminologie weicht die hier vorgeschlagene ab. Konventionellerweise<br />

wird der Rechtspositivismus als eine Sache Kelsens klassiert, der neben Bentham, Austin und<br />

Hart zu seinen wichtigsten Exponenten zählt. Schmitts Dezisionismus wird hingegen kaum<br />

dem Positivismus zugeschlagen, weil „Positivität“ zumeist nur objektiv geltenden Normen<br />

183<br />

zugeschrieben wird, die man von subjektiven Willensäusserungen trennt. Wird dieses enge<br />

Verständnis von Rechtspositivismus, das sowohl den Begriff des Rechts als auch den der<br />

Positivität auf die Norm hin festlegt, durch die Aufspaltung in eine normativistische und eine<br />

dezisionistische Seite erweitert, eröffnen sich dem theoretischen Vergleich neue Perspektiven.<br />

Die begriffserweiternde Unterscheidung ermöglicht, die verschiedenen Konzepte des<br />

gesetzten Rechts dem Naturrecht als nichtpositivem Recht gegenüberzustellen, so dass<br />

naturrechtliche Spezifika in den Blick treten können.<br />

Gegen die Überzeugungen, wie sie dem Naturrecht zugrunde liegen, wandte sich Hans<br />

Kelsen in deutlicher Weise: „Wer in Tatsachen Normen, in der Wirklichkeit Werte zu finden,<br />

184<br />

zu entdecken oder zu erkennen glaubt, täuscht sich selbst.“ Dass Wirklichkeit und Werte<br />

zwei verschiedenen Bereichen zugehören und von jener nicht auf diese geschlossen werden<br />

kann, ist das grundlegende Credo der Reinen Rechtslehre Hans Kelsens. Die regelmässig<br />

182 Ein in diese Richtung präzisiertes Begriffsverständnis zeigt die englische Bezeichnung „legal positivism“.<br />

Darunter wird eben diejenige gesetzespositivistische Richtung gefasst, die im Deutschen ungenau unter dem<br />

„Rechtspositivismus“ gehandelt wird.<br />

183 Diese Auffassung geht wesentlich auf Kelsen zurück; vgl. dazu Hans Kelsen: Reine Rechtslehre. Mit einem<br />

Anhang: Das Problem der Gerechtigkeit, 2., vollst. neu bearb. und erw. Aufl., Wien: Franz Deuticke 1960, S. 7-<br />

10 und 48.<br />

184 Ebd., S. 405.<br />

53

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