S-294304-2_GEGENBAUR_Vergleichende_Anatomie_der_Wirbelthiere_1901.pdf

Vom peripherischen Blutgefäßsystem der Cranioten. 409
getrennten Stämme können bei der Verbindung betheiligt sein. Die Cardinalvenen
bilden aber mit ihren aus Vertebralvenen entstandenen Endstrecken für die Verlängerung
des unteren Hohlvenenstammes jenseits der Nieren die Vorbereitung,
indem die rechte Cardmalvene den neuen Weg vorbereitet, während das Ende
ins Becken verläuft (Fig. 286 h), zu einem Theile der V. iliaca interna werdend.
Anastomosen über die Wirbelsäule führen das Blut der unteren Hohlvene zu,
welche auch die V. renalis (r) aufnimmt und mit den Venae iliacae communes beginnt.
Auch die Caudalvene tritt in sie ein, wo eine solche besteht. Die Übertragung
des beiderseitigen Endgebietes der V cardinales auf die untere Hohlvene
entspricht wieder einer Verkürzung des Weges für das Blut, welchem in
dem Stamme der Cardinalvenen eine viel längere Strecke zum Herzen zukäme.
Die Abbildung bringt das zu vollkommenem Ausdruck.
In der Anordnung des Venensystems ergiebt sich neben der Selbständigkeit eine
große Mannigfaltigkeit, die bedeutender ist als bei den Arterien. Diese sind viel
conservativer als die Venen, bei denen großer Wechsel besteht. Jede Änderung
in den Organen ist mit Umgestaltungen der venösen Wege verknüpft, und in den
Anastomosen und Geflechten besteht die Bereitschaft zur Neubildung größerer Venen.
Diese Erscheinungen stehen im nahen Zusammenhange mit der Structur der Venenwand,
über welche bereits Eingangs berichtet ist. Der Zustand der Wandung gestattet
umfänglichere sowie raschere Anpassungen an das, was von der Umgebung
durch vermehrte oder verminderte Zu- oder Abfuhr von Blut verlangt wird. Durch
solche Einrichtungen wird compensirt, was dem centripetal sich bewegenden Blute
durch die viel engeren capillaren Wege an dem vom Herzen ausgehenden Einflüsse
auf die Richtung des Weges entzogen ist und erst für die größeren Stämme in der
Saugkraft des Vorhofs einigermaßen zur Wirkung gelangt.
Außer den Monographien über das Gefäßsystem s. H. RATHKE, Bau und Entwicklung
des Venensystems der Wirbelthiere. Königsberg 1838. F. HOCHSTETTER,
Zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Venensystems der Amphibien
und Fische. Morph. Jahrb. Bd. XIII. — Zur Entwicklttngsgesch. des Venensystems
der Amnioten. 1. Morph. Jahrb. Bd. XIII. 2. Morph. Jahrb. Bd. XIX. — Entwicklung
der Extremitätsvenen bei den Amnioten. Morph. Jahrb. Bd. XVII. — Über die
Bildung der hinteren Hohlvene bei den Säugethieren. Anat. Anzeiger 1887. — Zur
Morphologie der V. cava inferior. Anat. Anzeiger 1888.
Wundernetze.
§353.
Arterien und Venen bedürfen noch einer besonderen Berücksichtigung, indem
an beiden, außer dem bisher Verhandelten, noch eine eigene Erscheinung
auftritt.
Die Vertheilung der Blutgefäße im Körper geschieht in der Regel unter allmählicher
Verästelung der einzelnen Stämme, bis dann aus den feinsten Verzweigungen
der Arterien und Venen das System der Capillaren hervorgeht, beiderlei
Blutgefäße mit einander verbindend. Abgesehen von manchen eigenthümlichen
Einrichtungen besonderer Organe herrscht im Blutgefäßapparat mancher Körpertheile
bezüglich der Vertheilung der Gefäße eine vom Gewöhnlichen abweichende