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Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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2. Organisationsstrukturen<br />

Erst nachdem klar wurde, daß<br />

es die DDR nicht mehr lange<br />

geben würde, löste sich der DGB<br />

und der Großteil seiner Einzelgewerkschaften<br />

langsam vom<br />

FDGB und wurde vor Ort aktiv.<br />

Trotz großer Gemeinsamkeiten<br />

mit den wirtschafts- und sozialpolitischen<br />

Forderungen des<br />

Neuen Forums gab es keine wesentlichen<br />

Annäherungen über<br />

diese gemeinsamen Politikinhalte.<br />

Bei näherer Betrachtung wurde<br />

dann auch deutlich, warum:<br />

Die Gewerkschaften waren darauf<br />

bedacht, überwiegend gut organisierbare<br />

und mobilisierende<br />

Themen und Probleme aufzugreifen,<br />

diese im Apparat zu bewegen<br />

und politisch verhandelbar<br />

zu machen. Übersehen wurde<br />

dabei, daß es in dieser Zeit<br />

keine ernstzunehmenden und<br />

verläßlichen Verhandlungspartner<br />

in der untergehenden DDR<br />

gab. Die Runden Tische schienen<br />

den Gewerkschaften als vorübergehende<br />

Erscheinung, die<br />

spätere Modrow-Regierung wurde<br />

nicht sehr ernst genommen,<br />

die Betriebe selbst hatten keine<br />

Verhandlungsautonomie, die<br />

Bundesregierung war noch nicht<br />

zuständig und die Bürgerbewegungen<br />

mit ihren basisdemokratischen<br />

Vorstellungen schienen<br />

zum einen auf dem absteigenden<br />

Ast und zum anderen nicht<br />

kompetent für die Verhandlung<br />

betrieblicher und wirtschaftlicher<br />

Arbeitnehmerfragen.<br />

Daß hier die einmalige Chance<br />

vergeben wurde, laufende Reformdiskussionen<br />

über neue<br />

Strukturen, neue Beteiligungsund<br />

Demokratieformen in den<br />

Gewerkschaften unmittelbar in<br />

die Realität umzusetzen und von<br />

einer Stellvertreter-Organisation<br />

den Schritt zu einer Beteiligungsorganisation<br />

einzuleiten,<br />

war nur einigen wenigen Gewerkschaftern<br />

der unteren und<br />

mittleren Organisations- und<br />

Hierarchieebenen klar.<br />

3. Aktionsorte<br />

Kontakte wären möglich gewesen,<br />

da das Neue Forum sich mit<br />

seinen kleinen, aber dennoch<br />

nicht zu vernachlässigenden Arbeitnehmerflügel<br />

auch in den<br />

Betrieben der DDR teilweise organisiert<br />

hatte. Daß die betriebliche<br />

Präsenz des Neuen Forums<br />

in dem Maße wuchs, wie die<br />

räumliche Distanz der Betriebe<br />

von der innerdeutschen Grenze<br />

zunahm, ist unbestreitbar. War<br />

es in Berlin noch möglich,<br />

schnell bei befreundeten Organisationen<br />

im Westen Unterstützung<br />

zu holen, wenn es Probleme<br />

gab, so waren die Arbeitnehmer<br />

in Frankfurt/Oder, Leipzig<br />

und Dresden wesentlich mehr<br />

auf sich gestellt. Die Gewerkschaften<br />

nutzten diese betriebliche<br />

Präsenz des Neuen Forums<br />

in gänzlich unterschiedlichem<br />

Maße.<br />

Während vom DGB einzelne<br />

Personen immer wieder „rübermachten"<br />

und den Arbeitnehmeraktivisten<br />

des Neuen Forums<br />

in den Betrieben Unterstützung<br />

und Hilfe zukommen ließen,<br />

stand der mächtigen IG-Metall<br />

ihre zentralistisch-hierarchische<br />

Organisationsstruktur im Wege,<br />

101<br />

als es angesagt war, vor Ort flexibel<br />

und unterstützend, aber<br />

auch richtungsweisend tätig zu<br />

werden. Etwas leichter hatte es<br />

da die mehr föderal strukturierte<br />

GEW, die in Berlin aufgrund ihrer<br />

Landesbezirksautonomie wesentlich<br />

flexibler und lokal angepaßter<br />

auf die Notwendigkeiten<br />

vor Ort reagierte, als beispielsweise<br />

die IG-Metall, die<br />

IG-Chemie oder die ÖTV. Dabei<br />

kann jedoch davon ausgegangen<br />

werden, daß die größere<br />

Nähe des potentiellen Klienteis<br />

der GEW zu den Aktivisten der<br />

Neuen Forums eine nicht ganz<br />

unbedeutende Rolle spielte. Mit<br />

Ausnahme der GEW fanden jegliche<br />

Hilfsmaßnahmen jedoch<br />

ihre Grenzen, wenn sie den Bereich<br />

des persönlichen Engagements<br />

verließen und zu einer Organisationsfrage<br />

werden sollten.<br />

Insgesamt kann man jedoch sagen,<br />

daß in Berlin die aufgebauten<br />

betrieblichen Strukturen der<br />

„Aufbruchaktivisten", ob es sich<br />

dabei um die Arbeitnehmergruppen<br />

im Neuen Forum, die Initiative<br />

für unabhängige Gewerkschaften<br />

oder verschiedene Betriebsräteinitiativen<br />

handelte, zu<br />

keiner Zeit für eine strukturelle<br />

und erfolgversprechende Zusammenarbeit<br />

vor Ort genutzt wurden.<br />

In vielen Berliner Betrieben<br />

wurde sogar von ausgeprägten<br />

Konkurrenzen und Feindseligkeiten<br />

berichtet.<br />

4. <strong>Soziale</strong> Basis<br />

Folgt man der Hypothese, daß<br />

die traditionell schlechte Kommunikation<br />

und Zusammenarbeit<br />

zwischen „neuen" und „alten so-

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