Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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56 FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995<br />
Andreas Zick/Ulrich Wagner<br />
<strong>Soziale</strong> Identität<br />
und Gruppenverhalten<br />
Sozialpsychologische Beiträge zur Analyse sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />
1. Einleitung<br />
Die traditionelle Sozialpsychologie empirischer<br />
Provenienz hat bislang kaum eigenständige<br />
Beiträge geliefert, die sich direkt mit sozialen<br />
<strong>Bewegungen</strong> beschäftigen. Innerhalb der Sozialpsychologie<br />
wäre zuerst die Gruppenforschung<br />
für eine solche Analyse der psychischen<br />
Grundlagen und Funktionen sozialer<br />
<strong>Bewegungen</strong> zuständig. Die Gruppenforschung<br />
hat sich in den letzten Jahren jedoch eher mit<br />
Kleingruppenphänomenen als mit dem Studium<br />
gesellschaftlich relevanter <strong>Bewegungen</strong><br />
auseinandergesetzt (vgl. dazu auch Schneider/<br />
Becker-Beck 1986). Erst neuere Modelle der<br />
feergruppenforschung versuchen - in Opposition<br />
zur Kleingruppenforschung - Analysen<br />
sozialer Gruppen vorzulegen, die kontextspezifische<br />
Determinanten individueller Prozesse<br />
stärker in den Vordergrund rücken (Wagner<br />
1990). Dieser Forschungsansatz hat bislang jedoch<br />
kaum Eingang in die Grundlagen der<br />
Bewegungsforschung gefunden (vgl. z.B.<br />
Raschke 1985, S.146f.).<br />
Der folgende Beitrag wird versuchen, einige<br />
Konzepte und Thesen der sozialpsychologischen<br />
Intergruppenforschung so herauszuarbeiten,<br />
daß sie für die Bewegungsforschung von<br />
Interesse sein könnten. Dabei wird der Social<br />
Identity Approach hervorgehoben. Gerade die<br />
ser Ansatz könnte gut geeignet sein, zentrale<br />
sozialpsychologische Prozesse der Formation,<br />
Stabilisierung und Auflösung sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />
zu erklären Wir werden einige Thesen<br />
des Ansatzes anhand von eigenen Untersuchungen<br />
zur Ideologisierung von Individuen<br />
im Kontext von Gruppen diskutieren. Die<br />
Frage, wie Meinungen, Überzeugungen oder<br />
Ideologien an die Mitglieder von Gruppen vermittelt<br />
werden, ist für die Analyse sozialer<br />
<strong>Bewegungen</strong> besonders relevant, wenn man<br />
annimmt, daß eine Besonderheit solcher Gruppen<br />
ist, daß sie das Ziel verfolgen, grundlegenden<br />
sozialen Wandel herbeizuführen, zu<br />
verhindern oder rückgängig zu machen (Raschke<br />
1985, S.76ff.). <strong>Soziale</strong> <strong>Bewegungen</strong> sind in<br />
diesem Sinne immer auch Ideologisierungsbewegungen.<br />
Bevor der Social Identity Approach<br />
jedoch näher vorgestellt wird, soll zunächst<br />
herausgearbeitet werden, wie sich dieser Ansatz<br />
von der traditionellen sozialpsychologischen<br />
Gruppenforschung unterscheidet.<br />
2. Sozialpsychologische<br />
Perspektiven zur Gruppenbildung<br />
Das Thema des vorliegenden Heftes „<strong>Soziale</strong><br />
<strong>Bewegungen</strong> und Kollektive Identität" klingt<br />
genuin sozialpsychologisch. Eine stärkere Beachtung<br />
von sogenannten 'Large-Scale-Social-Processes'<br />
- wie eben sozialer Bewegun-