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Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995 61<br />

rakteristisch sind. Eine Reihe von Prozessen,<br />

die in sozialen <strong>Bewegungen</strong> stattfindet, läßt<br />

sich als Produkt kategorialer Differenzierungen<br />

verstehen. Das Prinzip kann z.B. zur Erklärung<br />

von Ideologisierungsprozessen in<br />

Gruppen und <strong>Bewegungen</strong> herangezogen werden.<br />

Ideologische Übereinstimmungen in <strong>Bewegungen</strong><br />

sind danach nicht der Ausgangspunkt<br />

der Formierung einer <strong>Bewegungen</strong> und<br />

deren Stabilität, wie das soziale Kohäsionsmodell<br />

annehmen würde, sondern die Folge<br />

der kategorialen Zuordnung der Mitglieder zur<br />

Bewegung und ihrer Abgrenzung von Fremdgruppen,<br />

wie anderen <strong>Bewegungen</strong>, Institutionen<br />

etc.<br />

In einer Reihe von Experimenten haben wir<br />

untersucht, ob die Affinität zu bestimmten gesellschaftlich<br />

relevanten Einstellungen tatsächlich<br />

durch den kategorialen Kontext der Rezipienten<br />

solcher Einstellungen variiert werden<br />

kann. Dazu haben wir Vpn fiktive Zeitungsnachrichten<br />

zu bestimmten Themen vorgegeben.<br />

Die folgende Nachricht ist exemplarisch<br />

(Rheinische Post, 26.9.86): „Der familienpolitische<br />

Ausschuß des Bundestages beriet am<br />

Mittwoch das Thema „Wehrdienst für Frauen".<br />

Während der langanhaltenden Debatte<br />

wurden die gegensätzlichen Positionen ausgetauscht.<br />

Ein Teil der männlichen Abgeordneten,<br />

vertreten durch Abgeordnete aller Parteien,<br />

lehnte deutlich eine Beteiligung von Frauen<br />

am Wehr- oder Ersatzdienst ab. Sie verwiesen<br />

dabei auf grundsätzliche Unterschiede zwischen<br />

den Geschlechtern Weibliche Abgeordnete<br />

aus allen Parteien erhoben dagegen<br />

Protest. Sie befürworteten einen Wehr- oder<br />

Ersatzdienst für Frauen als einen Akt der<br />

schrittweisen Annäherung an eine gleichberechtigte<br />

gesellschaftliche Stellung. Sie sahen<br />

keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen<br />

den Geschlechtern, der es verhinderte, daß auch<br />

Frauen einen Dienst leisten könnten. Fragen<br />

der konkreten Ausgestaltung stünden dabei erst<br />

später zur Debatte."<br />

In den Nachrichten haben wir die kategoriale<br />

Zuordnung der Kommunikatoren manipuliert:<br />

Einige Vpn wurden mit der abgedruckten<br />

Nachricht konfrontiert, in der berichtet wird,<br />

daß männliche Abgeordnete im Gegensatz zu<br />

weiblichen Abgeordneten einen Wehrdienst für<br />

Frauen ablehnen. Andere Vpn sollten die gleiche<br />

Nachricht beurteilen, allerdings war in ihrer<br />

Nachricht die Geschlechtsgruppen-Kategorisierung<br />

ausgetauscht: Jetzt plädierten männliche<br />

Abgeordnete für einen Frauenwehrdienst,<br />

während weibliche Abgeordnete dagegen waren.<br />

Die Ergebnisse sprechen für die Akzentuierungsthese,<br />

jedenfalls soweit es die weiblichen<br />

Vpn betrifft: Die weiblichen Vpn folgten jeweils<br />

den Argumenten der weiblichen Kommunikatoren<br />

und änderten ihre Einstellung in<br />

die entsprechende Richtung; gleichzeitig distanzierten<br />

sie sich damit von den von den<br />

Männern vorgetragenen Standpunkten. Da die<br />

Inhalte jeweils identisch waren, sind diese Einstellungsunterschiede<br />

allein auf die gemeinsame<br />

kategoriale Zuordnung weiblicher Kommunikatoren<br />

und Rezipienten zurückzuführen.<br />

Wir haben diesen Effekt in einer Reihe von<br />

Studien mit anderen, zum Befragungszeitraum<br />

jeweils relevanten Themen replizieren können<br />

(vgl. Wagner 1994).<br />

Allerdings machen die Studien auch deutlich,<br />

daß eine einfache Kategorisierungstheorie nicht<br />

ausreicht, um die Ergebnisse zu erklären. Es<br />

zeigt sich nämlich, daß männliche Vpn erst<br />

dann der Position männlicher Kommunikatoren<br />

folgen, wenn das Thema für Männer relevant<br />

wird, etwa wenn es um den Wehrdienst<br />

für Männer geht. Es gibt also gerichtete Unterschiede,<br />

die mit der individuellen Relevanz<br />

des Themas für die kategoriale Zugehörigkeit

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