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Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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102<br />

zialen <strong>Bewegungen</strong>" auf die unterschiedlichen<br />

sozialen Schichten,<br />

die in ihnen organisiert sind,<br />

zurückzuführen sei, so muß man<br />

einschränkend feststellen, daß<br />

besonders im Berliner Raum das<br />

klassische Gewerkschaftsklientel<br />

in den Betrieben sich auch im<br />

Neuen Forum organisierte. Im<br />

Vergleich zu anderen Regionen,<br />

wo das Neue Forum in den Betrieben<br />

in erster Linie von den<br />

gut ausgebildeten Ingenieuren<br />

und technischen Angestellten getragen<br />

wurde, waren in Berliner<br />

Großbetrieben oft die Arbeiter<br />

in der ersten Reihe der Bürgerbewegung<br />

Neues Forum aktiv.<br />

In der Kiezgruppe Oberschöneweide,<br />

einem reinen Industriezentrum<br />

in Berlin, waren allein<br />

80 Aktivisten des Neuen Forums<br />

in den 5 Großbetrieben der Metall-<br />

und Elektrobranche engagiert.<br />

Zu Kooperationen mit der<br />

IG Metall kam es hier ausschließlich<br />

aufgrund des Engagements<br />

eines Gev/erkschaftssekretärs.<br />

Gemeinsame Betriebsratsinitiativen<br />

etc. waren nur in<br />

einem Fall auszumachen. Selbst<br />

die zunächst in Abgrenzung zum<br />

alten FDGB gegründeten Initiativen<br />

für unabhängige Gewerkschaften<br />

(IFUG) wurden von den<br />

Westgewerkschaften nicht wahrgenommen.<br />

Auch die Altersstruktur dieser<br />

Aktivisten ließ eine gewisse Gewerkschaftsnähe<br />

vermuten. Die<br />

Aktivisten im Neuen Forum waren<br />

im wesentlichen zwischen 35<br />

und 45 Jahre alt. Sie gehörten<br />

damit eine Altersgruppe an, die<br />

zu den dominanten Trägergruppen<br />

gewerkschaftlicher Politik<br />

zählt. Ihr Verhalten gegenüber<br />

den Gewerkschaften war einerseits<br />

durch ihre schlechten Erfahrungen<br />

mit dem FDGB, andererseits<br />

durch eine hohe Erwartungshaltung<br />

gegenüber den<br />

neuen Gewerkschaften aus der<br />

BRD geprägt. Die Zurückhaltung<br />

der DGB-Gewerkschaften<br />

gegenüber diesen Aktivisten ist<br />

umso unverständlicher, da sie allesamt<br />

darunter litten, kein geeignetes<br />

Personal für ihren Aufbau<br />

zu finden. Ein aktives Zugehen<br />

auf die Träger des Aufbruchs<br />

in den Betrieben hätte vermutlich<br />

auch viele Kommunikationsprobleme<br />

zwischen Gewerkschaften<br />

und den Belegschaften<br />

in der DDR leichter gelöst.<br />

5. Was bleibt?<br />

Für die Erhaltung der Fähigkeit,<br />

erfolgreich zwischen kurz- und<br />

langfristigen Interessen, zwischen<br />

egoistischen und allgemeinen<br />

Zielen, zwischen lokalen, regionalen<br />

und globalen Ansichten<br />

moderieren, vermitteln und<br />

steuern zu können, müssen Gewerkschaften<br />

die Kräfte derartiger<br />

<strong>Bewegungen</strong>, wie sie das<br />

Neue Forum darstellte, besser integrieren.<br />

Neue Einsichten, die eventuell<br />

neue Wege nötig machen, werden<br />

auf der unteren und mittleren<br />

Organisationsebene gewonnen.<br />

Aber auch hier ist die Vermittlung<br />

anderer politischer oder<br />

kultureller Verhältnisse keineswegs<br />

problemlos. So hatten auch<br />

die westlichen Gewerkschaftssekretäre<br />

der mittleren Organisationsebene<br />

enorme Probleme damit,<br />

anzuerkennen, daß der Betrieb<br />

in der DDR für den Be­<br />

schäftigten wirklich mehr als<br />

eine Arbeitsstätte war. Dort wurde<br />

eben nicht nur gearbeitet, sondern<br />

auch „gelebt" und dies erforderte<br />

einen anderen Umgang<br />

seitens der Gewerkschaften mit<br />

den Betrieben, als sie es aus der<br />

BRD gewohnt waren.<br />

Der Strukturwandel der letzten<br />

Jahre hat das Neue Forum und<br />

auch die anderen Bürgerbewegungen<br />

ins Abseits der politischen<br />

Entwicklungen gedrängt.<br />

Auch die Gewerkschaften scheinen<br />

immer noch in der zweiten<br />

Reihe politischer Gestaltung zu<br />

stehen. Sie beschränken sich<br />

nach wie vor auf traditionelle<br />

Aufgaben, obwohl gerade heute<br />

ihre ganze politische Innovation-<br />

und Gestaltungsmacht gefragt<br />

wäre. Neue Köpfe, die in<br />

der Lage sind, den neuen Anforderungen<br />

Rechnung zu tragen<br />

und die zentralistisch-hierarchischen<br />

Organisationstrukturen<br />

durchlässiger zu gestalten, scheinen<br />

unerläßliche Voraussetzung<br />

für eine zukünftige erfolgreiche<br />

Gewerkschaftspolitik in den unmittelbaren<br />

Erfahrungsbereichen<br />

der Arbeitnehmerinnen. Dies sind<br />

neben den Betrieben zunehmend<br />

auch die Regionen, Städte, Stadteile,<br />

Kreise und Gemeinden.<br />

Für die deutsche Vereinigung<br />

kommt die Analyse der Fehlleistungen<br />

politischer Organisationen<br />

sicher zu spät. Aber an v/eiteren<br />

Gelegenheiten, die Interaktionen<br />

zwischen Gewerkschaften<br />

und neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong><br />

zu verbessern, wird es<br />

in naher Zukunft nicht mangeln.<br />

Neben den oft zitierten innerdeutschen<br />

gesellschaftlichen,

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