Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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64 FORSCHUNGS JOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995<br />
eine nicht näher spezifizierte Gruppe gegen<br />
den Wehrdienst argumentierte. In einer weiteren<br />
Experimentalbedingung mit hoher Salienz<br />
der Gruppenmitgliedschaft schließlich argumentierte<br />
eine Gruppe von weiblichen Abgeordneten<br />
für einen Wehrdienst für Frauen und<br />
eine Gruppe von männlichen Abgeordneten<br />
dagegen. In dieser zweiten Experimentalbedingung<br />
sollte also im Vergleich zur ersten<br />
Experimentalbedingung für die weiblichen Vpn<br />
die Salienz der Gruppenmitgliedschaft durch<br />
den expliziten Intergruppenkonflikt besonders<br />
hoch sein.<br />
Die Ergebnisse der Versuchsteilnehmerinnen<br />
bestätigten die Hypothesen der Selbst-Kategorisierungstheorie.<br />
Je deutlicher der Konflikt<br />
zwischen weiblichen Kommunikatoren und<br />
männlichen Protagonisten der Gegenposition<br />
war, desto weniger lehnten die weiblichen Vpn<br />
die Einführung eines Wehr- oder Ersatzdienstes<br />
für Frauen ab. In der Lesart der Selbst-<br />
Kategorisierungstheorie: Je stärker salient die<br />
Ingroup ist, konstituiert durch das Geschlecht,<br />
desto eher kategorisieren sich die Vpn nach<br />
Maßgabe ihrer Geschlechtsgruppenzugehörigkeit.<br />
Mit zunehmender Salienz dieser Ingroup-<br />
Zugehörigkeit tritt auch die gemeinsame Gruppenzugehörigkeit<br />
von Sender und Rezipient in<br />
den Vordergrund, und die Versuchspersonen<br />
versuchen, sich durch Einstellungsänderung<br />
einer gemeinsamen Ingroup-Norm, vertreten<br />
durch die Sender, anzunähern.<br />
Daß die beschriebenen Mechanismen in den<br />
Medien tatsächlich zur Anwendung kommen,<br />
haben Wagner et al. (unveröffentlicht) anhand<br />
von Zeitungsanalysen gezeigt. Wagner et al.<br />
haben Beurteiler einschätzen lassen, wie ausländerfeindlich<br />
verschiedene Zeitungsnachrichten<br />
sind. Andere Beurteiler haben eingeschätzt,<br />
in welchem Ausmaß in den jeweiligen Nachrichten<br />
die Herkunft der potentiellen Leser als<br />
Deutsche betont wird, d.h. die Salienz der na<br />
tionalen Zugehörigkeit heraufgesetzt ist. Die<br />
Stadien zeigen, daß die eingeschätzte Ausländerfeindlichkeit<br />
signifikant positiv mit der<br />
wahrgenommenen Salienz der Kategorie korreliert<br />
(vgl. dazu auch Neumann/Heynen 1985,<br />
Maass et al. 1994).<br />
4. Resümee<br />
Vor dem Hintergrund der anfänglichen Diskussion<br />
unterschiedlicher sozialpsychologischer<br />
Erklärungsebenen mag man einwenden,<br />
daß sich die skizzierten Ansätze aus dem Social<br />
Identity Approach immer noch auf der<br />
Ebene der Analyse individueller Phänomene<br />
befinden. Das ist aber nur zum Teil zutreffend.<br />
Richtig ist, daß der Social Identity Approach<br />
weiterhin erklären möchte, wodurch das Verhalten<br />
von Individuen determiniert ist. Dieses<br />
Verhalten ist aber nicht die Reaktion vereinzelter,<br />
sozial isolierter Individuen, sondern individuelles<br />
Verhalten, das durch den Gruppenkontext<br />
determiniert ist. Der Ansatz geht davon<br />
aus, daß Individuen, die sich als Mitglied<br />
einer Gruppe kategorisieren, nach der Maßgabe<br />
ihrer <strong>Soziale</strong>n Identität handeln.<br />
Obgleich der Social Identity Approach ursprünglich<br />
zur Erklärung gesellschaftlich relevanter<br />
Gruppenprozesse, also auch sozialer<br />
<strong>Bewegungen</strong>, entwickelt wurde, liegen bislang<br />
nur vereinzelte Studien vor, die sich als Untersuchungen<br />
sozialer <strong>Bewegungen</strong> bezeichnen<br />
lassen (zur Übersicht über die verschiedenen<br />
Themenbereiche im Social Identity Approach<br />
vgl. Hogg/Abrams 1988). Reicher (1982,1984,<br />
1987) hat den Social Identity Approach zur<br />
Analyse des kollektiven Verhaltens in Massen<br />
herangezogen. Dabei grenzt er seinen Ansatz<br />
ab von traditionellen Massentheorien (Anstekkungs-,<br />
Deindividuationstheorien etc., vgl. Turner/Killian,<br />
1987). Reicher beschäftigt sich mit<br />
Massenverhalten, weil in solchen Gruppenprozessen<br />
eine Reihe von Merkmalen der Selbst-