Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
62 FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 8. HEFT 1, 1995<br />
zu tun haben. Darüber hinaus gibt es Hinweise<br />
darauf, daß die beschriebenen Einstellungsänderungsprozesse<br />
in Abhängigkeit von der Kategorien-<br />
oder Gruppenzugehörigkeit nur dann<br />
zustande kommen, wenn die kategoriale Zugehörigkeit<br />
identitätsrelevant ist, also wenn die<br />
Rezipienten der Nachricht sich mit der Kategorie<br />
oder Gruppe identifizieren. Die Bedeutung<br />
sozialer Gruppenzugehörigkeit für Identitätsprozesse<br />
wird von Tajfel/Turner (1979,<br />
1986) in der Theorie der <strong>Soziale</strong>n Identität<br />
herausgearbeitet, der zweiten wichtigen Theorie<br />
innerhalb des Social Identity Approach.<br />
3.2 Theorie der <strong>Soziale</strong>n Identität<br />
In der Social Identity Theory sind die Befunde<br />
der vorausgehenden Minimal-Group Studien<br />
und die zentralen Annahmen der Akzentuierungstheorie<br />
vereint. Die wesentliche Erweiterung<br />
der Theorie besteht in der Einführung<br />
des Konzeptes der <strong>Soziale</strong>n Identität, d.h. jenes<br />
Aspektes des Selbsfkonzepts, der durch<br />
Gruppenmitgliedschaften definiert ist. Tajfel/<br />
Turner (1979, 1986) gehen von drei Grundannahmen<br />
aus: 1. Individuen leiten einen Teil<br />
ihres Selbstkonzepts, ihre <strong>Soziale</strong> Identität, aus<br />
relevanten Gruppenmitgliedschaften ab. 2. Individuen<br />
streben nach einer positiven Selbstbewertung,<br />
somit auch nach einer positiven<br />
<strong>Soziale</strong>n Identität. 3. Die Selbstbewertung in<br />
der <strong>Soziale</strong>n Identität ergibt sich aus der Bewertung<br />
der Gruppe, an die die <strong>Soziale</strong> Identität<br />
gebunden ist, im Vergleich zu relevanten<br />
Outgroups.<br />
Die hier relevante Hauptannahme der Theorie<br />
der <strong>Soziale</strong>n Identität ist: Der Druck, die <strong>Soziale</strong><br />
Identität zu stabilisieren und anzuheben,<br />
führt dazu, daß soziale Gruppen sich gegenseitig<br />
voneinander abgrenzen Tajfel/Turner<br />
weisen darauf hin, daß es von kontextuellen<br />
Faktoren abhängt, in welcher Form auf Unterund<br />
Überlegenheit der eigenen Gruppe rea<br />
giert wird. Die wichtigsten Variablen hierbei<br />
sind die Wahrnehmung individueller Mobilitätschancen<br />
sowie die Stabilität und Legitimität<br />
der Statusrelation. Wenn die Gruppengrenzen<br />
als durchlässig angesehen werden, werden<br />
Mitglieder der unterlegenen Gruppen versuchen,<br />
ihre eigene Gruppe zu verlassen und in<br />
die überlegene Gruppe aufzusteigen. Unter solchen<br />
Bedingungen kommt es nicht zur Entwicklung<br />
sozialer <strong>Bewegungen</strong>. Ist individuelle<br />
Mobilität hingegen nicht möglich, bleiben<br />
nur kollektive Versuche zur Veränderung der<br />
sozialen Einordnung der gesamten Gruppe; unter<br />
solchen Bedingungen kann es zur Ausbildung<br />
sozialer <strong>Bewegungen</strong> kommen. Die Theorie<br />
der <strong>Soziale</strong>n Identität nimmt an, daß Mitglieder<br />
unterlegener Gruppen um so stärker<br />
versuchen werden, den Status ihrer Gruppe<br />
insgesamt zu verbessern, je stärker sie die<br />
Überzeugung vertreten, die Statusbeziehung<br />
zur überlegenen Gruppe sei instabil und deren<br />
überlegener Status illegitim. Die Mitglieder der<br />
überlegenen Gruppe werden auf diese durch<br />
die unterlegene Gruppe initiierte Auseinandersetzung<br />
mit Gegenbewegungen reagieren, und<br />
dies um so stärker, je deutlicher sie die Ansprüche<br />
der unterlegenen Gruppe als illegitim<br />
ansehen.<br />
Empirische Studien haben gezeigt, daß intergruppale<br />
Vergleiche auch Auswirkungen auf<br />
Prozesse innerhalb von Gruppen haben: In Vergleichssituationen<br />
werden die Mitglieder der<br />
Ingroup beispielsweise als zueinander ähnlicher<br />
und attraktiver wahrgenommen (Wilder<br />
1984, Wagner/Ward 1993). Diese Prozesse sind<br />
aus der Theorie der <strong>Soziale</strong>n Identität nicht<br />
direkt ableitbar. Eine zusätzliche Schwäche der<br />
Theorie ist, daß die Entwicklung von sozialen<br />
Gruppen nur am Rande diskutiert wird. Zudem<br />
stellt sich die Frage, wie der Prozeß der<br />
kategorialen Identifizierung, d.h. die Anbindung<br />
der <strong>Soziale</strong>n Identität an relevante Ingroups,<br />
genauer beschrieben werden kann.