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Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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96 FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995<br />

amerikanischen, die eine ansehnliche historische<br />

Komponente aufweist. Zweitens hat sich<br />

auch in der heutigen Zeit und vor allem in den<br />

letzten Jahren genügend außerhalb der neuen<br />

sozialen <strong>Bewegungen</strong> bewegt. Ich denke, daß<br />

die Bürgerbewegungen in der ehemaligen DDR<br />

durchaus mehr Beachtung von Bewegungsforschern<br />

verdienen. Hier ergeben sich herausragende<br />

Möglichkeiten zur Anwendung bewegungstheoretischer<br />

Gesichtspunkte auf eine<br />

Bewegung, die nicht nur für Deutschland von<br />

historischer Bedeutung gewesen ist. Im Moment<br />

sieht es aber so aus, als ob ausländische,<br />

vor allem amerikanische Forscher, sich dieser<br />

Möglichkeiten mehr bewußt sind als ihre deutsche<br />

Kollegen.<br />

Eine zweite Herausforderung für die Bewegungsforschung<br />

ist die Welle von Gewalt gegen<br />

Ausländer und Asylanten, die Deutschland<br />

seit ein paar Jahren überschwemmt. Zwar<br />

hat dieses Phänomen eine Reihe von sozialwissenschaftlichen<br />

Arbeiten ausgelöst, aber ich<br />

kenne keine Studie, die systematisch mit einer<br />

bewegungstheoretischen Perspektive arbeitet.<br />

Die deutsche Rechtsextremismusforschung ist<br />

weitgehend ein eigenständiges Forschungsfeld,<br />

das kaum mit der Bewegungsforschung verbunden<br />

ist. Es ist zu hoffen, daß die schon<br />

erwähnte Konferenz am WZB der Beginn einer<br />

besseren Integration dieser beiden Forschungsfelder<br />

gewesen ist.<br />

Die Studie der jüngsten Welle von Rechtsextremismus<br />

kann aus mehreren Gründen für die<br />

deutsche Bewegungsforschung von großer Bedeutung<br />

sein. Gerade weil rechtsextreme Gewalt<br />

und neue soziale <strong>Bewegungen</strong> in ihren<br />

Zielen, Aktionsformen und auch Teilnehmern<br />

so stark kontrastieren, bietet die Erforschung<br />

des Rechtsextremismus aus bewegungstheoretischer<br />

Perspektive eine hervorragende Chance,<br />

die Reichweite unserer Theorien und Hypothesen<br />

zu überprüfen. Es ist möglich, daß<br />

die Ergebnisse solcher Studien Anlaß für ein<br />

gründliches Überdenken und eine Anpassung<br />

unserer Theorien bieten werden. So ist es zum<br />

Beispiel bisher offen, ob die Ansätze der Ressourcenmobilisierung<br />

und Political Opportunity,<br />

welche bis dato die „Sieger" in der Konfrontation<br />

mit den „klassischen" Deprivationsund<br />

Massengesellschaftstheorien zu sein scheinen,<br />

sich auch in der Analyse des Rechtsextremismus<br />

bewähren, oder ob die klassischen<br />

Theorien, jedenfalls für diesen Bewegungstypus,<br />

doch nicht so unsinnig sind wie oft behauptet<br />

wird. Ein solches Resultat wäre durchaus<br />

ein Grund, auch die neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong><br />

noch einmal aus einem neuen Blickwinkel<br />

zu betrachten.<br />

Vielleicht werden Sie jetzt sagen, daß diese<br />

Skizze der deutschen Bewegungsforschung nur<br />

eine Karikatur ist. Und vielleicht haben Sie<br />

ein bißchen Recht. Aber Karikaturen, so sollte<br />

man bedenken, sind immer auch realitätsbezogen.<br />

Sie vergrößern die Merkmale, die für das<br />

„Opfer" charakteristisch sind, unter gleichzeitiger<br />

Vernachlässigung eher „normaler" Züge.<br />

Aber gerade dadurch haben sie eine signalisierende<br />

Funktion und „treffen" ihr Ziel oft im<br />

doppelten Sinne des Wortes. Nun werden Sie<br />

sich fragen, ob es angesichts dieser Kritik noch<br />

Hoffnung für die deutsche Bewegungsforschung<br />

gibt oder ob sie zu einem qualvollen<br />

Tode verurteilt ist? Nein, wie ich schon einführend<br />

sagte: So schlimm stehen die Sterne<br />

zum Glück nicht. Wie es Galileo schon sagte:<br />

„Eppur si muove" - trotz alledem bewegt sie<br />

sich, und auch noch in die richtige Richtung!<br />

Ruud Koopmans arbeitet in der Abteilung Öffentlichkeit<br />

und soziale <strong>Bewegungen</strong> des Wissenschaftszentrums<br />

Berlin.

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