Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FORSCHUNGS JOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995 | 1<br />
Kategorisierung erst entwickelt werden müssen.<br />
Er nimmt an, daß in Massensituationen<br />
ein Individuum die Merkmale der Selbst-Kategorisierung<br />
nicht deduktiv aus vorhandenen,<br />
prototypischen, kategorialen Informationen<br />
gewinnt, sondern induktiv aus der Übereinstimmung<br />
individueller Merkmale mit Merkmalen<br />
der Ingroup-Outgroup-Kategorisierung.<br />
Die normativen Positionen und Handlungsanweisungen<br />
werden also besonders aus solchen<br />
Merkmalen gewonnen, die die höchste Übereinstimmung<br />
zwischen den Individuen und ihrer<br />
Ingroup und zugleich die größte Differenz<br />
zwischen Ingroup und Outgroup markieren.<br />
Reicher (1987, S. 183-84) leitet aus der Selbst-<br />
Kategorisierungstheorie zwei Grundannahmen<br />
ab, die hier auf <strong>Bewegungen</strong> bezogen werden:<br />
1. Mitglieder von <strong>Bewegungen</strong> handeln im Sinne<br />
ihrer gemeinsamen sozialen Identität. 2. Der<br />
Inhalt des Verhaltens ist durch die Natur der<br />
relevanten sozialen Kategorien limitiert. Reicher<br />
hat seine Thesen zum einen experimentell<br />
und zum anderen anhand einer Reanalyse<br />
von sozialen Krawallen in St.Pauls, einem<br />
Stadtteil von Bristol, geprüft. Insbesondere in<br />
der Beschreibung der Krawalle im Jahr 1982<br />
zeigt sich, daß das Verhalten der Beteiligten<br />
von der sozialen Selbst-Kategorisierung und<br />
Identitätsgewinnung abhing und eben nicht als<br />
ein Prozeß zu verstehen ist, der auf Persönlichkeits-<br />
oder Identitätsverluste zurückgeht<br />
oder als ein Prozeß, der durch Meinungsführer<br />
bestimmt ist. Die gewaltsamen Aktionen der<br />
Einwohner des Stadtteils St.Pauls sind Reaktionen,<br />
die dem Schutz und der Aufrechterhaltung<br />
der regional geprägten sozialen Identität<br />
dienten und die vor allem durch die Bedrohung<br />
von außen durch die Polizei ausgelöst<br />
wurden.<br />
Es liegt eine Reihe weiterer Studien aus dem<br />
Social Identity Approach vor, die für die Analyse<br />
von neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong> von Bedeutung<br />
sein können. Dazu gehören Studien<br />
zur Migration, zur Verteidigung ethnischer<br />
Identität und Untersuchungen zur kollektiven<br />
Stereotypisierung von Gruppen (vgl. dazu<br />
Hogg/Abrams 1988). Wir sehen die Chance,<br />
daß sich die häufig konstatierte Inkompatibilität<br />
sozialwissenschaftlicher und sozialpsychologischer<br />
Analysen auf einer intergruppalen<br />
Erklärungsebene auflösen lassen könnte.<br />
Andreas Zick ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
an der Bergischen Universität-Gesamthochschule<br />
Wuppertal, Fachbereich Sozialwissenschaften.<br />
Ulrich Wagner ist Professor für Sozialpsychologie<br />
an der Philipps-Universität Marburg,<br />
Fachbereich Psychologie.<br />
Literatur<br />
Abrams, D./Hogg M.A. (1988). Comments on the<br />
motivational Status of self-esteem in social identity<br />
and intergroup discrimination. European Journal<br />
of Social Psychology, 18, 317-334.<br />
Abrams, D./Hogg M.A. (Eds.)(1990). Social identity<br />
theory. Constructive and critical advances.<br />
London: Harvester Wheatsheaf.<br />
Beck, U. (1986). Risikogesellschaft. Frankfurt<br />
a.Main: Suhrkamp.<br />
Bourhis, R.Y./Sachdev, I./Gagnon, A. (1994). Intergroup<br />
research with the Tajfel matrices: Methodological<br />
notes. In: M.P. Zanna/J.M. Olsen<br />
(Eds.), The psychology of prejudice (The Ontario<br />
Symposium, Vol. 7, pp. 209-132). Hillsdale, NJ:<br />
Erlbaum.<br />
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intergroup Situation: a cognitive-motivational<br />
analysis. Psychological Bulletin, 86, 307-324.<br />
Deutsch, M. (1949). A theory of co-operation and<br />
competition. Human Relations, 2, 129-152.<br />
Deutsch, M. (1973). The resolution of conflict.<br />
New Häven, CT: Yale University Press.<br />
Diehl, M. (1990). The minimal group paradigm:<br />
Theoretical explanations and empirical findings.<br />
In: W. Stroebe/M. Hewstone (Eds.), European Re-