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Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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46 FORSCHUNGS JOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995<br />

Bernd Simon<br />

Individuelles und kollektives Selbst<br />

Sozialpsychologische Grundlagen sozialer <strong>Bewegungen</strong> am Beispiel<br />

schwuler Männer<br />

1. Zur sozialpsychologischen<br />

Perspektive:<br />

Individuum-Gruppe-Diskontinuität<br />

und soziale Bewegung<br />

Es ist ein zentrales Anliegen sozialpsychologischer<br />

Forschung, zur Klärung bzw. Erklärung<br />

des Verhältnisses von Individuum und Gruppe<br />

(bzw. Kollektiv) beizutragen. So bezeichnete<br />

Floyd Allport (1962), einer der Begründer der<br />

Sozialpsychologie, diese Aufgabe als das „master<br />

problem" dieser Disziplin. Die sozialpsychologische<br />

(Er)Klärungsbedürftigkeit des Verhältnisses<br />

von Individuum und Gruppe leitet<br />

sich ab aus der vielfach dokumentierten Diskontinuität<br />

zwischen dem Erleben und Verhalten<br />

des Menschen qua Individuum einerseits<br />

und qua Mitglied einer Gruppe andererseits<br />

(z.B. Brown 1954; Brown/Turner 1981;<br />

Scholper/lnsko 1992). Die Aufgabe der Sozialpsychologie<br />

besteht somit darin, den psychologischen<br />

Prozeß zu erforschen, der der<br />

Transformation von individuellen zu gruppalen<br />

(kollektiven) bzw. von gruppalen zu individuellen<br />

Erlebens- und Verhaltensweisen zugrunde<br />

liegt.<br />

Aus sozialpsychologischer Perspektive konstituiert<br />

sich eine soziale Bewegung durch „efforts<br />

by large numbers of people, who define<br />

themselves and are also often defined by others<br />

as a group, to solve collectively a problem<br />

they feel they have in common, and which is<br />

perceived to arise from their relations with<br />

other groups" (Tajfel 1981, S. 244). Mit anderen<br />

Worten: Eine soziale Bewegung stellt eine<br />

soziale Gruppe dar, deren Ziel es ist, gemeinschaftlich<br />

einen sozialen Wandel herbeizuführen<br />

(oder auch zu verhindern; Toch 1965, S.<br />

5). Die Träger oder Anhänger einer sozialen<br />

Bewegung handeln also nicht als Individuen,<br />

sondern als Gruppenmitglieder. Die Aufklärung<br />

des psychologischen Prozesses, der der<br />

Transformation von individuellen zu gruppalen<br />

Erlebens- und Verhaltensweisen (bzw. umgekehrt)<br />

zugrunde liegt, erweist sich damit als<br />

notwendige Voraussetzung einer umfassenden<br />

Theorie sozialer <strong>Bewegungen</strong>.<br />

Im folgenden wird zunächst ein Erklärungsansatz<br />

vorgestellt, in dessen Rahmen postuliert<br />

wird, daß dieser Transformation von Erlebensund<br />

Verhaltensweisen eine Veränderung in der<br />

Selbst-Interpretation zugrunde liegt. Diese Veränderung<br />

wird als Wechsel von individuellen<br />

zu kollektiven Selbst-Interpretationen, d.h. als<br />

Wechsel vom individuellen zum kollektiven<br />

Selbst, (und umgekehrt) konzeptualisiert. Anschließend<br />

wird das Verhältnis von individuellem<br />

und kollektivem Selbst analysiert, so wie<br />

es sich insbesondere unter den Bedingungen<br />

der modernen, funktional differenzierten Gesellschaft<br />

darstellt. In der zweiten Hälfte des<br />

Beitrags wird dieses Verhältnis am Beispiel

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