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Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG, 8, HEFT 1, 1995 77<br />

darisierung des Gruppenzusammenhalts entgegenwirken<br />

(Dürkheim 1981)." Aber auch<br />

Mertons Unterscheidung von manifesten und<br />

latenten Funktionen und deren Anwendung auf<br />

den Regentanz der Hopi-Indianer machen das<br />

deutlich: Treten bestimmte Störungen im Normalablauf<br />

des Stammeslebens auf, werden automatisch<br />

besondere Maßnahmen ergriffen<br />

(Krise), um die zumeist latent gehaltene Identität<br />

des Stammes etwa in Form eines Regentanzes<br />

manifest zu machen und dadurch zu<br />

stabilisieren (Reflexion). 12<br />

Dabei hat Mobilisierung<br />

vor allem den Effekt, die Unterscheidung<br />

von Inklusion und Exklusion zur allgemeinen<br />

Beobachtung freizugeben: Es wird verschärft<br />

darauf geachtet, wer dazu gehört und<br />

und wer nicht. Abweichung wird durch Mißachtung<br />

geahndet, Moral diszipliniert die Mobilisierung<br />

des Milieus, was die Brisanz der<br />

Aktion bewußt macht und das Milieu gegen<br />

Zerfall immunisiert (vgl. Hellmann 1993: 151f,<br />

Japp 1993: 240, 245). Alles in allem verstärkt<br />

Mobilisierung aber nur Effekte, die durch Protest<br />

schon angelegt sind: Die Identitätsversicherung<br />

eines sozialen Milieus.<br />

4. Neue soziale <strong>Bewegungen</strong><br />

Nachdem versucht wurde, sich theoretisch mit<br />

dem Begriff der kollektiven Identität auseinanderzusetzen,<br />

soll am Beispiel der neuen sozialen<br />

<strong>Bewegungen</strong> gezeigt werden, wie es<br />

sozialen <strong>Bewegungen</strong> gelingt, soziale Milieus<br />

ihrer Identitäten zu versichern. 13<br />

Dabei stellen<br />

sich drei Fragen: (1) Welches ist das Kernmilieu<br />

der neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong>? (2) Welches<br />

ist das Problem, das den Zentralwert und<br />

damit die Identität dieses Milieus in Frage<br />

stellt? (3) Wie lösten die neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong><br />

dieses Problem für dieses Milieu?<br />

(1) Die soziale Basis der neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong><br />

läßt sich über die bisher bekannten<br />

Daten der Sozialstruktur ihrer Anhänger her­<br />

leiten. Bekannt ist, daß die Anhänger der neuen<br />

sozialen <strong>Bewegungen</strong> zumeist unter 40 Jahren,<br />

hochgebildet und von ihrer Berufsstruktur<br />

überwiegend im Humanbildungsbereich tätig<br />

sind (Parkin 1968; Raschke 1985; Kriesi 1987;<br />

Brand 1989). Da der Zeitraum, in dem die<br />

neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong> ihre Hochzeit hatten,<br />

mit dem Untersuchungszeitraum von<br />

Schulzes Milieustudie nahezu zusammenfällt,<br />

läßt sich sagen, daß sich gerade die Sozialstruktur<br />

der NSB-Anhänger perfekt mit den<br />

charakteristischen Merkmalen des Selbstverwirklichungsmilieus<br />

deckt (vgl. Schulze 1993:<br />

319). Aber auch in der Bewegungsforschung<br />

besteht hinsichtlich der ideologischen Ausrichtung<br />

der neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong> breite<br />

Übereinstimmung. So geht es den NSB-Anhänger<br />

um „the need for self-realization in<br />

everyday life" (Melucci 1989: 23), um das<br />

„Paradigma der Lebensweise" (Raschke 1985:<br />

421) - mithin die zentrale Sinnorientieung des<br />

Selbstverwirklichungsmilieus.<br />

(2) Die Problematik dieses Milieus setzt sich<br />

aus endogenen wie exogenen Faktoren zusammen.<br />

Zum einen sieht sich das Selbstverwirklichungsmilieu<br />

einem massiven Zentrifugaleffekt<br />

ausgesetzt, da die Suche nach Selbstverwirklichung<br />

geradezu die Tendenz hat, sich in<br />

immer neuen Gestalten und Trends auszuprobieren<br />

und darüber die Wiedererkennbarkeit<br />

der Einheit des Milieus für das Milieu selbst<br />

verloren zu gehen droht. Der Drang nach Authentizität<br />

und Originalität erdrückt gewissermaßen<br />

den gemeinsamen Nenner, was Integrationsprobleme<br />

aufwirft; die „kollektive Kodierung"<br />

(Schulze 1993: 128) des Milieus mißlingt<br />

mitunter. Zum anderen sehen sich die<br />

Mitglieder dieses Milieus in der Gesellschaft<br />

ständig Entfremdungserfahrungen ausgesetzt.<br />

Das zeigt sich besonders dann sehr deutlich,<br />

wenn es zu politischen Entscheidungen kommt,<br />

die auf die Risikoproblematik, nämlich auf ungleiche<br />

Chancen verweisen, auf diese Entschei-

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