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FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995 51<br />

se zeigte sich außerdem, daß die schwulen<br />

Befragten stärker als die heterosexuellen Befragten<br />

darum bemüht waren, insbesondere die<br />

positiven Bestandteile des Stereotyps ihrer Eigengruppe<br />

(d.h. hinsichtlich Männern gleicher<br />

sexueller Orientierung) hervorzuheben. Des<br />

weiteren errechneten wir aus den Häufigkeitsverteilungen<br />

ein Maß für die der jeweiligen<br />

Gruppe zugeschriebene Homogenität, da diese<br />

ebenfalls als wichtiger Indikator für Stereotypisierungsprozesse<br />

gilt (Linville/Salovey/Fischer<br />

1986). Homogenität bedeutet hier das<br />

Ausmaß, in dem die Mitglieder einer Gruppe<br />

den gleichen Ausprägungsgrad eines Merkmals<br />

besitzen, im Hinblick auf dieses Merkmal also<br />

gleich sind (zumindest aus Sicht der Befragten).<br />

Die Auswertung der entsprechenden Daten<br />

lieferte klare Belege dafür, daß schwule<br />

Männer eher als heterosexuelle Männer von<br />

Stereotypisierangs- und auch Selbst-Stereotypisierungsprozessen<br />

betroffen sind. Denn auf<br />

fast allen Merkmalsdimensionen wurden<br />

schwule Männer als die homogenere Gruppe<br />

eingeschätzt, und zwar nicht nur von den heterosexuellen<br />

Befragten, sondern auch von den<br />

schwulen Befragten selbst.<br />

Vor diesem Hintergrund läßt sich nunmehr festhalten,<br />

daß schwule Männer die über sie in der<br />

Gesellschaft herrschenden Stereotypen weitgehend<br />

mit der heterosexuellen Mehrheit teilen.<br />

Sie neigen also zur Selbst-Stereotypisierung,<br />

welche eine Form der kollektiven Selbst-<br />

Interpretation darstellt (z.B. „Wir sind alle kreativ.").<br />

Für die stärkere Ausprägung eines kollektiven<br />

Selbst bei schwulen als bei heterosexuellen<br />

Männern sprechen noch zwei weitere<br />

Befunde: Die schwulen Befragten waren sich<br />

nämlich stärker ihrer eigenen sexuellen Orientierung<br />

bewußt, und auch das Gefühl der Verbundenheit<br />

mit Personen der jeweils gleichen<br />

sexuellen Orientierung war bei ihnen stärker<br />

ausgeprägt als bei den heterosexuellen Befragten.<br />

5.1 Zur Selbstwertproblematik<br />

schwuler Männer<br />

Wie bereits oben angedeutet, existieren allerdings<br />

auch theoretische Gründe sowie empirische<br />

Befunde, die nahelegen, daß der Aufbau<br />

eines kollektiven Selbst für schwule Männer<br />

als Mitglieder einer stigmatisierten Minderheit<br />

nicht unproblematisch ist. So hat u.a. Apfelbaum<br />

(1979) daraufhingewiesen, daß stigmatisierte<br />

bzw. dominierte Minderheiten der Gefahr<br />

der „De-Gruppierung", d.h. der internen<br />

Desintegration, ausgesetzt sind, solange sie die<br />

Vorstellungen und Werte der herrschenden<br />

Mehrheit übernehmen. Diese implizieren nämlich<br />

eine negative Bewertung und damit eine<br />

reduzierte Attraktivität des kollektiven Selbst<br />

für Angehörige der stigmatisierten Minderheit.<br />

Tatsächlich zeigte sich in der Untersuchung<br />

von Simon et al. (1991), daß schwule Männer<br />

tendenziell weniger froh waren ob ihrer sexuellen<br />

Orientierung als heterosexuelle Männer.<br />

Auch die bereits berichtete Hervorhebung insbesondere<br />

positiver Bestandteile des Selbst-<br />

Stereotyps durch schwule Männer verweist auf<br />

die (kollektive) Selbstwertproblematik, welcher<br />

schwule Männer als Mitglieder einer sozial<br />

abgewerteten Minderheit ausgesetzt sind. Diese<br />

Hervorhebung ist nämlich in erster Linie<br />

als psychologische Kompensationsstrategie zu<br />

interpretieren (Tajfel/Turner 1986), wobei eine<br />

solche Interpretation keineswegs ausschließt,<br />

daß diese Hervorhebung auch bereits Elemente<br />

der Auflehnung enthält. Ein weiteres Indiz<br />

für die sozialpsychologisch problematische Situation<br />

schwuler Männer lieferten die Antworten<br />

unserer Befragten auf Fragen nach dem<br />

allgemeinen Ausmaß von Ähnlichkeit bzw.<br />

Unterschieden innerhalb der Gruppe der heterosexuellen<br />

bzw. der schwulen Männer. Diese<br />

Fragen zielten nicht ab auf die Homogenität<br />

hinsichtlich spezieller, (stereo)typischer Merkmale,<br />

sondern sollten ein Gesamturteil erfassen.<br />

Hierauf gaben die schwulen (ebenso wie

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