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Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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72 FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995<br />

Bei der Organisation eines sozialen Systems<br />

handelt es sich um die Differenz von System<br />

und Umwelt, da die Identität des Systems sich<br />

in Differenz zur Umwelt bestimmt. Findet somit<br />

ein Strukturwandel auf der basalen Ebene<br />

statt, zieht sich die Autopoiesis des Systems<br />

die reflexive Ebene zurück und thematisiert<br />

dort die System/Umwelt-Differenz, mithin die<br />

Identität des Systems, um in Orientierung an<br />

dieser Identität eine passendere Struktur für<br />

sich zu finden. Diesen Vorgang nennt Luhmann<br />

Reflexion: „Auf der Ebene der Reflexion<br />

bestimmt das System seine eigene Identität im<br />

Unterschied zu allem anderen." (Luhmann<br />

1984: 252) Dabei versteht Luhmann Identität<br />

als „ein funktionales Äquivalent, das nur in<br />

bestimmten Problemlagen benötigt und abgerufen<br />

wird und dafür ausreicht." (Luhmann<br />

1982: 238) Denn indem die Identität eines Systems<br />

selbst thematisiert und damit vom latenten<br />

in den manifesten Zustand überführt wird,<br />

ist eine funktional äquivalente Form gefunden,<br />

die Autopoiesis des Systems fortzusetzen,<br />

nur anders als normalerweise.<br />

Vorgeschlagen wird nun, derartige Problemlagen<br />

in Zusammenhang mit einem erforderlich<br />

werdenden Strukturwandel zu sehen. Denn<br />

dann muß die Reproduktion des Systems von<br />

der basalen auf die reflexive Ebene umgeschaltet<br />

werden, um die Autopoiesis nicht zu gefährden.<br />

Überdies bedeutet Reflexion Subsystembildung:<br />

„Reflexion setzt Systemdifferenzierung<br />

voraus." (Luhmann 1981a: 205) Denn<br />

indem ein System auf seine Identität im Differenz<br />

zu seiner Umwelt reflektiert, bildet es in<br />

sich selbst ein besonderes Teilsystem seiner<br />

selbst aus (re-entry), das diese Leistung erbringt.<br />

Es handelt sich gewissermaßen um eine<br />

Sonderform von Kommunikation, im Unterschied<br />

zur normalen Kommunikationsform des<br />

Systems, die in der Regel 4<br />

nur unter bestimmten<br />

Umständen erforderlich wird.<br />

Wenn es hier um 'Identität im Übergang' geht,<br />

dann handelt es sich also um Reflexion im<br />

Sinne einer „Identitätsselektion" (Luhmann<br />

1981b: 34), die wegen eines erforderlich werdenden<br />

Strukturwandels erforderlich wird und<br />

zu entscheiden hat, was zum System gehört<br />

und was nicht. 5<br />

Das Problem, das eine Identi­<br />

tätsselektion erforderlich macht, ist somit (1)<br />

in dem erforderlich werdenden Strukturwandel<br />

zu sehen, der überdies die Gefahr einer<br />

Tdentitätsdiffusion' birgt, in dem also die Identität<br />

des Systems selbst auf dem Spiel steht; es<br />

ist (2) ein Problem, weil entschieden werden<br />

muß, welche neue Struktur am besten zu dieser<br />

Identität paßt, und (3), weil darüber die<br />

Autopoiesis des Systems gefährdet werden<br />

kann. Dabei hat Luhmann ein spezifisches Sozialsystem<br />

vorgesehen, das diese Leistung erbringt:<br />

Konflikt. Denn die Funktion von Konflikt<br />

ist es, die Autopoiesis eines Systems davor<br />

zu schützen, einfach aufzuhören, wenn ein<br />

Strukturwandel erforderlich werden sollte. Der<br />

Konflikt überbrückt diese Unterbrechung gewissermaßen<br />

dadurch, daß er das Problem<br />

selbst thematisiert. Die basale Operation hört<br />

zwar auf, die Autopoiesis läuft auf der Konfliktebene<br />

aber weiter. Dabei bezeichnet Luhmann<br />

die Funktion von Konflikt, die Autopoiesis<br />

des Systems vor dem Abbruch zu schützen,<br />

als Immunisierung: Konflikt immunisiert<br />

das System vor dem Abbruch der Autopoiesis,<br />

wenn ein Strukturwandel erforderlich wird (vgl.<br />

Luhmann 1984: 504ff).<br />

Soweit läßt sich sagen: Geht es um 'Identität<br />

im Übergang', dann handelt es sich um einen<br />

- erforderlich werdenden Strukturwandel,<br />

- die Überbrückung der dabei entstehenden<br />

Unterbrechung durch Reflexion,<br />

- die als Subsystembildung auftritt,

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