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Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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74 FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995<br />

sten Ausdruck findet. Dabei wirkt gerade binäre<br />

Schematisierung universal, ohne Einschränkung<br />

des Gegenstandsbereichs: Entweder<br />

Recht oder Unrecht - tertium non datur!<br />

Um eine Idee davon zu bekommen, wie sich<br />

soziale Milieus als soziale Systeme beschreiben<br />

lassen, sei zur Veranschaulichung auf die<br />

Milieustudie von Gerhard Schulze zurückgegriffen<br />

(Schulze 1993). Schulzes Sozialstrukturanalyse<br />

bezieht sich auf die BRD der 80er<br />

Jahre. Sein Milieumodell geht grundsätzlich<br />

von zwei Parametern aus, die die Sozialstruktur<br />

der BRD bestimmen: Alter und Bildung,<br />

wobei Lebensstile weitere interne Differenzierungen<br />

schaffen. Jeder dieser beiden Parameter<br />

ist nochmals in Personen über und unter 40<br />

Jahre und in einen höheren und einen niedrigeren<br />

Bildungsgrad unterscheiden. Dadurch ergeben<br />

sich insgesamt vier Kreuzungspunkte:<br />

(1) Niedriges Alter und niedrige Bildung, (2)<br />

niedriges Alter und hohe Bildung, (3) hohes<br />

Alter und niedrige Bildung und (4) hohes Alter<br />

und hohe Bildung. Jedem dieser vier Kreuzungspunkte<br />

weist er ein Milieu zu: (1) Unterhaltungsmilieu,<br />

(2) Harmoniemilieu, (3) Selbstverwirklichungsmilieu<br />

und (4) Niveaumilieu.<br />

Schließlich taucht zwischen Harmonie- und<br />

Niveaumilieu noch ein mittleres Milieu auf,<br />

(5) das Integrationsmilieu, das sich aus der<br />

Kreuzung von hohem Alter und mittlerer Bildung<br />

ergibt, so daß von insgesamt fünf Milieus<br />

auszugehen ist.<br />

Entscheidend ist, daß soziale Milieus für Schulze<br />

nicht bloß statistische Artefakte sind, sondern<br />

kommunikative Zusammenhänge. Die<br />

Identität eines jeden Milieus wird durch einen<br />

Zentralwert im Sinne eines dualen Schematismus<br />

organisiert, der sich aus der charakteristischen<br />

Kreuzung der beiden Parameter Alter<br />

und Bildung - durch Lebensstile variiert -<br />

ergibt und das existentielle Problembewußtsein<br />

des jeweiligen Milieus symbolisiert. Da­<br />

bei kommt der milieuspezifischen Wertpräferenz<br />

jeweils universale Geltung zu: Alles läßt<br />

sich damit beobachten, aber eben nur unter<br />

einer sehr selektiven Perspektive. 7<br />

Bei fünf<br />

Milieus ist somit von fünf Zentralwerten auszugehen.<br />

(1) Der Zentralwert des Harmoniemilieu<br />

ist Schulze zufolge Geborgenheit, da<br />

sich dieses Milieu aufgrund seiner politisch<br />

und sozial insgesamt prekären Position als<br />

grundlegend bedroht erfährt. (2) Demgegenüber<br />

geht es dem Niveaumilieu vorrangig um<br />

ifang-Abstufungen und die Bestätigung der in<br />

ihren Augen gesellschaftlich nicht nur existenten,<br />

sondern auch notwendigen Hierarchie. (3)<br />

Das Integrationsmilieu hat von beidem etwas,<br />

seine primäre Perspektive richtet sich auf Konformität.<br />

Ganz anders die Milieus bei Personen<br />

jüngeren Alters. (4) Das Unterhaltungsniveau<br />

ist vor allem auf der Suche nach äußeren<br />

Stimulationen, aufgrund seiner unvermittelte<br />

Bedürfnisstruktur, die schnelle und direkte Befriedigung<br />

ansteuert. (5) Dagegen wendet sich<br />

das Interesse des Selbstverwirklichungsmilieus<br />

weniger nach außen als vielmehr nach innen,<br />

wo man die Entdeckung innerer Kräfte und<br />

Anlagen zu finden hofft, die es dann zu entfalten<br />

und zu verwirklichen gilt; deshalb ist auch<br />

die Suche nach Selbstverwirklichung das zentrale<br />

Movens dieses Milieus. Dabei entscheidet<br />

jedes Milieu selbstselektiv, was es als milieuspezifisch<br />

betrachtet und was nicht.<br />

Im Rahmen dieser Arbeit wird davon ausgegangen,<br />

daß soziale Milieus soziale Systeme<br />

sind: Sie sind (1) nicht bloß statistische Artefakte,<br />

sondern kommunikative Zusammenhänge<br />

mit hohem Interaktionsanteil, die ihre Binnenkommunikation<br />

(2) selbstselektiv steuern,<br />

und das (3) mittels von Zentralwerten 8<br />

im Sinne<br />

dualer Schematismen, die klar differenzieren,<br />

was milieumäßig ist und was nicht, und<br />

das mit universaler Geltung. 9<br />

Wird aber davon<br />

ausgegangen, daß soziale Milieus soziale Systeme<br />

sind, und daß diese Milieus die soziale

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