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26 FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995<br />

In einer solch konstruktivistischen Perspektive<br />

wird kollektive Identität nicht als eine statische,<br />

den politischen Konflikt definitorisch vorangehende,<br />

sondern als eine substantiell veränderbare<br />

Größe verstanden. Images der Identitätsbildung<br />

werden kontinuierlich reproduziert<br />

und sind daher das veränderbare Produkt<br />

kollektiven Handelns (Swidler 1986). Die Formierung<br />

einer kollektiven Identität kann daher<br />

als integraler Bestandteil kollektiven Handelns<br />

selbst verstanden werden, mit dem die kulturellen<br />

Voraussetzungen für politische Konflikte<br />

geschaffen werden.<br />

In der Analyse der Konstruktion von Formen<br />

kollektiver Identität ist ein wesentlicher Unterschied<br />

gegenwärtig zu halten: Im Fall von<br />

territorialen <strong>Bewegungen</strong> folgt die Herausbildung<br />

von Formen kollektiver Identität durch<br />

symbolische Verfahren. Ort dieser Identitätsbildung<br />

ist nicht ein spezifisches face-to-face<br />

setting, in dem Gemeinsamkeit durch die konkrete<br />

Interaktion der individuellen Akteure geschaffen<br />

wird, sondern die öffentliche Sphäre.<br />

In dieser über lokale Gegebenheiten hinausgehenden<br />

Form der kollektiven Identität formulieren<br />

Menschen eine Basis für eine gemeinsame<br />

Handlungsperspektive, die sich im Regelfall<br />

niemals persönlich treffen, noch direkt miteinander<br />

kommunizieren. Spezifische diskursive<br />

Verfahren treten an die Stelle von interaktiven<br />

Prozessen. Diese können nicht auf der<br />

Ebene der Interaktion zwischen Individuen erklärt<br />

werden, ebensowenig wie diese schlüssig<br />

allein auf sozialstrukturelle Veränderung<br />

zurückgeführt werden können. Analytisches<br />

Interesse hat sich daher den sozio-kulturellen<br />

Prozessen zuzuwenden, in denen kollektive<br />

Identität konstruiert und reproduziert wird.<br />

3. Eine Typologisierung von<br />

Formen kollektiver Identität<br />

Um dieses Konzept in einem analytischen Sinne<br />

forschungsstrategisch nutzbar zu machen,<br />

soll nunmehr eine Typologie von Formen kollektiver<br />

Identität entwickelt werden. Wesentliches<br />

Unterscheidungskriterium sind hierbei die<br />

Codes, durch die die eigene Gemeinschaft von<br />

anderen abgegrenzt wird. Die zugrundeliegende<br />

Überlegung bei der entsprechenden Typologisierung<br />

ist, daß Images kollektiver Identität<br />

als relationale Konzepte formuliert werden.<br />

Die diskursiv erzeugte Zugehörigkeit zu<br />

einer regionalen oder auch nationalen Gemeinschaft<br />

wird primär über die Abgrenzung gegenüber<br />

demjenigen gewonnen, was als 'Nicht-<br />

Wir', als der Gemeinschaft Fremdes beschrieben<br />

wird. Vermöge dieser 'Grenzziehung' werden<br />

die Kriterien für soziale In- und Exklusion<br />

geschaffen und wird der Gemeinschaft ein<br />

Bewußtsein ihrer selbst gegeben.<br />

Bernhard Giesen hat auf dieser Grundlage drei<br />

idealtypische Formen kollektiver Identität unterschieden,<br />

die, bezogen auf die Dynamik politischer<br />

Mobilisierung, im vorliegenden Kontext<br />

übernommen werden können: die primordiale,<br />

kulturelle und 'civic' kollektive Identität<br />

(Giesen 1993). Mit Blick auf die jeweils<br />

konstitutiven kognitiven Codes der Gemeinschaftsbildung<br />

und Strategien der symbolischen<br />

Grenzziehung lassen sich diese Ideatypen folgendermaßen<br />

beschreiben:<br />

(a.) Die primordiale kollektive Identität (Shils<br />

1975) versucht, die Gemeinschaft als 'ewig<br />

gegebene' und in 'objektiven' Gegebenheiten<br />

verwurzelte zu naturalisieren. Auf der Grundlage<br />

von Blut- und Rassenzugehörigkeit wird<br />

das 'Wir' mit unverbrüchlichen Ansprüchen<br />

ausgestattet, die jenseits geschichtlichen Wandels<br />

zu liegen beanspruchen. Zur Mitgliedschaft<br />

in dieser auf ethnischen Identifikations-

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