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Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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68<br />

Kai-Uwe Hellmann<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Bewegungen</strong><br />

und Kollektive Identität<br />

Latenz, Krise und Reflexion sozialer Milieus<br />

Der Begriff der kollektiven Identität spielt für<br />

die Beschreibung und Bestimmung sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />

eine nicht zu unterschätzende Rolle.<br />

Bei Karl Marx klingt das 'an und für sich'<br />

schon an; in neueren Arbeiten hat der Begriff<br />

der 'collective identity' für die Begriffsbestimmung<br />

und das Verständnis sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />

eine prominente Stellung gewonnen (vgl.<br />

nur Morris/Mueller 1992). Mit Veit Michael<br />

Bader muß jedoch konstatiert werden, daß „sich<br />

die immer wieder betonte große Bedeutung<br />

kollektiver Identität für die Herausbildung kollektiven<br />

Handelns und sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />

umgekehrt proportional verhält zur Klärung<br />

der Grundbegriffe und des analytischen Bezugsrahmens."<br />

(Bader 1991: 104) Mit anderen<br />

Worten: Methodisch wie theoretisch vermag<br />

der Gebrauch des Begriffs der kollektiven Identität<br />

innerhalb der Bewegungsforschung bisher<br />

noch wenig zu überzeugen. Von daher ist<br />

eine deutliche Diskrepanz zwischen der Häufigkeit<br />

des Gebrauchs und der Kenntnis des<br />

Begriffs festzustellen, die ein Forschungsdefizit<br />

und dringendes Desiderat der Soziologie<br />

sozialer <strong>Bewegungen</strong> offenlegt. Die Frage ist,<br />

wie diesem Defizit abgeholfen werden kann.<br />

Es liegt nahe, auf allgemeine Soziologie zurückzugehen,<br />

da sich Bewegungsforschung<br />

zumeist dort auch bedient hat, wenn es um die<br />

FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995<br />

Anwendung des Identitätsbegriffs auf soziale<br />

<strong>Bewegungen</strong> ging.<br />

Jenseits von Bewegungsforschung spielt der<br />

Begriff der Identität eine nicht unbedeutende<br />

Rolle. Es sei nur an George Herbert Meads<br />

Unterscheidung von T und 'me' erinnert, an<br />

Erving Goffmans Unterscheidung von personaler<br />

und sozialer Identität oder an die Fragestellung<br />

von Jürgen Habermas, ob komplexe<br />

Gesellschaften eine vernünftige Identität ausbilden<br />

können. Nicht zuletzt sei auf die 'social<br />

identity theory' von Henri Tajfel verwiesen,<br />

selbst mit Anwendung auf soziale <strong>Bewegungen</strong><br />

(vgl. Tajfel 1982: 244ff). Von besonderem<br />

Interesse für die vorliegende Fragestellung ist<br />

jedoch der Begriff der Ich-Identität von Erik<br />

Erikson. Warum gerade Erikson? Erikson ist<br />

von Interesse, weil er dem Begriff der Ich-<br />

Identität die spezifische Funktion eines Übergangsphänomens<br />

zuweist, das gerade dann auftaucht,<br />

wenn ein Kind von einer Entwicklungsphase<br />

in die nächste überwechselt. Damit thematisiert<br />

Erikson Ich-Identität nicht unter dem<br />

Gesichtspunkt, daß allem Identität zukommt<br />

und Identität somit den Normalfall darstellt<br />

(vgl. Henrich 1979), sondern anhand der Fragestellung,<br />

wann Identität die paradoxe Erfahrung<br />

des Nicht-Identischen macht und somit

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