25.10.2013 Aufrufe

Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

54 FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995<br />

hen, daß solche Selbst-Stereotypisierungen zur<br />

Bestätigung der gesellschaftlich (vor-)herrschenden,<br />

negativen Einstellung gegenüber der<br />

stigmatisierten Minderheit beitragen. Gleichzeitig<br />

heben sie jedoch das den Stigmatisierten<br />

Gemeinsame hervor und bieten einen Anknüpfungspunkt<br />

für sozial geteilte Schicksalserfahrungen.<br />

Dies fördert die Entwicklung eines<br />

kollektiven Selbst und ebnet den Weg für<br />

Altruismus und Solidarität innerhalb der stigmatisierten<br />

Minderheit. Letztere sind wichtige<br />

Voraussetzungen (erfolgreichen) kollektiven<br />

Handelns in Richtung auf sozialen Wandel zugunsten<br />

der Minderheit. Selbst-Stereotypisierungen<br />

beinhalten somit einerseits noch Affirmationen<br />

des Status quo, tragen aber andererseits<br />

schon den Keim der Auflehnung und des<br />

Widerstandes und damit das Potential zur Mobilisierung<br />

sozialer <strong>Bewegungen</strong> in sich.<br />

Bernd Simon arbeitet am Psychologischen Institut<br />

IV der Universität Münster.<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

Dem Begriff „Selbst-Interpretation" wird in dieser<br />

Konzeption gegenüber den Begriffen „Selbst-<br />

Definition" oder auch „Selbst-Identifikation" der<br />

Vorzug gegeben, weil ersterer in stärkerem Maße<br />

auf die Flexibilität des Prozesses der kognitiven<br />

Begründung eines Selbst-Verständnisses hinweist.<br />

Dadurch wird jedoch keineswegs ausgeschlossen,<br />

daß sich bestimmte Selbst-Interpretationen in einem<br />

solchen Maße verfestigen (chronifizieren)<br />

können, daß sie als relativ stabile Selbst-Definitionen<br />

oder Identitäten fungieren.<br />

2<br />

Eine ausführlichere Darstellung dieses „Selbst-<br />

Aspekt-Modells" (SAM) des individuellen und<br />

kollektiven Selbst findet sich bei Simon (1994).<br />

3<br />

Im Falle schwuler Männer kann insofern von<br />

einer sozialen Bewegung gesprochen werden, als<br />

sich schwule Männer als Mitglieder einer stigmatisierten<br />

Minderheit einem gemeinsamen Problem<br />

gegenüber sehen, welches sie gemeinschaftlich<br />

durch sozialen Wandel lösen wollen (Adam, 1987).<br />

4<br />

In literarischer Form ist dieser Zusammenhang<br />

erhellend dargestellt worden von Max Frisch<br />

(1961) in seinem Drama „Andorra".<br />

Literatur<br />

Adam, B. D. (1987). The rise of a gay and lesbian<br />

movement (Twayne's social movements series).<br />

Boston: Twayne Publishers.<br />

Allport, F. H. (1962). A structuronomic conception<br />

of behaviour: individual and collective. Journal<br />

of Abnormal and Social Psychology, 64, 3-<br />

30.<br />

Apfelbaum, E. (1979). Relations of domination<br />

and movements for liberation: An analysis of power<br />

between groups. In W. G. Austin/S. Worchel<br />

(Eds.), The social psychology of intergroup relations<br />

(pp. 188-204). Monterey, CA: Brooks/Cole<br />

Publishing Company.<br />

Brown, R. J./Turner, J. C. (1981). Interpersonal<br />

and intergroup behaviour. In J. C. Turner/H. Giles<br />

(Eds.), Intergroup behaviour. Oxford: Basil<br />

Blackwell.<br />

Brown, R. W. (1954). Mass phenomena. In G.<br />

Lindzey (Ed.), Handbook of Social Psychology<br />

(pp. 833-876). Reading: Addison-Wesley.<br />

Elias, N. (1988). Die Gesellschaft der Individuen.<br />

Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

Elias, N. (1990). Über den Prozeß der Zivilisation<br />

(zwei Bände). Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

Esser, H. (1988). Ethnische Differenzierung und<br />

moderne Gesellschaft. Zeitschrift für Soziologie,<br />

17 (4), 235-248.<br />

Ferree, M. M./Miller, F. D. (1985). Mobilization<br />

and meaning: Toward an integration of social psychological<br />

and resource perspectives on social<br />

movements. Sociology Inquiry, 55, 38-61.<br />

Freud, S. (1923). Massenpsychologie und Ich-<br />

Analyse. Leipzig: Intern. Psychoanalytischer Verlag.<br />

Frisch, M. (1961). Andorra. Frankfurt/Main: Suhrkamp.<br />

Gamson, W. A. (1992). The social psychology of<br />

collective action. In A. D. Morris/C. M. Mueller<br />

(Eds.), Frontiers in social movement theory (pp.<br />

53-76). New Häven: Yale University Press.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!