Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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Schäften postuliert (Beck 1986), durchaus kompatibel:<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Bewegungen</strong> als Gruppenzusammenschlüsse<br />
nach dem <strong>Soziale</strong>n Kohäsionsmodell<br />
werden labil, wenn in der postmodernen<br />
Risikogesellschaft Individualisierungsschübe<br />
an Bedeutung gewinnen und die Individuen<br />
zunehmend wemger gewillt oder in der<br />
Lage sind, Bedürfnisbefriedigung und Orientierung<br />
durch Zusammenschlüsse in sozialen<br />
Gruppen zu finden. Aus sozialpsychologischer<br />
Sicht ist zu erwarten, daß die damit verbundene<br />
Fluktuation in politischen Interessensgruppen,<br />
der Rückgang der Mitgliedschaften in tradierten<br />
<strong>Bewegungen</strong> des organisierten Kapitalismus<br />
und die Labilität neuer sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />
des wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus<br />
psychische Probleme auslösen, die sich vor<br />
allem in Schwierigkeiten der Orientierung und<br />
Validierung eigener Überzeugungen und Bewertungen<br />
äußern.<br />
Trotz partieller Vereinbarkeit der genannten<br />
psychologischen Theorien mit Erscheinungsformen<br />
moderner <strong>Bewegungen</strong> ist die Anwendbarkeit<br />
des Kohäsionsmodells auf die Analyse<br />
sozialer <strong>Bewegungen</strong> eingeschränkt. Bedeutsame<br />
soziale Kontextfaktoren spielen im Kohäsionsmodell<br />
eine untergeordnete Rolle: Die<br />
An- und Einbindung von Individuen in Gruppen<br />
wird allein als individuelle Anziehung definiert.<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Bewegungen</strong> werden damit als<br />
Aggregate von Individuen definiert, die nur<br />
solange existieren, solange sie zur individuellen<br />
Bedürfnisbefriedigung taugen. Der Reduktionismus<br />
solcher Theorien ist offensichtlich:<br />
Gerade soziale <strong>Bewegungen</strong> zeigen an,<br />
daß strukturelle, historische und ideologische<br />
Determinanten einen entscheidenden Einfluß<br />
auf die Formierung sozialer Gruppen haben.<br />
Die dritte von Doise angeführte mögliche sozialpsychologische<br />
Erklärungsebene ist die sogenannte<br />
positionale Ebene: Eine Analyse<br />
auf dieser Ebene betrachtet interindividuelle<br />
FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1. 1995<br />
Interaktionen unter expliziter Berücksichtigung<br />
des Einflusses sozialer Positionen und Statusrelationen<br />
außerhalb der konkreten Untersuchungssituation.<br />
Das Subjekt dieser Erklärungsebene<br />
ist nicht mehr ein nach Bedürfnisbefriedigung<br />
oder nach Einstellungsähnlichkeit<br />
suchendes vereinzeltes Individuum, das<br />
sich in einstellungskongruenten <strong>Bewegungen</strong><br />
engagiert, sondern ein 'Gruppenindividuum',<br />
das sich selbst durch die Bewegung definiert<br />
und dessen Einstellungen und Verhaltensweisen<br />
durch den sozialen Kontext, d.h. durch die<br />
Bewegung im Vergleich zu den Gruppen, von<br />
denen sie sich abgrenzt, determiniert ist. Diese<br />
Erklärungsebene kann auch als intergruppale<br />
Erklärungsebene bezeichnet werden.<br />
Gruppen entstehen als Folge von Identifikationen<br />
mit Gruppen, die die Basis für die Ausbildung<br />
<strong>Soziale</strong>r Identität sind. Wenn man<br />
Gruppenprozesse primär als Ergebnis kollektiver<br />
Identifikationen versteht, lassen sich stärkere<br />
Postulate für eine Kollektivierungsthese<br />
sozialer <strong>Bewegungen</strong> ableiten: <strong>Soziale</strong> <strong>Bewegungen</strong><br />
generieren sich, weil sie die durch die<br />
Bewegung vermittelte kollektive Identität der<br />
Mitglieder stärken und aufrechterhalten, wobei<br />
diese Identität in Differenz zu anderen<br />
Gruppen oder Institutionen definiert wird. Die<br />
Kollektivierungsfhese kann erweitert werden:<br />
Neue soziale <strong>Bewegungen</strong> grenzen sich von<br />
tradierten Bewegungsformen gerade dadurch<br />
ab, daß die Bewegung eine gesellschaftliche<br />
Institution ist, die den Gewinn einer kollektiven<br />
Identität verspricht, die ansonsten durch<br />
umgreifende Individualisierungsprozesse angegriffen<br />
ist. Auf dieser Erklärungsebene läßt<br />
sich auch der Ansatz einordnen, den wir selbst<br />
präferieren: den Social Identity Approach. Dieser<br />
Ansatz nimmt im Gegensatz zu den traditionellen<br />
Gruppentheorien an, daß soziale Kategorisierungs-<br />
und Identifizierungsprozesse relevante<br />
Determinanten von Gruppenbildungsund<br />
Abgrenzungsprozessen sind. Die Wahrnehmung<br />
von interpersonalen Ähnlichkeiten