Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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32 FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 8, HEFT 1, 1995<br />
Veit Michael Bader<br />
Ethnische Identität<br />
und ethnische Kultur<br />
Grenzen des Konstruktivismus und der Manipulation<br />
In „Kollektives Handeln" (KH) habe ich eine<br />
protheoretische Analyse kollektiver Identität<br />
und Identitätsbildung entwickelt, welche die<br />
eingeschliffene Rivalität zwischen ökonomischutilitaristischen<br />
und instrumentalistischen Ansätzen<br />
einerseits (RMA, Logic of Collective<br />
Action, Rational Choice, Political Process Approach),<br />
und soziologisch-normativistischen,<br />
kulturalistischen Ansätzen andererseits (cultureand<br />
identity-approaches) ins Leere laufen läßt. 1<br />
Die Artikulation mehrdimensional begriffener<br />
kollektiver Identität (expressiv als Solidarität;<br />
historisch als Erinnerung gemeinsamer Geschichte;<br />
normativ als Bejahung gemeinsamer<br />
Prinzipien, Werte, Normen, Tugenden und gemeinsamer<br />
Verpflichtungen; strategisch als Einsicht<br />
in gemeinsame Interessenlage) ist auf objektive<br />
sozialstrukturelle und/oder kulturelle<br />
Grundlagen angewiesen. Aber ihre Artikulation<br />
geschieht nicht 'von selbst' und ist auch<br />
kein einfacher 'Ausdruck' gemeinsamer Interessen<br />
oder gemeinsamer Kultur. Die Artikulation<br />
kollektiver Identitäten folgt der Logik der<br />
Ausgrenzung in Situationen von Konkurrenz<br />
und Kampf. Ein derartiger Ansatz erlaubt eine<br />
genaue Analyse der Möglichkeiten wie der<br />
Grenzen strategischer Manipulation kollektiver<br />
Identitäten, sowohl bewegungsintern (durch<br />
Organisationen, Eliten, Intelligentsia) wie -extern.<br />
In diesem Artikel möchte ich den in KH unzureichend<br />
thematisierten Zusammenhang zwischen<br />
Kultur, Habitus und kollektiver Identität<br />
genauer analysieren und damit zugleich einen<br />
Beitrag zur Schließung einer Lücke in der Bewegungsforschung<br />
liefern. Dazu wähle ich das<br />
Verhältnis von ethnischer Kultur und Identität<br />
als Beispiel. Die Debatte zwischen eher 'differentialistischen'<br />
Diskurstheorien und eher 'kulturalistischen'<br />
Theorien ethnischer Identität läßt<br />
exemplarisch Schwierigkeiten erkennen, welche<br />
sich in weniger auskristallisierter Form<br />
auch in der Diskussion sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />
aufzeigen ließen. Zur Erläuterung beziehe ich<br />
mich vor allem auf die in Deutschland leider<br />
wenig rezipierten Arbeiten von Anthony D.<br />
Smith 2<br />
und und neuere Kontroversen um die<br />
klassische Studie von Frederik Barth: 'Ethnic<br />
Groups and Boundaries'. 3<br />
Ich beginne mit einer schematischen Skizze<br />
der Beziehungen zwischen objektiver Lebenslage,<br />
Kultur, Habitus und Praxen (1.) und umreiße<br />
den von mir verwendeten Begriff der<br />
Kultur (2.). In (3.) fasse ich die Ergebnisse<br />
meiner Analyse kollektiver Identität am Beispiel<br />
ethnischer Identität zusammen. In (4.)<br />
behandle ich das Verhältnis von ethnischer Kultur<br />
und ethnischer Identität. Eine klare begriffliche<br />
Unterscheidung, so wäre meine These,