Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (5.75 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
104<br />
die Unterstützung kleiner, lokaler,<br />
unabhängiger Medien als positive<br />
Gegenmaßnahme empfiehlt.<br />
Berücksichtigt man, daß<br />
diese Empfehlung im Widerspruch<br />
zur ökonomischen Ausrichtung<br />
der EU wie auch zu den<br />
EU-Grundfreiheiten steht, so ist<br />
anzunehmen, daß die Installierung<br />
eines effizienten Instruments<br />
gegen Kommerzialisierung<br />
und Medienkonzentration<br />
noch lange Zeit auf sich warten<br />
lassen wird bzw. unter dem Druck<br />
internationaler Medienkonzerne<br />
gänzlich verhindert wird.<br />
Im Kontext dieser Entwicklung<br />
zunehmender Kommerzialisierung<br />
des Programmangebots und<br />
Marginalisierung nicht-kommerzieller<br />
Medien auf Basis gesetzlicher<br />
(Neu)-Regelungen steht<br />
auch die Entscheidung der<br />
AMARC (Assembee Mondiale<br />
des Artisans des Radios de Type<br />
Communautaire), der weltweiten<br />
Dachorganisation nicht-kommerzieller<br />
Radios, neben den bestehenden<br />
Regionalvertretungen für<br />
Lateinamerika und Afrika auch<br />
eine eigene Europasektion die<br />
AMARC-Europe zu gründen.<br />
Die Konstituierung von<br />
AMARC-Europe erfolgte im<br />
Rahmen der vom 15.-18.9.1994<br />
in Ljubljana/Slovenien abgehaltenen<br />
Konferenz „One Europe -<br />
Many Voices: Democracy and<br />
Access to Communication".<br />
AMARC, die als Nongovernmental<br />
Organisation im Umfeld<br />
der UNESCO arbeitende Dachorganisation,<br />
wurde 1982 in<br />
Quebec/Kanada gegründet und<br />
vertritt derzeit in mehr als 60<br />
Ländern der Erde die Interessen<br />
der community radios.<br />
Die Sektion AMARC-Europe<br />
soll die Gesamtziele der Dachorganisation<br />
in Europa verfolgen:<br />
Neben der politischen Vertretung<br />
bei nationalen Regierungen<br />
und internationalen Organisationen<br />
ist beabsichtigt, den<br />
Aufbau eines transnationalen Informationsnetzwerks<br />
sowie - in<br />
Kooperation mit Universitäten -<br />
Forschung und technische Entwicklung<br />
im Bereich der community<br />
radios voranzutreiben.<br />
Ferner sind Aus- und Weiterbildung<br />
für Mitarbeiter/innen in<br />
community radios im Rahmen<br />
der AMARC-Europe Training<br />
Partnership (AETP) weiter auszubauen<br />
und ein Netzwerk für<br />
internationalen Programmaustausch<br />
zu organisieren. Das Programmnetzwerk,<br />
das in Kooperation<br />
mit den beiden bestehenden<br />
Netzwerken „InterKonne-<br />
Xiones" von „Radio Dreyeckland"<br />
sowie der Programmbank<br />
der „Association pour la Liberation<br />
des Radio Ondes" in Belgien<br />
entstehen wird, soll so zu einem<br />
effizienten Ost-West-Dialog<br />
beitragen. Der vierteljährlich<br />
erscheinende Newsletter „Spectrum"<br />
wird über das internationale<br />
Journal der AMARC „Inte-<br />
Radio" vertrieben werden.<br />
Nach einer ersten empirischen<br />
Erhebung von AMARC gibt es<br />
in Ost- und Westeuropa derzeit<br />
rund 1.500 community radios.<br />
Rund 3.000 Personen sind in diesem<br />
Sektor vollzeitbeschäftigt,<br />
mindestens weitere 50.000 Personen<br />
arbeiten freiberuflich oder<br />
unentgeltlich für community radios.<br />
Zusätzlich existieren oder<br />
befinden sich in der Phase der<br />
Konstituierung mindestens 800<br />
weitere Radioinitiativen. Mit<br />
dem bereits in Großbritannien,<br />
Deutschland, Italien und Spanien<br />
angelaufenen Trainingsprogramm<br />
AETP sollen Innovation<br />
und qualitative Standards für einen<br />
nicht-kommerziell orientierten<br />
Radiojournalismus auf hohem<br />
Niveau gewährleistet werden.<br />
Während in westeuropäischen<br />
Ländern der Begriff community<br />
radio relativ eindeutig einem bestimmten<br />
Radiotyp nicht-kommerziellen<br />
Zuschnitts zugeordnet<br />
werden kann, sorgt er für<br />
Radiobetreiber/innen osteuropäischer<br />
Länder für Verwirrung.<br />
Für osteuropäische Konferenzteilnehmer/innen<br />
konnotiert der<br />
Begriff community radio zu sehr<br />
den Begriff des (staatlich gelenkten)<br />
Gemeinschaftsradios bzw.<br />
Kommunenradios, so daß nicht<br />
selten dem Begriff „unabhängige<br />
Medien" (independent media)<br />
der Vorzug gegeben wurde.<br />
Abseits begrifflicher Probleme<br />
steht aber als Gemeinsamkeit die<br />
neue Aufbruchsstimmung für<br />
west- und osteuropäischen Radiomacher/innen<br />
im Zentrum.<br />
Gegeninformation wird angesichts<br />
einer vereinheitlichten Informationsflut<br />
immer wichtiger,<br />
und ein offensives Vorgehen, das<br />
Vorantreiben der Vernetzung<br />
und die Bildung politischer Lobbies<br />
sollen ein Agieren aus der<br />
Defensive beenden. Es geht also<br />
um einen neuen Anlauf und um<br />
eine (partielle) Reaktivierung alter<br />
Prinzipien, w ie etwa die Notwendigkeit<br />
des Werbeeinnahmeverzichts<br />
für freie Radios, aber<br />
auch um die Notwendigkeit der