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hier rechte Maustaste... - Lewin

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kommissarischer Bürgermeister eingesetzt: Er war nicht in der Partei, sprach perfekt<br />

tschechisch und genoß im Dorf ein allgemeines Ansehen. Bei Kanera quartierte sich folglich<br />

auch ein russischer Chargierter ein, der die Ernte zu überwachen hatte.<br />

Ein ukrainisches Ehepaar, Wasil und Maria Katscheschen, Fremdarbeiter bei Hillmann und<br />

Tschöpe, war nach dem Kriegsende in Dörnikau geblieben, wohl in der Hoffnung, in<br />

Deutschland bleiben zu können, wenn die Sowjets das Land wieder verlassen hätten. Sie<br />

wurden mit ihrer dreijährigen Tochter Erika, die bei Frau Anna Friebe ein Zuhause gefunden<br />

hatte, brutal von sowjetischen Soldaten abgeholt: Mutter und Tochter kamen in ein<br />

Internierungslager in Glatz; Wasil wurde gerüchteweise zum Mililtär eingezogen, in<br />

Wirklichkeit natürlich verhaftet, vor Gericht gestellt und in ein stalinistisches Straflager<br />

deportiert.<br />

Russische Soldaten fielen immer wieder heuschreckenartig in das abgelegene Tal ein, ließen<br />

sich verpflegen, stahlen auch gelegentlich Uhren und Fahrräder, heischten Alkohol und suchten<br />

„Frau". Bis auf ganz vereinzelte Vergewaltigungen (weil sich die Mädchen vertecken konnten)<br />

kam Dörnikau von den Russen eingermaßen glimpflich davon.<br />

Die Situation änderte sich einschneidend, nachdem die Verwaltung auch unseres Gebietes an<br />

die Polen übergegangen war und als sich Polen in die deutschen Wirtschaften einnisteten. Der<br />

erste polnische Bürgermeister für die Umgebung residierte auf dem Hof des Lehrers Otto in<br />

Tanz. Dörnikau bekam dann etwa im September 1945 seinen eigenen Bürgermeister: den<br />

25jährigen Frantiszek Iwulski, der im Krieg Fremdarbeiter in Deutschland war und daher<br />

einigermaßen deutsch sprach. Er war ein ausgesprochener Judenhasser. Zu Frau Friebe<br />

äußerte er seine makabre Einschätzung: „Wissen Sie, Frau Frieba, hat Hitler gut gemacht, die<br />

Scheiß (sein Lieblingswort) zu vergasen, hat er noch zu wenig vergast." Mit seiner<br />

Lebensgefährtin Steffi hatte er eine kleine Tochter. Eine zweite Amtsperson war der<br />

„Kontolleur", der auf der Wirtschaft von Esche saß und seiner zweifellos wichtigen, uns aber<br />

unbekannten Arbeit in <strong>Lewin</strong> oder Kudowa nachging.<br />

Zwar hörte die Angst vor den Vergewaltigungen auf, aber die deutschen Einwohner waren<br />

nun vor keinen Schikanen und Drangsalen von Polen sicher: Sie wurden als rechtlose<br />

Kriegsbeute angesehen, mit denen man völlig willkürlich verfahren konnte, soweit nicht<br />

menschliche Hemmungen ins Spiel kamen.<br />

• Die deutschen Bauern wurden zu Knechten auf ihren Höfen. Die neuen polnischen<br />

Besitzer ließen sie für sich arbeiten und sich von ihnen ernähren. Daß viele von ihnen sich auch<br />

an den Vorräten recht unbekümmert gütlich taten, war ein untrügliches Zeichen dafür, daß sie<br />

mit einem endgültigen Aufenthalt gar nicht rechneten. Die Häusler, die aus einsichtigen<br />

Gründen keine Einquartierungen bekamen, mußten ihr Kleinvieh abliefern.<br />

• Einbrüche, Diebstähle, sogar räuberische Überfalle (wie sie die Familie Martinetz auf<br />

dem Klötzerplan nächtens über sich ergehen lassen mußte, wobei ihr die Kühe gestohlen<br />

wurden) bestimmten den Alltag der deutschen Bewohner. In den deutschen Familien,<br />

besonders in denen der Häusler, die so gut wie keine Selbstversorgungsmöglichkeiten hatten,<br />

herrschte Hunger.<br />

• Der polnische Pfarrer in <strong>Lewin</strong> forderte seine (katholischen) Landsleute von der<br />

Kanzel herab auf, sich am Hab und Gut der Deutschen schadlos zu halten. Sein deutscher<br />

Amtsbruder, der betagte Pfarrer Jünschke, wurde auf offener Straße überfallen, verprügelt und<br />

in den Straßengraben geworfen.<br />

• Anton Witwer, ein biederer Maurer und Witwer mit drei Töchtern, hatte sich aus dem<br />

ARD-Lager in der Nähe von Karlsberg, nachdem das Lager verlassen worden war, eine<br />

Militäruniform mitgenommen, damit ihm seine Haushälterin nach dem Kriege daraus eine<br />

Arbeitskluft nähe, und sie in einem Heuverschlag versteckt. Eines Tages suchte zielsicher und<br />

fand polnische Miliz das Versteck. (Jemand mußte also Witwer verpfiffen haben.) Die Polen<br />

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