hier rechte Maustaste... - Lewin
hier rechte Maustaste... - Lewin
hier rechte Maustaste... - Lewin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
30<br />
beluden ein Pferdegespann mit allen möglichen Entwendungen (unter anderem ein Radio),<br />
drapierten die Ladung mit der Uniform, und Witwer wurde obenauf sitzend aus dem Dorf<br />
hinaustransportiert. Er starb wenig später in einem Kloster in der Nähe von Glatz an<br />
Hungertyphus, nachdem ihn seine polnischen Peiniger einen Tag zuvor aus einem Gefängnis<br />
der Kreisstadt als einen durch Hunger und Prügel völlig gebrochenen Mann hinausgeworfen<br />
hatten. 16 Wenig später bemächtigte sich die polnische Miliz seines Bruders, des Julius Witwer,<br />
er verschwand spurlos.<br />
• Ein gewisser Carnik aus Tanz hatte eine Liste angelegt, die anscheinend teils<br />
Unterschriften für einen Anschluß der Grafschaft an die CSSR enthielt, teils aber auch Namen<br />
von Familien, die nichts von diesem Vorhaben wußten (wie z. B. meine Familie). Diese Liste<br />
fiel der polnischen Miliz in die Hände. Sie ließ in den in Frage kommenden Dörfern die<br />
Männer der Familien, wenn kein Mann vorhanden war, die Frau verhaften und in <strong>Lewin</strong><br />
einsperren. Die Verhöre ließen erkennen, daß die Polen eine regel<strong>rechte</strong> bewaffnete<br />
protschechische Verschwörung mutmaßten. Eine offensichtlich leitende Aufgabe bei dieser<br />
Aktion hatte ein polnischer Jude namens Silberstein, der perfekt deutsch sprach.<br />
Es gab einige Polen, die selbst Vertriebene aus dem ehemaligen Ostpolen östlich der<br />
Curzon-Linie waren, das Stalin 1939 besetzt hatte und das er nun nicht an Polen zurückgeben<br />
wollte. Diese Polen hegten den tiefen Wunsch und die feste Überzeugung, daß sie und die<br />
Deutschen, die auch ihretwegen vertrieben wurden, in ihre Heimat würden zurückkehren<br />
können. Entsprechend verhielten sie sich. In unserem Dorfe gehörte zu dieser Gruppe die<br />
polnische Lehrerin: Sie beanspruchte für sich außer einem kleinen Zimmer in der Schule nichts<br />
von der Lehrerwohnung und ließ die Einrichtung unberührt. Und es gab außerdem einige<br />
Polen, die sich - aus Eigennutz oder aufgrund ihres Charakters - anständig und zivilisiert<br />
benahmen.<br />
1946 fand in <strong>Lewin</strong> noch eine Firmung durch den Breslauer Weihbischof Dr. Ferche statt.<br />
Am 25. März 1946 mußte die erste Gruppe von Dörnikauern das Dorf verlassen.<br />
Am 16. Oktober, dem Kirmes-Montag, erfolgte die Aussiedlung der zweiten großen Gruppe.<br />
Organisator dieser Vertreibungsaktionen vor Ort war der bereits erwähnte Jude Silberstein.<br />
Zurück blieben zwei Familien:<br />
• Wilhelm Tschöpe mit Frau und sechs Kindern.<br />
• Anna Friebe, eine geborene Tschöpe und Cousine von W. Tschöpe, mit zwei Kindern.<br />
(Tochter Margot war am 7. Oktober 1946 an TB verstorben.)<br />
Die Gründe, warum diese beiden deutschen Familien bleiben durften oder zurückgehalten<br />
wurden, lassen sich nur vermuten.<br />
• W. Tschöpe konnte hausschlachten. Damit war er für viele Polen von unschätzbarem<br />
Nutzen. Vermutlich hatte sich auch „sein" Pole für sein Verbleiben eingesetzt: Er hatte eine<br />
Familie zu ernähren, von Ackerbau und Viehzucht aber nicht die geringste Ahnung. So soll er,<br />
als er später auf sich gestellt war, einen Zentner Graupe ausgesät haben. Tschöpe will erfahren<br />
haben, daß er sich vor Verzweiflung in der Scheune erhängt habe.<br />
• A. Friebe versorgte zunächst die polnische Lehrerin (die ihre Kuh, ihre wichtigste Lebensgrundlage,<br />
nicht melken konnte) in der Schule; nach dem Weggang von Kanera besorgte sie<br />
zudem den Haushalt des polnischen Bürgermeisters, der, weil seine Steffi keinerlei<br />
17<br />
16 Nach den Erfahrungen der Deutschen in Schlesien gab sich die russische Soldateska weithin ungehemmt<br />
Vergewaltigungen und auch Erschießungen hin; die polnischen „Besatzer" dagegen charakterisierten sich<br />
vielfach durch Diebstahl und eine ausgeprägte Neigung zum brutalen Schlagen von hilflosen und wehrlosen<br />
Opfern.<br />
17 Carnik (ein tschechischer Name) war vielleicht eingeheiratet, auf jeden Fall tschechophil. Seine Intention<br />
war ohne Frage gut gemeint, wirkte sich aber für nicht wenige, die auf seiner Liste standen, unheilvoll aus.