27.04.2014 Aufrufe

Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Rainer K erz<br />

Wald und Großstadt am Beispiel der Stadt Aachen<br />

0. Waldverhältnisse der Solitärstadt Aachen<br />

Die Stadt Aachen (2<strong>40</strong>.000 E inw.) hat auf 16.000 ha Gesamtfläche<br />

3.100 ha Wald, das sind 19 % bzw. 0,0131 ha/Einw. Die<br />

Lage dieses Waldes erklärt sich aus der geographischen Lage:<br />

Aachen liegt am Übergang der stark bewaldeten Eifel (S) und der<br />

gering bewaldeten niederrheinischen Tiefebene (N). Dementsprechend<br />

liegen die Waldflächen im wesentlichen mit 1.450 ha<br />

Wald = Bewaldungsprozent 28 im Stadtbezirk Aachen Mitte und<br />

mit 1.080 ha Wald = Bewaldungsprozent 30 im südlichen Stadtbezirk<br />

Kornelimünster - Walheim; es handelt sich um d ie geschlossenen<br />

Waldgebiete des „Aachener Waldes", dem a lten<br />

Stadtwald, und des „Münsterwaldes", dem ehemaligen Gemeindewald<br />

von Kornelimünster und Wa lheim. Die übrigen Stadtbezirke<br />

haben zusammen nur 570 ha Wald und ein Bewaldungsprozent<br />

von 6. Neben den beiden großen Waldflächen in Aachen<br />

wirken sich d ie angrenzenden Wa ldflächen Belgiens und der<br />

Eifel auf die Stadt aus, wie sich umgekehrt der Bevölkerungsdruck<br />

der nördlich angrenzenden deutschen und niederländischen<br />

Bergbaustädte des Wurmreviers auf d ie Waldungen um<br />

Aachen auswirkt.<br />

Für die Bewirtschaftung im Interesse der A llgemeinheit ist der<br />

hohe A nteil des öffentlichen Waldbesitzes (81 %) - hauptsächlich<br />

Kommunalbesitz - wicht ig, weiter ist der hohe Anteil<br />

älterer Waldbestände (41 % über 60 Jahre, nur 21 % unter 20<br />

Jahre) für Großstädte in NW ungewöhnlich. Der Laubholzanteil<br />

der Gesamtfläche liegt bei 43 %, hier unterscheidet sich der<br />

Aachener Wald mit 52 % deutlich vom zur Eifel gehörigen Münsterwald<br />

mit 29 %.<br />

1. Bedeutung und Auswirkung des Waldes auf die<br />

Stadt<br />

1.0 Allgemeines<br />

Neben der Holzproduktion hat der Wald Sozial- oder Wohlfahrtswirkungen,<br />

die neuerdings auch als „Forstliche Infrastruktur"<br />

bezeichnet werden. ( Lit. 2) Die Sozialwirkungen werden<br />

üblicherweise gegliedert in landeskulturelle Wirkungen (Schutzfunktion)<br />

und volkskulturelle Wirkungen (Erholungsf unktion).<br />

Einen Teil dieser Wirkungen kann der Wa ld durch seine bloße<br />

Existenz als „natürliche Infrastruktur". also weitestgehend kostenlos<br />

liefern, einen anderen nur d urch Maßnahmen, d ie über<br />

das Z iel der Holzprodukt ion hinausgehen, als „produzierte<br />

1 nfrastru ktu r".<br />

Die Waldflächen m it Schutz- und Erholungsfunktionen wurden<br />

für den Aachener Raum in einer Waldfunktionskarte 1975 dargestellt,<br />

des weiteren wurde für das Teilgebiet „Aachener Wald"<br />

im Rahmen einer Repräsentativerhebung des Deutschen Forstwirtschaf<br />

tsrates der Wert der „produzierten Infrastruktur" 1974<br />

ermittelt : Er betrug als Gesamtwert der Mehraufwendungen und<br />

Mindererlöse schätzungsweise 450.000 DM/Jahr, eine Summe,<br />

die sich in etwa mit dem jährlichen Defizit des städtischen<br />

Forsthaushaltes deckt.<br />

1.1 Klimatische Wirkung<br />

Das Gelände- und Stadtklima Aachens wurde im Rahmen des<br />

„landschaftsplanerischen Gutachtens" (Pflug/Birkigt 1976)<br />

näher untersucht. D ie Untersuchungen bestät igen die kritische<br />

Stadtklimasituation der Innenstadt als Folge der ausgeprägten<br />

Kessellage, insbesondere bei stabilen Wetterlagen. Hier war nicht<br />

nur die evtl. positive A uswirkung des Waldes zu untersuchen<br />

sondern auch die Frage, ob nicht sogar durch den Wa ld negat ive<br />

Auswirkungen dadurch entstünden, daß er die Durchlüftung<br />

behinderte.<br />

Ausgiebige Meßreihen ergaben im wesentlichen für den Wald folgendes:<br />

a) Ob der „Aachener Wa ld" ein günstigerer Ka ltluftlieferant ist<br />

als andere Freiräume, konnte nicht eindeutig bewiesen werden,<br />

weil kein verg leichbares unbewaldetes Relief zur Verfügung<br />

steht.<br />

b) D ie große Wichtigkeit der unbebauten Freiräume am südlichen<br />

Stadtrand zur Entlastung des überhitzten Klimas der Innenstadt<br />

war nachweisbar, ist aber nur vo ll nutzbar, wenn<br />

aus den Freiräumen Entlüftungsschneisen durch die Geländerinnen<br />

mögl ichst tief in die Innenstadt führen. D iese Schneisen,<br />

d ie zweckmäßiger Weise als Grünzüge gestaltet sind und<br />

von denen Aachen mehrere aufweist , dürfen wenig Querstrukturen<br />

(Dämme, Hecken, Bewaldung, Bebauung) haben.<br />

c) Bei Kühlwetterlagen war die ausg leichende - erwä rmende -<br />

Wirkung des Waldes deutlich nachweisbar.<br />

d) Die kritischsten stadtklimatischen Gegebenheiten finden sich<br />

bei stabilen bzw. lnversionswetterlagen in dem dem Wald<br />

abgekehrten Nordostteil des Aachener Kessels. Zu dessen<br />

Ent lastung ist d ie Offenhaltung von in nordöstlicher Richtung<br />

laufenden Entlüftungsschneisen besonders wichtig, deren<br />

Wirkung wahrscheinlich um so günstiger ist, je weniger<br />

rau (bewaldet) ihre Oberfläche ist. Umgekehrt kann bei<br />

diesen kritischen Wetterlagen und für die kritischsten Teilräume<br />

der im Süden gelegene Aachener Wald keinesfalls negative<br />

Wirkungen ausüben. D ie Öffnung einer D urchlüftungsschneise<br />

durch diesen Waldgürtel wäre desha lb w irkungslos.<br />

e) Bei den vorherrschenden Südwest- u nd Westwinden können<br />

durch die rauhe Waldoberfläche des südlich vorgelagerten<br />

Wa ldgürtels keine negativen A uswirkungen bezüg lich der<br />

Durchlüftung der Innenstadt entstehen, da bei dieser Wetterlage<br />

sowieso genügend Luftbewegung besteht und im Gegentei<br />

1 ein gewisser Sturmschu tz günstig ist.<br />

f) Bei stabilen Wetter lagen kann der A ufbau eines „Flurwindsystems"<br />

beobachtet werden: d ie erwärmte aufsteigende<br />

Stadtluft läßt in Bodennähe küh le Luft aus nichtbebauten<br />

Außenbereichen nachströmen.<br />

g) D ie lufthygienischen Wirkungen der Staubablagerung und<br />

Luftreinigung durch den Wald sind zwar nachweisbar, kommen<br />

aber für das Innengebiet der Stadt kaum zur Wirkung,<br />

da hier wie bei den meisten anderen Städten die Hauptemittenten<br />

im Osten, d.h. auf der waldabgekehrten Seite liegen.<br />

z usammenfassend zeigt diese Untersuchung, daß der vorhandene<br />

Wald einerseits die bekannten allgemein günstigen klimatischen<br />

Wirkungen insbesondere als Alternative zur Bebauung aufweist<br />

und andererseits die ihm neuerd ings insbesondere für die Stadtdurchlüftung<br />

nachgesagten negat iven Wirkungen im Fa lle Aachen<br />

nicht ausübt. Die planerische Konsequenz ist, daß der vorhandene<br />

Wa ld stadtklimatisch als Freiraum erha lten b leiben muß, d.h.<br />

nicht bebaut werden darf. Konsequenterweise sind in der Wa ldfunktionskarte<br />

2/3 der Gesamtwaldflächen, insbesondere die bei-<br />

717

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!