Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege
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Wolfram Pf 1 u g<br />
Zur Bedeutung innerstädtischer Freiräume und unbebauten Stadtumlandes aus landschaftsökologischer<br />
und la n dsc haftsgesta lter i s~her Sicht, dargestellt am Hexbachtal im Ruhrgebiet und am Stadtgebiet<br />
von Aachen.<br />
Die Geographen bezeichnen die Natur des Landes seit langem<br />
mit dem Begriff Landesnatur. „Die 'Landesnatur' eines Teiles<br />
der Erdoberfläche ist die Gesamtheit dessen, was nicht durch<br />
den Menschen geschaffen oder gestaltet ist" (S c h m i d t h ü -<br />
s e n 1953). Zur Natur des Landes gehören die Lage (so z.B. der<br />
geographische Ort und die Höhenlage), das Relief, das Gestein.<br />
der Boden, der Wasserhaushalt, das Klima, die Vegetation und<br />
d ie Tierwelt. Außer der Struktur der jeweiligs an einem Ort anzutreffenden<br />
Eigenschaften der vorstehend aufgezählten Landschafts-<br />
oder Geofaktoren gehört zur Landesnatur auch „Das<br />
Wirkungsgefüge aus Erscheinungen und Kräften der anorganischen<br />
und der vitalen Welt" (S c h m i d t h ü s e n 1953).<br />
Dieses Wirkungsgefüge ist der eigentliche Arbeitsbereich der<br />
Ökologie. Unter Ökologie, der Lehre von den „Häusern" oder<br />
vom „Haushalt" (abgeleitet von dem griechischen Wort oikos),<br />
weitergefaßt von „ Umwelten", versteht man die- Wissenschaft<br />
von der Struktur und der Funktion der Natur (0 du m 1967).<br />
Die ihrer Struktur nach sehr unterschiedlichen ökologischen<br />
Systeme (Ökosysteme) funktionieren jedoch nach genau bestimmten<br />
Gesetzen in gleicher Weise. Dabei werden unter Funkt<br />
ion der Natur. allgemein ausgedrückt, der Aufbau, der Verbrauch<br />
und der Abbau organischer Substanz verstanden. Ist :.B.<br />
die Produktion organischer Substanz gleich dem Abbau organischer<br />
Substanz, kann von einer Art Gleichgewicht gesprochen<br />
werden. In diesen natürlichen Vorgang bringt nun der Mensch<br />
Störfaktoren hinein, die zu einer Veränderung der natürlichen<br />
Vorgänge und unter bestimmten Voraussetzungen zu Belastungen<br />
des Naturhaushaltes führen können.<br />
Einige Bestandteile der Natur wie z.B. die Lage , das _Relief,<br />
der Gesteins- und Bodenaufbau sowie das Großklima sind,<br />
worauf bereits Sc h m i d t h ü s e n (1953) hingewiesen hat,<br />
wenig veränderlich. Sie schlagen auch in einem vom Menschen<br />
stark veränderten Teil der Erdoberfläche, z. B. in<br />
einer Stadt, immer wieder durch. Sie behalten damit eine hohe<br />
ordnende Kraft für das Verhältnis Natur, Bauwerk und Stadt.<br />
Andere Bestandteile der Landesnatur dagegen, wie ihre „Ausstattung<br />
mit Lebensgemeinschaften und das davon abhängige<br />
Mikroklima" (S c h m i d t h ü s e n 1953) sind dagegen leicht<br />
und schnell zu verändern.<br />
Die hohe ordnende Kraft von Relief, Gestein und Wasserhaushalt<br />
kommt in folgendem Beispiel zum Ausdruck. In den Aachener<br />
Zeitungen tauchen Nachrichten wie die folgende jedes Jahr<br />
mehrfach auf: „In einigen Straßen des Stadtbezirks Laurensberg<br />
fürchten die Bewohner seit vielen Jahren starke, langanhaltende<br />
Regenfälle. Sie wissen, daß die zu schmal bemessenen Kanalrohre<br />
im Innern der Straßen dann die Wassermengen nicht fassen<br />
können. Wie ein Schreckgespenst kommt das Hochwasser, dringt<br />
in Keller und Wohnräume. Die herbeigerufene Feuerwehr hat<br />
dann weder Männer noch Hände und Pumpen genug, um das<br />
zerstörende Wasser, oft mit Fäkalien aus dem Kanal versetzt ,<br />
wieder auszupumpen. Am 7. August dieses Jahres war es besonder<br />
schlimm in den Straßen Teichwinkel, Teichstraße, Schlottfelderstraße<br />
und in einem Teil der Soers" (Aachener Nachrichten<br />
vom 1.9.1977, f\!r. 201, Seite 14). Nomen est omen. Die angegebenen<br />
Straßen liegen in oder in unmittelbarer Nähe von<br />
R innanlagen. Die Soers ist ein feuchtes Niederungsgebiet, durch-<br />
zogen von zahlreichen Wasserläufen. Die an Gebäuden auf solchen<br />
und anderen Standorten zu beobachtenden Bauschäden<br />
sind meist auf hohen Grundwasserstand, Staunässe, Fließsande,<br />
Gesteinswechsel auf k leinem Raum (Risse durch unterschiedliche<br />
Setzungen), Oberflächenwasser im Zusammenhang mit<br />
großen Reliefunterschieden (u.a. Erosionsschäden, Wassereinbrüche<br />
nach Starkregen) , Oberflächenwasser im Bereich von<br />
Tälern (u.a. Überschwemmungen nach Starkregen) und ungünstige<br />
chemische Eigenschaft en des Baugrunds (u.a. Auftreten von<br />
Humussäuren, Sulfaten und Chloriden) zurückzuführen . Sie sind<br />
im allgemeinen auch nicht mit entsprechenden Maßnahmen w ie<br />
z.B. Wannengründung, Pfahl- oder Plattengründung, Isolierungen,<br />
aufwendigen Kanalisationen oder Dränungen in d en Griff zu bekommen.<br />
Außerdem ist auch auf die Beziehungen zwischen<br />
feuchten Standorten und den hier wirksamen geländeklimatischen<br />
Eigenschaften hinzuweisen. So ist z.B. bei einem feuchten<br />
und nassen Standort in einem Tal vergleichsweise m it einem geringeren<br />
Luftaustausch, einer höheren Luftfeuchte und dadurch<br />
mit einem schlechteren Abtrocknen des Bodens zu rechnen. Das<br />
heißt, der Standort, auf d em das Gebäude steht, bleibt länger<br />
feucht. Es kann also angenommen werden, daß in nicht wen igen<br />
Fällen die Notwendigkeit, Sanierungen einzelner Gebäude oder<br />
ganzer Stadtteile vorzunehmen, einen engen Zusammenhang<br />
mit bestimmten Standortfaktoren hat.<br />
Hieraus ergibt sich die Notwend igkeit, für jede Stadt und ihr<br />
Umland alle wichtigen Faktoren des Naturhaushaltes zu untersuchen.<br />
Das Gleiche gilt für das Landschaftsbild. Es genügt z.B.<br />
nicht, sich in einer Stadt nur auf die Untersuchung des Stadtklimas<br />
zu beschränken . Auch das Rel ief, das Gestein, der Boden,<br />
der Wasserhaushalt, die Vegetation und die freilebende Tierwelt<br />
müssen untersucht werden, um die Leistungsfähigkeit, die<br />
Belastbarkeit und die bereits bestehende Belastung Standort für<br />
Standort feststellen zu können. Erst dann ist es möglich, d ie<br />
Eignung der im bebauten Stadtgebiet und seinem Umland befindlichen<br />
Standorte für alle vorhandenen und geplanten städtischen<br />
Nutzungsansprüche zu beurteilen. Aus den Ergebnissen<br />
einer solchen Untersuchung müssen Vorschläge aus landschaftsökologischer1<br />
und landschaftsgestalterischer 2 Sicht für die zukünftige<br />
Flächennutzung, für die Ausweisung von Schutzgebieten<br />
und Vorrangflächen sowie für die Stadtentwicklung abgeleitet<br />
werden. Erste Versuche in dieser Richtung sind in der<br />
Landschaftsökologischen Modelluntersuchung Hexbachtal<br />
(B r a h e, E m o n d s, Horb er t, Pf 1 u g und W e deck<br />
1977) und im Landschaftsplanerischen Gutachten Aachen<br />
(Pf 1 u g, B i r k i g t , B r a h e, H o r b er t, V o s s, W e -<br />
deck und Wüst 1976)zusehen.<br />
Unter Landschaftsökologie versteht der Verfasser in Anleh<br />
nung an T ROLL (1939) die Wissenschaft von dem in<br />
einem Landschaftsausschnitt herrschenden Wirkungsgefüge<br />
zwischen Lebensgemeinschaften und ihren Umweltbedingungen,<br />
wobei den Lebensgemeinschaften zwar eine besondere<br />
Rolle zukommt, die anderen Landschaftsfaktoren<br />
jedoch ebenfalls gleichberechtigt berücksichtigt werden.<br />
2 Unter Landschaftsgestaltung werden die durch E ingriffe<br />
d es Menschen in Haushalt und Gestalt von Natur und Landschaft<br />
hervorgerufenen Anderu ngen der Erdoberfläche und<br />
die Behebung oder der Ausgleich störender Eingriffe in Natur<br />
und Landschaft durch natürliche, naturnahe oder bauliche<br />
Gestaltungsmittel verstanden.<br />
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