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Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

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He lmut K 1 au s c h<br />

Verdichtungsgebiete und ihr Umland aus landespflegerischer Sicht<br />

Beispiel des Ruhrgebietes<br />

Im Ruhrgebiet steht die Wiege des Umweltschutzes, sie schaukelt<br />

mal hin, sie schaukelt mal her. Was ist das für ein Geschaukel?<br />

- Soll das heißen, Umweltschutz könne mehr oder weniger betrieben<br />

werden? - Kann Umweltschutz im Ruhrgebiet überhaupt<br />

übertrieben werden? Für die landespflegerische Seite<br />

möchte ich als Antwort einige Umweltprobleme im Ballungsgebiet<br />

an der Ruhr aufzeigen und an Beispielen beschreiben , wie<br />

man versuchte , die Aufgaben anzupacken und zu lösen. Oft<br />

wurde Hervorragendes geleistet vor allem durch Selbstverwaltungskörperschaften<br />

und Vereine, die die Verantwortung übernahmen,<br />

breit verteilten und bis heute fachlich und finanziell<br />

weitgehend u nabhängig trugen.<br />

Kürzlich feierte das Hygieneinstitut des Ruhrgeb ietes in Gelsenk<br />

irchen sein 75jähriges Bestehen. Seine Gründung w ar die Folge<br />

erster Umweltzusammenbrüche, als 1901 in Gelsenk irchen eine<br />

Typhusepedemie wütete. Gleichzeitig nämlich wuchs die Einsicht<br />

zu nachhaltiger Bekämpfung ihrer Ursachen. Das mit Anstößen,<br />

Vorschlägen und praktischen Hilfen von Robert Koch<br />

im Jahre 1902 gegründete Institut hat bis heute Hochleistungen<br />

der Gesundheitsvorsorge erbracht, bei richtiger Einstufung aller<br />

menschlichen Unzulänglichkeiten. Dem Hygieneinstitut ging es<br />

damals vor allem um die Verbesserung der T rinkwasserversorgung,<br />

zugleich auch um allgemeine Hygiene-Vorsorge, d.h . Qualitätsansprüche<br />

mußten begründet und genormt werden . Bis<br />

heute prüft das Institut die Trinkwasserversorgung, untersucht<br />

hunderte von Frei- und Hallenbädern, schlägt sich mit Speiseeisherstellern<br />

und -verkäufern herum, erschreckt die Bediensteten<br />

aseptischer Abteilungen in den Krankenhäusern, lehrt Milchversorgungsbetriebe<br />

das Fürchten, prüft die Sozialräume der Bergwerke<br />

und so fort. Und dieses Institut ist ein privater Verein!<br />

Eine dieser vie len Selbstverwaltungseinrichtungen des Ruhrgebietes.<br />

aus der Not geboren, in die Wiege des Umweltschutzes<br />

gelegt!<br />

Kurz zuvor waren Vertreter der Gemeinden des Ru h rgebietes<br />

und des Bergbaues übereingekommen, d ie sehr dringlich gewordenen<br />

Probleme des Wasserabflusses und der Abwasserreinigung<br />

im Emschergebiet gemeinsam auf genossenschaft licher<br />

Grundlage zu lösen. Die Emscher, ein beschau lich mäanderndes<br />

Flüßchen parallel nördlich zur Ruhr fließend, war mittlerweile<br />

zum Haupt a b wassersammler des gesamten Ruhrgebietes geworden,<br />

hatte durch Bergsenkungen infolge des Steinkohlenbergbaues<br />

schwierigste Abflußaufgaben zu bewerkstelligen und mußte<br />

nun in ein Flußbett gelegt werden, das angrenzende Siedlungen<br />

und 1 ndustrien in Hochwasserzeiten nicht mehr gefährdete.<br />

Aus der 1899 besch lossenen und bald danach ausgeführten Kanalisierung<br />

der Emscher wird heute sogar Gewinn gezogen , denn<br />

die mechanisch und biologisch aus dem Abwasser gefällten<br />

Schlämme werden in einem Kraftwerk zu elektrischer Energ ie.<br />

Ein offener A bwassersammler als einer der Energielieferanten<br />

der Region! Außerdem die Lösung eines Abflußproblems besonderer<br />

Art, denn nur 1/10 der Wassermenge stammt aus dem eigenen<br />

N iederschlagsgebiet und 9/10 aus anderen Niederschlagsgeb<br />

ieten, vor allem aus der Ruhr, denn sie ist Haupt l ieferant von<br />

Trinkwasser für das Ruhrgebiet, das nach Verbrauch als Abwasser<br />

durch die Kanalisation in die Emscher fließt.<br />

Damit ist die Gemeinschaftsauf gabe Wasserbeschaffung angeschnitten<br />

: Wenn für die Gew innung von 1 t Stahl <strong>40</strong> - 50 t<br />

Wasser benötigt werden oder für die Herstellung von 1 t Benzin<br />

immerhin 60 t Wasser, wird verständlich, daß das kostbare Naß<br />

in einem Gebiet schwerindustrieller Ballung immer ein begrenzender<br />

bzw. endlicher Faktor ist, ganz zu schweigen von anderen<br />

Verbrauchern wie z.B. den vielen großen Brauereien , vor allem<br />

aber den Hausha lt en: 800 000 cbm bzw. t Wasser verbrauchen<br />

die 5,6 Mio Einwohner des Ruhrgebietes täglich.<br />

Die Ruhr gab dem Revier nicht nur ihren Namen, sondern sie<br />

versorgt zum großen T ei l das Revier auch mit dem lebenspendenden<br />

Naß. 11 5 Kläranlagen machen ihr Wasser forellenklar;<br />

über Ufer- und Schotterbettfiltrate liefert sie T rinkwasser. Auch<br />

diese Aufgabe wird als Gemeinschaftsaufgabe gelöst; Ruhrverband<br />

und Ru hrtalsperrenverein wurden 1913 als Genossenschaften<br />

gegründet, sie leben von der Einsicht ihrer Genossen in die<br />

Gesamtzusammenhänge eines vielgefächerten Lebens- und Wirtschaftsraumes.<br />

Der Vollständigkeit halber seien noch genannt<br />

der Lippeverband, dessen Vorgänger im Jahre 1913 gegründet<br />

worden waren, ebenso auch die linksrheinischen Wasserverbände,<br />

d ie den Westen des Ruhrgebietes bis an die holländische Grenze<br />

ver- und entsorgen.<br />

Ein T eil der Wassergewi nnung selbst w ird allerdings privatwirtschaftiich<br />

betrieben. verschiedene Gesellschaften halten heute<br />

diese Schlüsselstellung: ohne Wasser geht nichts! - Gelsenwasser<br />

möge als wei taus größter Wasserversorger der Bu ndesrepublik<br />

genannt werden! Diese Aktiengesellschaf t ist in ihren Ursprüngen<br />

ebenfal ls um die Jahrhundertwende entstanden als die „großen<br />

alten Männer" des Ruhrgebietes entschieden, wie und wo<br />

Wassermengen- und Wassergütewirtschaft, d.h. also Wassersamm ­<br />

lung, -Führung, Gewinnung, Verteilung, Ableitung und Klärung<br />

geschehen sollten.<br />

Wi ll man natürliche Elemente im Verdichtungsgebiet nennen,<br />

muß zuallererst die Wasserfrage angesprochen werden! Und es<br />

muß auch der Verbrauch von Landschaft für die Haltung, Gewinnung<br />

und Klärung des Wassers genannt u nd in Kauf genommen<br />

werden. Ta !sperren. ausgebaute F 1 ießgewässer, Ve rsicke ru ngsbec<br />

kem, Kläranlagen sind allemal landschaftfremd; das Klärwerk<br />

Emschermündung mit technischen Anlagen auf 75 ha kann hinter<br />

Büschen und Bäumen nicht versteckt werden. Nicht mehr<br />

als eine freundliche Überleitung in die teils besiedelte, teils freie<br />

Landschaf t sind sie, notwendig u nd richtig, aber in ihrer Wirku<br />

ng bescheiden.<br />

Manchmal gelingt es hingegen, d iese An lagen zu landschaftsgemäßen<br />

oder landschaftsgerechten Anlagen zu machen! Z.B. die<br />

Perlenkett e der Ruhrstauseen, der Hengsteysee in Dortmu nd/Hagen,<br />

der Harkortsee in Herdecke/Wetter, der Kemnader See in<br />

Bochum/Witten, der Baldeneysee und der Kettwiger Stausee in<br />

Essen. Ebenso der Haltener See im Norden des Reviers, hinreißend<br />

schön als gehöre er zu einer natürlichen Seenplatte, w ie sie<br />

aus. der Berliner Gegend be kannt sind. Übrigens sind diese Seen<br />

in hervorragender landschaftlicher Lage fast durchweg auch in<br />

die Gruppe der Erholungsanlagen einzuordnen.<br />

Keiner dieser Seen wäre entstanden, hätt e man für die Eigen ­<br />

t umsregelung nicht gangbare Wege gefunden! Für die vielen im<br />

Staugebiet teils über Jahrhunderte gewachsenen und verb rieften<br />

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