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Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

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plexes Problem handelt, unbeschadet der Frage, inwieweit man<br />

ihr durch planungs- und bauordnungsrechtliche Maßnahmen<br />

begegnen kann.<br />

In (5) wird ein Katalog abgeleitet für Zersiedlungsmerkmale, auf<br />

Grund deren man überprüfen kann, ob und inwieweit in einem<br />

gegebenen Fall Zersiedlung vorliegt. Hierbei wird untersch ieden<br />

nach qual itativen und quantitativen Aspekten der Zersiedlung.<br />

Aus qualitativer Sicht können Siedlungsaktivitäten in<br />

Widerspruch stehen zu Landschaft und Naturschutz, Landwirtschaft,<br />

Forstwesen. Siedlungswasserwirtschaft, Schutzwasser- ·<br />

wirtschaft, Verkehr (Straßen-, Schienen-, Flug-, Fußgängerverkehr,<br />

ruhender Verkehr) , Kulturgütern, Elektrizitätswirtschaft ,<br />

Landesverteidigung, Bergwesen, Fernmeldewesen und Gemeinbedarfsanlagen,<br />

wozu jeweils Einzelmerkmale aufgeführt sind.<br />

Quantitativ können Siedlungsplanungen im Widerspruch stehen<br />

zur Bedachtnahme auf die abschätzbaren Bedürfnisse der Bevölkerung<br />

(Flächen- und Standortbedarf) und auf die Festlegung<br />

der Dichte, der Widmung und der sich aus beiden ergebenden<br />

Folgen.<br />

2. Gründe zur Zersiedlung<br />

In den Ballungsrandzonen, insbesondere im Bereich der mehrpoligen<br />

Verdichtungsgebiete hat d ie Bevölkerung in den letzten<br />

beiden Jahrzehnten stark zugenommen und d ieser Siedlungsdruck<br />

hat sich weit in das Umland hinein ausgebreitet, insbesondere<br />

dorthin, wo sich besondere klimatische und landschaftliche<br />

Qualitäten erhalten haben und der Ausbau der<br />

Verkehrseinrichtungen eine Nutzung solcher Flächen für bau ­<br />

liche Zwecke nahelegte. Die M a s s e n m o t o r i sie r u n g,<br />

die immer stärkere D i ff er e n z i er u n g der Arbeits -<br />

p 1 ä tz e und damit der Arbeitsmöglichkeiten , vermehrt<br />

e F r e i z e i t, nicht zuletzt die im Gefolge der zweiten lndustrialisierungswelle<br />

in breiten Bevölkerungskreisen zu verzeichnende<br />

Anhebung des W o h 1 s t an des bringen es mit<br />

sich, daß individuelle Bedürfnisse, etwa im Bezug auf Wohnen<br />

und Freizeitnutzung, eher Aussicht auf Verwirk lichung finden<br />

(1). Die Siedlungsbewegung partizipiert vor allem von den<br />

Abwanderungen aus den Ballungskernen. Die Gründe zu solcher<br />

„Flucht" sind vielschichtig. Heute liegt es nahe zu sagen, man<br />

wandere wegen der wachsenden Immissionen ab und suche eine<br />

angenehmere Umwelt für die wohnliche Bleibe. Hinzu kommt<br />

der Wunsch nach größeren, individuellen Wünschen mehr entsprechenden<br />

und auch im Wohnumfeldbereich attraktiver gelegenen<br />

Wohnungen, für die es in den Innenstädten und in vielen<br />

A ltbaubereichen kein oder noch kein angemessenes Angebot<br />

gibt. Das Streben nach Eigentum und in Verbindung damit das<br />

Bedürfnis zur Selbstgestaltung spielt eine Rolle. Und nicht zuletzt<br />

ist es der Wunsch nach dem Wohnen „im Grünen", der<br />

eben doch weit verbreitet ist und in Deutschland in den Großstädten<br />

schon sehr früh, nämlich seit Beginn der baulichen Verdichtung<br />

in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sich<br />

bemerkbar machte, eine Tendenz, der freilich lange Zeit nur die<br />

Begüterten folgen konnten. In (6) wird darauf aufmerksam gemacht,<br />

daß erst die späte, aber erheb! iche Verdichtung der Bebauung<br />

zu jenen kompakten Innenstädten geführt habe, die<br />

manchen als Äußerung tradierter Urbanität und Vorbild für<br />

heutige Planung erschiene. „ In Wirklichkeit stand die mitteleu<br />

ropäische Stadt vor den grundstürzenden Veränderungen des<br />

19. Jahrhunderts eher der neuzeitlichen Gartenstadt nahe als<br />

den modernen, „kühn in die Höhe konstruierten" Vierteln,<br />

wie sie vor allem unter dem Einfluß von Sozialpsychologen und<br />

manchen Städtebauern geschaff en worden sind". Insofern entspreche<br />

auch das als „Begriff städtischer Verantwortungslosigkeit"<br />

(Mitscherlich) angeprangerte Vororteinfamilienhaus mit<br />

Garten eher der Tradition mitteleuropäischen Städtebaus als die<br />

Wohnbezirke vom Typ des Märkischen Viertels (6). Die elegische<br />

Lehrfabel von der „Urbanität", welche die b is heute ungebrochen<br />

fortwirkende Tendenz der Gartenstadtbewegung zur horizontalen<br />

Auflockerung der Stadt als kulturgefährdende „ Stadtverneinung"<br />

und „Landschaftszersiedlung" denunziere, vertikaler<br />

Verdichtung und Nutzungsstapelung die Weihe der geistigen<br />

Traditionen des historischen europäischen Städtewesens verleihen<br />

möchte und die Illusion nähre, mit einer Stadterneuerung<br />

dieser Art würden der Bevölkerung neue Identifikationsmöglichkeiten<br />

erweckt, widerspreche der Gesamtverfassung unserer Gesellschaft<br />

(7). Nichts deute darauf hin, „daß diese im Worte<br />

Urbanität mit der notwendigen Lösung bestimmter Probleme der<br />

Stadterneuerung verknüpften weitergehenden Erwartungen ....<br />

begründet wären oder daß gerade die Enttäuschung dieser Illusion<br />

der Gesamtgesellschaft zum unabsehbaren Schaden gereichen<br />

müßte" (7 ).<br />

Inzwischen beginnt man einzusehen, daß städtische Baupolitik<br />

allzu lange Wünsche und auch Bedürfnisse der Bewohner mißachtet<br />

hat; ein Umdenken ist im Gange. Die vielerorts zu beobachtenden<br />

Bemühungen, durch verkehrslenkende Maßnahmen<br />

und Differenzierung der Verkehrsf lächen in den 1 nnenstädten ,<br />

durch Modernisierung und Sanierung der Bausubstanz, durch den<br />

Versuch, noch nachträglich Kompensationen mit Grünflächen<br />

einzubringen oder bestehende Freiflächen aufzuwerten, durch<br />

Bebauungspläne m it geänderten Baudicht en und Bauhöhen sowie<br />

durch gewisse Betriebsverlagerungen der Umweltqualität<br />

förderlich zu sein, ja durch besondere Bau landangebote, ggf.<br />

mit manipulierten Preisen, für Eigentumsmaßnahmen Anreize<br />

zu geben, sind A larmzeichen einer Kommunalpolitik, die Ernst<br />

macht mit dem Bemühen, durch räumliche Verbesserungen<br />

der Abwanderung in das Umland entgegenzuwirken.<br />

Aber auch im Umland selbst ist dort, wo noch neue Baubereiche<br />

ausgewiesen werden sollen, aus den Fehlern der Vergangenheit<br />

zu lernen. ü bermäßige Dichten und Betonbrutalismus<br />

sind dort ebensowenig am Platze wie eine landfressende, gestaltlose<br />

Dispersion der Bebauung.<br />

Unbeschadet der geänderten Wünsche für das D a u e r wo h -<br />

n e n ist das Umland der Verdichtungsgebiete aber auch durch<br />

die Änderung des Freizeitverhaltens der städtischen Bevölkerung<br />

beeinflußt. Gemeint ist das Bestreben, Zweitwohnsitze<br />

und Wochenendhäuser in landschaftlich bevorzugter Lage sich<br />

zu halten oder Attrakt ionen bietende Ferienhäuser und Campingplätze<br />

aufzusuchen. So übt auch dieses t e m p o r ä r e<br />

„F r e i z e i t w o h n e n" einen erheblichen Siedlungsdruck<br />

in die noch freie Umgebung aus, wobei für einen Nahbereich bis<br />

50 km, bei guter Verkehrserschließung und großer Anziehungskraft<br />

der Landschaft auch erheblich größere Entfernungen für<br />

Wochenendausflüge in Betracht kommen. Das läßt erkennen,<br />

daß heute das Grün des Um landes manche Aufgaben übernommen<br />

hat, die innerstädtisches Grün und randstädtisches Grün<br />

in der Zeit vor und zw ischen den beiden Weltkriegen erfüllten.<br />

Der regionalen Grünflächenpolitik und der kommunalen Städtebaupolitik<br />

stellt sich daher die Frage, wie man dieses Umlandgrün<br />

erschließen und ausstatten sollt e und ob man in diesem Bereich<br />

dem Siedlungsdruck auf Freizeitwohnen nachgeben darf.<br />

3. Folgen der Zersiedlung<br />

Die Zersiedlung äußert sich nicht nur in dem oft beklagten gestaltlosen,<br />

die Landschaft überziehenden E infam il ienhausbrei<br />

und in einem wirren Du rcheinander von Wohnbereichen und gewerblichen<br />

Nutzungen oder in der Verbreitung von Wochenendhäusern.<br />

Ferienhäusern, Zelt- und Campingplätzen dort, wo<br />

Landschaft für die Allgemeinheit frei gehalten werden müßte,<br />

auch die Hochhauswelle, die u nter dem Schlagwort „Urbanität<br />

durch Dichte" gestartet war. die „Hannibals". „ Komplexbebauungen"<br />

usw. haben ihre Spuren der Landschaft unauslöschlich<br />

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