27.04.2014 Aufrufe

Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

wird in solchen Rinnen eine zusätzliche Stabilisieru ng der Luft·<br />

schichtung erreicht. Die aus höheren Luftschichten stammenden<br />

Immissionen können somit nicht in diesen Talbereich eindringen.<br />

Allerdings können auch die auf der Talsohle (z.B. auf Verkehrs·<br />

wegen) erzeugten Luftverunreinigungen nicht in höhere Luft·<br />

schichten abgeführt werden. Somit müssen enge Täler und Rin·<br />

nen besonders bei stabilen Wetterlagen grundsätzlich als äußerst<br />

immissionsgefährdet angesehen werden.<br />

Inwieweit die in Richtung des Stadtkernes verlaufenden T äler<br />

eine Belüftu ngsfunktion erfüllen können, wird in A bb. 25 dargestellt.<br />

A uch hier ist die Talsohle in ihrem Höhenprofil unter Angabe<br />

der jeweiligen Nutzung eingezeichnet. Der im Südwesten<br />

gelegene höhere Talbereich ist bewaldet und geht allmählich in<br />

eine Freifläche mit einer sehr lockeren Vegetationsstruktur über.<br />

Die oberen Seitenhänge des Tales sind in diesem Bereich bereits<br />

mehr oder weniger dicht bebaut. In der Nähe des Stadtkernes<br />

beginnt erst die Bebauung der Talsohle. Hinter den ersten Häusern<br />

wird der gesamte Talbereich durch einen hohen Bahndamm<br />

(siehe Abb. 23) abgeschlossen. Die über dem Relief eingezeich·<br />

nete Windgeschwindigkeit verhält sich entsprechend dieser Be·<br />

bauung. Während die offene Rinne eine sehr gute Belüftungsfunktion<br />

erfüllt, können spätestens im Bereich des Bahndammes<br />

die örtlichen Austauschverhältnisse als sehr gering bezeichnet<br />

werden. Eine wirksame Be- oder Entlüftung des Stadtkerns wird<br />

somit nicht erreicht. Die gleichzeitig gemessenen Temperaturen<br />

bestätigen dieses Ergebnis. D ie im Stadtkern erzeugte Überwär·<br />

mung kann durch die Abriegelung des Ta les nicht abgebaut werden.<br />

A us diesem Grunde sollten die in ein Verdichtungsgebiet<br />

führenden Talbereiche, die ohnehin sehr immissionsgefährdet<br />

sind, von jeder Bebauung freigehalten werden. Auch in einem<br />

ebenen Gelände können ähnliche Ventilationsbahnen in Richt<br />

ung der Stadtkerne eine klimatische und lufthygienische Ent·<br />

lastu ng bewirken. Begünstigt wird diese Funktion im allgemeinen<br />

dadurch, daß die durch die Überhitzung der Stadt konvektiv<br />

aufsteigenden Luftmassen durch kühlere und immissionsfreie<br />

Luft ersetzt werden können.<br />

4. Folgerungen für die Stadtplanung<br />

Aus den Untersuchungen in Berlin und Aachen geht hervor, daß<br />

durch geeignete Planungsmaßnahmen die k limatischen und da·<br />

mit auch die lufthygienlschen Probleme in Verdichtungsgebleten<br />

zwar nicht beseitigt, aber doch in mancher Hinsicht verbessert<br />

werden können. Daher ist es nicht nur erforderlich, bestehende<br />

Grünflächen zu erhalten· und nach Möglichkeit zu erweitern,<br />

sondern auch die hierbei unbedingt notwendigen A ustausch·<br />

voraussetzungen zw ischen Freiräumen und bebauten Gebieten zu<br />

erhalten bzw. zu schaffen. Za hlreiche Untersuchungen haben er·<br />

geben, daß konzentrisch in den Stadtkern hineinführende Grünflächen<br />

die Fu nktionen solcher Belüftungsbahnen erfüllen kön·<br />

nen. in reliefbewegtem Gelände sollten vor allen Dingen die Rin·<br />

nenlagen einer solchen Aufgabe zugeführt werden, da sich hier<br />

gerade bei austauscharmen Wetterlagen Kaltluftflüsse ausbil·<br />

den können.<br />

In den Freiräumen muß die Bewuchsstruktur möglichst locker<br />

gestaltet werden, um eine Einschränkung dieser Belüftungsfunkt<br />

ionen zu vermeiden. Auch kann durch eine derartige Maßnahme<br />

der Wirkungsgrad der Vegetation hinsichtlich ihrer Eigenschaft,<br />

Schadstoffe anzulagern und zu binden, wesentlich gesteigert<br />

werden.<br />

Anbauwürdlge Bäume in mitteleuropäischen Großstädten sind ln<br />

Tab. 11 zusammengestellt, ebenso einige Hinweise auf Arten,<br />

die nicht zum Anbau geeignet sind. Eine richtige Artenwahl ist<br />

wichtig, wei l der alte Baumbestand vieler Städte in den nächsten<br />

Jahrzehnten zusammenbrechen wird. Bei Neupflanzungen lassen<br />

sich bereits starke Verschiebungen in der Artenwahl erkennen.<br />

Um das Bild unserer Städte zu erhalten, ist ein integriertes<br />

Konzept von Stadtentwicklungsplanung und Naturschutz notwendig,<br />

zu dem auch Richtlinien für die Gehölzartenwahl gehören.<br />

Weitere Beispiele sollen die Bedeutung ökologischer Kenntnisse<br />

für die Stadtplanung aufzeigen: Freizeltanlagen (z.B . Liegewie·<br />

sen und Kinderspielplätze, aber auch private Gärten) sollten<br />

vom Fahrbahnrand durch 5-10 m breite und d l c h t e Strauchoder<br />

Gehölzstreifen get rennt sein, um Lärm, Staub und Schadstoffe<br />

(Blei, Cadmium, Benzpyren) abzuschirmen. Bei der A r·<br />

tenwahl des Schutzstreifens sind die neuen Erkennt nisse· über<br />

Wirksamkeit als Filter einerseits und Verträglichkeit gegenüber<br />

Schadstoffen andererseits zu berücksichtigen. Dichter Bewuchs<br />

fördert dabei die Filterwirkung und erhöht gleichzeitig die Wasserverdunstung,<br />

so daß innerhalb dieses stark verschmutzten<br />

Streifens wenig Wasser versickern und das Grundwasser kontaminieren<br />

kann.<br />

Hinter dem dichten Streifen ermöglicht 1 o c k er er Bewuchs<br />

FreizeitaktiVitäten und ermöglicht eine hier sinnvolle stärkere<br />

Niedersch lagsversickeru ng und damit Gru ndwassererneuerung.<br />

Die Kenntnis der Bodenverhältnisse erleichtert die Pflanzung<br />

bzw. Ansaat strapazierfähigen Grüns. Nutzgärten (besonders<br />

breitblättriges Gemüse) so llten fahrbahnfern angelegt werden,<br />

um die Gefahr einer Verschmutzu ng mit Rückständen der Fahrzeugabgase<br />

zu vermindern.<br />

Die ursprünglichen Lebensgemeinschaften sind im Zentrum der<br />

Stadt vernichtet und viele Arten sind ausgerottet worden, aber<br />

gleichzeitig sind neue Organismen und neue Lebensgemeinschaften<br />

auf den anthropogenen Standorten aufgetreten. Die Behandlung<br />

städtischer Freiräume bestand bisher vornehmlich in der Be·<br />

seitigung der vorhandenen Pflanzendecke und dem A npflanzen<br />

von fremdländischen Zierpflanzen und Bäumen. Die bewußte<br />

Verwendung der spontanen, an die jeweiligen Standortverhält· ·<br />

nisse angepaßten Vegetation z.B. bei der Begrünung von Straßenrändern<br />

wurde hingegen bisher kaum versucht. Die einheimi·<br />

sehe Vegetation kann dabei ebenso verwendet werden wie fremd·<br />

ländische Gehölze (Tab. 11). Pflanzen und T iere, die an die<br />

städtisch-industriellen Standortsbedingungen angepaßt sind, werden<br />

in diesen Gebieten die vorherrschenden Arten der Zukunft<br />

sein. Die widerstandsfähigen Gewächse in unseren Industriegebieten<br />

und in Großstädten stammen nicht aus Mitteleuropa,<br />

sondern sind dank ihrer Anpassung an hohe Temperaturen bzw.<br />

Trockenheit Arten südlicher Herkunft.<br />

Die Stadtökolog ie strebt nicht danach, die Stadt in ein Naturparadies<br />

zurückzuverwandeln, indem die durch menschlichen<br />

Einfluß vernichteten oder vertriebenen Tiere u nd Pflanzen wieder<br />

eingebürgert werden. Aber die Organismen, die sich mit<br />

den Menschen den veränderten Lebensraum Stadt teilen, signalisieren<br />

eindeutig, wie gut oder schlecht es um die Lebensbedingungen<br />

für alle Pflanzen, Tiere und Menschen bestellt ist.<br />

Die ökologische Bestandsaufnahme von Berlin ist unvollständig;<br />

besond ers für die Innenstadt muß die Analyse fortgesetzt werden.<br />

Die Stadtökologie beschreitet hier Neuland, kann aber<br />

bereits jetzt wertvolle Beiträge bei der Umweltüberwachung,<br />

z.B. hinsichtlich der Umweltverträglichkeit von Industriestandorten<br />

und Verkehrsanlagen, sowie Anregungen für die Stadtpla·<br />

nung und Vorsch läge für die Lösung technischer Probleme wie<br />

z.B. bei der Wiederbegrünung städtischen Öd landes liefern.<br />

676

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!