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Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

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Edmund G a s s n er<br />

Zersiedlung im Umland, Problematik und Abwehrstrategie<br />

1. Zum Begriff der Zersiedlung<br />

Unter „ Zers i e d 1 u n g" versteht man das mehr oder weniger<br />

ungeregelte Ausufern und Zerstreuen von städtischer Wohn·<br />

bebauung und gewerblicher Bebauung, auch Einkaufszentren,<br />

großflächigen Handelsbetrieben sowie von Anlagen des Freizeit·<br />

wohnens (Zweitwohnsitzen, Ferienhäusern, Wochenendhäusern<br />

und Campingplätzen) in den vorstädtischen und agrarischen<br />

Raum hinein. Ansatzpunkte zu Zersiedelungen bieten in indu·<br />

strialisierten und gewerblich durchsetzten Räumen auch Bergwerke,<br />

Hütten, Kraftwerke und Fabrikanlagen oder gewerbliche<br />

Betriebe, sei es, daß sie ihren Standort historischen Gründen<br />

oder örtlichen Voraussetzungen verdanken (z.B. Entwicklung<br />

aus Eisenhämmern, Wassermühlen) oder ein zufälliges Grund·<br />

stücksangebot maßgebend war . Ferner kennt man den Begriff<br />

der „ a g r a r i s c h e n Z e r s i e d 1 u n g". Diese hat ihre<br />

Ursache in der Erbteilung und Zersplitterung ländlichen Grundbesitzes<br />

oder in dem Bestreben aus der Landwirtschaft Ausscheidender,<br />

sich irgendwo auf eigenem Grund und Boden ein<br />

Anwesen zu errichten. Auch die ungeplante Ansetzung von<br />

Landarbeiterwohnungen, Nebenerwerbs· und Kleinsiedlerstellen<br />

bei Einzelhöfen, Weilern oder Vorwerken großer Güter oder<br />

abseits jeglicher bestehenden Bebauung, schließlich isolierte<br />

Siedlerstellen oder auch manche Siedlungsgruppen. die nach<br />

dem zweiten Weltkrieg auf Bodenreformland oder auf sonstwie<br />

verfügbar gewordenem Grund und Boden ohne ortsplanerischen<br />

Bezug für heimatvertriebene Bauern angelegt worden sind, rech·<br />

nen zur agrarischen Zersiedlung. Im allgemeinen steht der Begriff<br />

als Negativ-Formulierung für einen komplexen und aus verschiedenen<br />

Gründen als störend empfundenen Vorgang ( 1 l. (2).<br />

Hingegen wird eine landwirtschaftliche Besiedlung weiter Geb<br />

iete mit betriebswirtschaftlich und damit funkt ional richtig<br />

angeordneten Einzelhqfen, wie wir sie in bestimmten historisch<br />

geprägten Landschaften finden, ebensowenig als „Zersiedlung"<br />

charakterisiert wie die Vereinzelung besonderer industrieller<br />

Einrichtungen auf Standorten, die an die Lagerung von Bodenschätzen,<br />

an besondere Erschließungs- und Energiemöglichkeiten<br />

oder an weitreichende Umweltschutzauflagen gebunden sind (1).<br />

man denke z.B. an Anlagen zur Gewinnung von Steinen und<br />

Erden, an Kraftwerke und an Kernkraftwerke.<br />

Daraus ergibt sich. daß die Feststellung, ob eine Landschaft zersiedelt<br />

ist oder der Gefahr einer Zersiedlung unterliegt, nur im<br />

konkreten Fa ll getroffen werden kann, d.h. auch unter Berücksichtigung<br />

des sozio-ökonomischen und kulturhistorischen Hintergrundes,<br />

der die Landschaft und ihre Siedlungsstruktur charakterisiert<br />

und deren Ortsbilder prägt.<br />

Zur Frage, ob eine Zersiedlung vorliegt oder durch beabsichtigte<br />

Vorhaben zu befürchten ist, ,hat sich in Auslegung der §§ 34<br />

und 35 des Bundesbaugesetzes, das nunmehr in der Fassung vom<br />

18.8.1976 gültig ist, eine umfangreiche höchstr ichterliche<br />

Rechtsprechung entwickelt, aus der sich Beurteilungskriterien<br />

ableiten lassen (3), (4). Denn § 34 (Zulässigkeit von Vorhaben<br />

innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile) und § 35<br />

(Bauen im A ußenbereich) sind grundsätzlich auf eine Verhinderung<br />

der Zersiedlung angelegt. Selbst eine „Splittersiedlung"<br />

wird mißbilligt(§ 35 Abs. 3 BBauG).<br />

Bei § 34 geht es in unserem Zusammenhang um die Frage, w ieweit<br />

der „im Zusammenhang bebaute Ortsteil" reicht und wo die<br />

Grenze zwischen Innen- und Außenbereich zu ziehen ist, ggf .<br />

unter Einbeziehung einer gewissen Abrundung auf Grund einer<br />

Satzung (§ 34 Abs. 2 BBauG ). Ob eine Unterbrechung des Zusammenhanges<br />

vorliegt oder nicht, läßt sich dabei nicht unter<br />

Anwendung von „geographisch-mathematischen Maßstäben" bestimmen.<br />

hängt vielmehr von den jeweiligen Umständen und dem<br />

durch sie vermittelten Eindruck der Zusammengehörigkeit ab,<br />

wobei auch Zäsuren im Landschaftsbild eine Rolle spielen. Eine<br />

verhältnismäßig aufgelockerte Bebauung, zumal wenn sie der<br />

Funktion der Bebauung und darauf abgestimmten Grundstücksgrößen<br />

entspricht, hebt den Zusammenhang nicht auf. Eine<br />

Zersiedlung liegt jedoch vor bei einer zusammenhanglosen oder<br />

aus anderen Gründen unorganischen Streubebauung. Auch eine<br />

„völlig regellose und in d ieser Anordnung geradezu funktionslose<br />

Bebauung" kann diese Annahme rechtfertigen, eine Regellosigkeit,<br />

der keinerlei System zugrunde liegt (3). Zur Beurteilung<br />

bedarf es daher „einer echten Wertung und Bewertung<br />

der gesamten konkret en örtlichen Verhältnisse" (BVerwG<br />

Urt. vom 6.12.1967).<br />

Nach § 35 Abs. 3 BBauG beeinträchtigt ein Vorhaben im Außenbereich<br />

öffentliche Belange, wenn es die Entstehung, Verfestigung<br />

pder Erweiterung einer „Splittersiedlung" befürchten<br />

läßt. Es handelt sich hierbei um eine Ansammlung von Gebäuden,<br />

die weder in Beziehung stehen zu dem im Zusammenhang<br />

bebauten Bereich, noch sich in eine planerisch festgelegte städtebauliche<br />

Ordnung einfügen. Auch ist eine solche Bebauung nicht<br />

Ausdruck einer herkömmlichen Siedlungsstruktur, wie sie vielleicht<br />

durch die landwirtschaftliche Betriebsweise gerechtfertigt<br />

oder durch besondere Umstände standortbedingt ist. Der Außenbereich<br />

ist grundsätzlich von allen nicht unmittelbar seinem Wesen<br />

und seiner Funktion entsprechenden Baulichkeiten freizuhalten.<br />

Das dringliche Bedürfnis nach einer gesunden Siedlungsstruktur<br />

läßt daher im allgemeinen eine nicht der Funktion des<br />

Außenbereichs zugeordnete Bebauung als eine zu mißbilligende<br />

Zersiedlung erscheinen. Zusammenhanglose und unorganische<br />

Streubebauung mit Vorhaben, die dem Außenbereich nicht wesensgemäß<br />

sind, soll verhindert werden. Schon die erste Errichtung<br />

eines Gebäudes im Außenbereich kann die Befürchtung<br />

begründen, daß hier eine Splittersiedlung entsteht. Weitere öffentliche<br />

Belange, die einem Vorhaben im Außenbereich entgeger'istehen<br />

können, sind schädliche Umwelteinwirkungen, die<br />

es hervorrufen kann oder denen es ausgesetzt ist, unwirtschaftliche<br />

Aufwendungen für d ie Erschließung, Gefährdung der Wasserwirtschaft,<br />

Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der<br />

Landschaft und ihrer Erholungsfunktion, Verunstaltung des<br />

Orts- und Landschaftsbildes, Beeinträchtigung der Belange<br />

des Natur- und Landschaftsschutzes, generell vorab Widerspruch<br />

zu konkreten Zielen der Raumordnung und Landesplanu ng oder<br />

zu den Darstellungen des Flächennutzungsplanes der Gemeinde<br />

(§ 35 Abs. 3 ' BBauG), der ja nach § 1 Abs. 4 BBauG den<br />

Zielen der Raumordnung und Landesplanung anzupassen ist (3) ,<br />

(4).<br />

Diese - keineswegs erschöpfenden - H inweise auf Kriterien,<br />

die aus der Rechtsprechung zu gewinnen sind. Jassen erkennen,<br />

daß es sich bei der Beurteilung der Zersiedlung um ein kam-<br />

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