Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege
Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege
Scan (40 MB) - Deutscher Rat für Landespflege
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Erwin Stein<br />
Verdichtungsgebiete und ihr Umrand aus rechtlicher Sicht<br />
Die Art und Weise der rechtlichen Regelung der Verdichtungsgebiete<br />
hängt zum einen von der Begriffsbestimmung dieser<br />
Gebiete ab und zum anderen von den Maßnahmen, durch<br />
die nachteilige Verdichtungsfolgen verhindert oder beseitigt<br />
werden sollen. Für die rechtliche Beurteilung dieser<br />
Problematik erscheinen drei Begriffe von besonderer Bedeutung.<br />
Einmal der Begriff des Verdichtungsgebietes,<br />
dann der Begriff des Ordnungsraumes und schließlich der<br />
Begriff des Verflechtungsgebietes.<br />
Einheitliche Kriterien zur Bestimmung der Verdichtungsgebiete<br />
hat die Ministerkonferenz für Raumordnung vom<br />
26. November 1968 beschlossen. Abgesehen von den hier<br />
auf der Grundlage der Einwohner-Arbeitsplatzdichte entw<br />
ickelten Formel. die mir fragwürdig erscheint, weil Einwohnerziffern<br />
nicht ein genügendes Indiz für die Bestimmung<br />
der Gebietsgröße darstellen, lassen sich d ie Verdichtungsgebiete<br />
als großflächige Räume und mit überaus vielen<br />
Wohn- und Arbeitsstätten, Industrieballungen im Kerngebiet<br />
und hohem, aber abnehmenden Industriebesatz in<br />
den Randzonen bezeichnen, die im allgemeinen die Grenze einer<br />
einzelnen Gemeinde überschreiten. Als Maßstäbe des Verdichtungs-<br />
und 1 ndu strieal isieru ngsgrades gelten die Standortstru k<br />
tur nebst der Bevölkerungsdichte, die Wirtschaftskraft (Sozialprodukt<br />
und Realsteuerausgleich). die Arbeitsplatz- und Dienstleistungszentralität<br />
und die Dynamik der Erwerbsstruktur, insbesondere<br />
die Wachstumsaussicht. In der Bundesrepublik<br />
Deutschland bestehen 24 Verdichtungsräume, in denen durchschnittlich<br />
50 % der Bevölkerung auf 7 % der nicht vermehrbaren<br />
Bodenfläche leben.<br />
Von diesen Verdichtungsgebieten zu unterscheiden sind d'ie Ordnungsräume.<br />
Durch die Einbeziehung der Randräume in die<br />
Verdichtungsgebiete werden diese zu Ordnungsräumen, d.h. zu<br />
Planungsräumen besonderer Art, gewissermaßen zu einem Stadtland-Verbund,<br />
in dem sich städtische und ländliche Elemente<br />
günstig verbinden können, so daß den Bewohnern die Vorteile<br />
städtischer und ländlicher Räume geboten werden können. Die<br />
Ordnungsräume sind Räume. für die eine besondere planerische<br />
Gesamtkonzeption dadurch entwickelt werden soll, daß bestimmte<br />
zu einem Landkreis gehörige Gemeinden den Verdichtu<br />
ngsgebieten als Entlastungsorte zugeordnet werden sollen,<br />
weil sie günstige Voraussetzungen für die Verbesserung der Entwicklung<br />
von Verdichtungsgebieten bilden.<br />
Demgegenüber sind Verflechtungsgebiete Bereiche, in denen Gemeinden<br />
verschiedener Größe und Bedeutung in wechselseitiger<br />
Abhängigkeit stehen und in denen sich Gemeinden mit zentralörtlicher<br />
Bedeutung herausgebildet haben. Der Verflechtungsbereich<br />
einer Gemeinde deckt sich nicht mit dem Gemeindegebiet,<br />
für das die Gemeinde die Planungshoheit hat. Entsprechend<br />
der Zentralfunktion lassen sich hier unterscheiden, Nahbereiche<br />
als Bereiche um jeden zentralen Ort zur Deckung der Grundversorgung;<br />
Mittelbereiche um jedes Mittel- und Oberzentrum zur<br />
Deckung des Bedarfs und schließlich Oberbereiche als Bereiche<br />
um ein gleiches Oberzentrum zur Befriedigung des spezialisierten<br />
hohen Bedarfs.<br />
Es liegt auf der Hand, daß die starke Konzentration von Bevölkerung<br />
und Arbeit sp lätzen in den Verdichtungsräumen<br />
und deren ständige Ausweitung sowie der starke Flächenbedarf<br />
in den Randzonen seinen ökologischen Preis fordert:<br />
nämlich Landschaftsschädigungen, Lärm, Luft- und Wasserverschmutzung,<br />
ökonomisch ungleich miteinander konkurrierende<br />
Flächennutzungsformen. Kompakte, also verdichtete<br />
Bebauung wird immer dann problematischer, wenn sie in größerer<br />
Dimension durchgeführt wird. Es fehlt dann ebenso an<br />
Bewegungsraum wie an der Nähe zur Natur. Andererseits wird<br />
Wohnen im Grünen mit erhöhtem Verwaltungsaufwand bezahlt.<br />
Gewisse Anzeichen der nachteiligen Auswirkungen der Verdichtung<br />
hat die bereits von mir zitierte Entschließung der<br />
Ministerkonferenz für Raumordnung vom 21. November 1968<br />
erkannt, festgestel lt und gefordert, die rechtlichen Konsequenzen<br />
daraus zu ziehen. In erster Linie geht es dabei um eine im<br />
Verhältnis zu den Verkehrsflächen und den für einen ökologischen<br />
Ausgleich notwendigen Freiflächen zu weit gehende bauliche<br />
Nutzung und um Gesundheitsgefährdung. Eine zusätzliche<br />
Gefahr liegt in der raschen Verbauung von städtischen Rand-·<br />
zonen, weil dadurch die natürlichen Ausgleichskräfte hinter der<br />
belastenden Entwicklung in den wachsenden Verdichtungsgebieten<br />
zurückbleiben. Es handelt sich hier um das Problem der<br />
städtebaulichen Verdichtung oder um die Verstädterung. In diesem<br />
Zusammenhang betrachte ich die Verstädterung nicht als<br />
gesel lschaftliches Problem, d.h. als das psychisch-physische Verhalten<br />
des Einzelnen und der Gruppen, sondern als Problem der<br />
räumlichen Verstädterung, d.h. der Frage nach einer angemessenen<br />
Verdichtung baulicher Bereiche oder nach einer gegliederten<br />
und aufgelockerten Stadt.<br />
Die Problemstellung in den Verdichtungsräumen liegt m.E. darin,<br />
wie für den Bereich der Stadtlandschaften mit den Wechselwirkungen<br />
zwischen biologisch nachteiligen Verdichtungsbereichen<br />
und den biologisch wertvollen Freiräumen die starke Konkurrenz<br />
um die Flächen und die Gefahr einer weiteren Einengung der<br />
Freiräume infolge großen Raumbedarfs in sinnvoller Weise ausgeglichen<br />
werden kann, um räumliche Strukturen mit gesunden<br />
Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie ausgewogenen wirtschaftlichen,<br />
sozialen und kulturellen Verhältnissen zu schaffen, zu<br />
verbessern und zu erhalten. Denn gerade die Freiräume in den<br />
Verdichtungsgebieten erfüllen als nicht verbaute Landschaft<br />
vielfältige ökologische Funktionen, die für den Wohnwert der<br />
Siedlung hohen Rang haben. Bei der planerischen Abgrenzung<br />
bestimmen die geforderten Funktionen maßgeblich den Typ<br />
und die Größe der Freiräume. Dieses Ziel hat sich auch d ie Ministerkonferenz<br />
für Raumordnung vom 15. Juli 1972 zu eigen<br />
gemacht.<br />
Die Aufgabe der Gesetzgebung und Verwaltung muß dabei sein,<br />
die rechtlichen Voraussetzungen zu normieren, für gesunde Lebensräume<br />
in Verdichtungsgebieten, für ein ausgewogenes Verhältnis<br />
zwischen Bevölkerungszahl und baulicher Dichte und<br />
ausreichend großen Freiräumen zu sorgen und diese zu sichern.<br />
D ies bedeutet im einzelnen<br />
Räume für Verbesserung des Klimas zu schaffen;<br />
ausreichende Bodenflächen als Pflanzenstandorte sowie als<br />
Regu latoren für den Gebietswasserhaushalt zu bewahren<br />
und erhaltenswerte Biotope zu schützen;<br />
genügend große Wassereinzugsbereiche vor Versiegelung<br />
durch überbauen und vor Verschmutzung zu schützen;<br />
620