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Allgemeine Mikrobiologie

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294 10AbbauorganischerVerbindungen<br />

Plus10.6 Humusbildung<br />

Lignin ist das pflanzliche Massenprodukt,<br />

welches biologisch am langsamsten abgebautwird.BeimAbbauvonPflanzenmaterial<br />

bleibeneingroßerTeildesLigninsunddessen<br />

unvollständige aromatische Abbauprodukte<br />

übrig. Sie bilden die Humusstoffe,<br />

diefürdieBodenfruchtbarkeitentscheidend<br />

sind. Unter Luftausschluss, z.B. in Mooren,<br />

bleibt Lignin liegen und bildet Torf, aus<br />

dem in geologischen Zeiträumen unter<br />

Druck und höherer Temperatur zuerst Lignit,<br />

dann Braunkohle und zuletzt Steinkohleentstehen.DieHumusbildungausLignin<br />

ist ein komplexer Vorgang. Es sind<br />

auch andere schwer abbaubare Stoffe wie<br />

Wachse, Kohlenwasserstoffe, Kohlenhydrate<br />

und abbauresistente Proteine daran beteiligt.<br />

Während das C:N-Verhältnis im Pflanzenmaterial<br />

etwa 40:1 ist, ist es im Humus<br />

10:1. Freilich liegt der Stickstoff hier nicht<br />

in löslichen Verbindungen,sondern in Form<br />

von einpolymerisierten N-haltigen Verbindungen<br />

vor, aus denen er durch Bodenmikroorganismen<br />

erst langsam wieder in verwertbarer<br />

Form freigesetzt wird. Beim Ligninabbau<br />

zu kleineren Bruchstücken und<br />

vorallembeiderSpaltungvonaromatischen<br />

RingenmitSauerstoff(Kap.10.6.)entstehen<br />

viele Carbonsäuregruppen (Huminsäuren).<br />

Diese wirken als Kationenaustauscher und<br />

bilden zusammen mit basischen Bodenbestandteilen<br />

und Tonkolloiden ein günstiges<br />

Ionengleichgewicht. Sie binden vor<br />

allemAlkali-undErdalkali-Ionenundpuffern<br />

denpH-Wert.WodiesebasischenMineralien<br />

fehlen, z.B. in Heide, Nadelwald und Torf,<br />

reagiertRohhumusdeshalbsauer.<br />

JedickerdieHumusschicht,destogrößerist<br />

das Wasserrückhaltevermögen des Bodens.Inden<br />

warmfeuchtenTropengebieten<br />

erfolgtdieHumuszersetzungdurchBodenmikroorganismen<br />

und -tiere so rasch, dass<br />

sich keine nennenswerte Bodenschicht ausbilden<br />

kann. Die Entwaldung führt zu einer<br />

raschen Bodenverarmungundzur Austrocknung.<br />

In manchen Steppengebieten verhindern<br />

dagegen kalte Winter und trockene<br />

Sommer die Humusmineralisierung; es bilden<br />

sich humusreiche, fruchtbare Schwarzerdeböden.<br />

WeißfäulepilzebauenbevorzugtHemicellulosenundLigninabundlassen<br />

dieweißenCellulosefasernzurück.Braunfäulepilzengelingtes,Hemicellulosen<br />

und auch Cellulose weitgehendabzubauen. Sielassen dierotbraune<br />

Ligninmasse zurück (Plus 10.3, S. 288). Der Ligninabbau ist<br />

hauptsächlich verantwortlich für die Bildung von Humusstoffen und<br />

damitfürdieBodenfruchtbarkeit(Plus10.6).<br />

WegenderKomplexitätderwasserunlöslichenLigninstrukturstudiert<br />

mandenLigninabbaumitniedermolekularenwasserlöslichenModellverbindungen.ModellorganismendafürsindWeißfäulepilzewiePhanerochaetechrysosporium.DerLigninabbauerfolgtdurchextrazelluläreEnzyme,dieandenHyphenspitzeninMembranvesikelndurchExocytosefreigesetztwerden(Abb.10.8).DieEnzymehabengemeinsam,dasssiedem<br />

SubstratabhängigvonH 2 O 2 einElektronentziehen.InAbb.10.8istder<br />

AbbaueinerlöslichenModellverbindunggezeigt.DieentstehendenRadikalkationenzerfallenspontaninBruckstückeodersieknüpfenmitanderen<br />

Bruchstücken erneut Bindungen. Der Ligninabbau erfordert neben<br />

diesenExoenzymenalsoauchSauerstoff,Hilfsenzyme,eineorganische<br />

ElektronenquellefürdieBildungvonH 2 O 2 ,sowieMetalleundKomplexbildner.<br />

Die organischen Cofaktoren entstehen sinnvoller Weise als<br />

NebenproduktebeimAbbaudesLignins.BeimAbbauwirdLignininmehrere<br />

Bruchstücke gespalten. Die Seitenkette des C 6 -C 3 -Körpers ergibt<br />

Glykolaldehyd,derRestderC 6 -C 3 -VerbindunglieferteinBenzaldehydderivat<br />

und derphenolischeRestwirdaus derEtherbindungfreigesetzt.<br />

Beide Aldehyde werden mit O 2 durch Oxidasen (z.B. Glyoxaloxidase)<br />

unterBildungvonH 2 O 2 zuSäurenoxidiert.H 2 O 2 entstehtauchdurchGlucoseoxidase,welchedieausCellulosefreigesetzteGlucosenutzt.Ausdem<br />

C 2 -Bruchstück entsteht letztlich Oxalsäure, ein guter Komplexbildner.<br />

Dieserwirdbenötigt,umMn-Kationenzubinden.H 2 O 2 istdasCosubstrat<br />

derPeroxidasen;esdientu.a.dazu,Mn 2+ zuMn 3+ zuoxidieren.<br />

DieligninspaltendenEnzymesindvorallemHäm-Enzyme,LigninperoxidaseundMn-abhängigePeroxidase.SieverwendenH<br />

2 O 2 (Wasserstoff-<br />

peroxid)alsOxidationsmittel.IhreWirkungkannimLabordurchFenton-<br />

Reagensnachgeahmtwerden(Box10.1).DanebenspielendieCu-enthaltendenLaccasenals<br />

unspezifischePolyphenol-OxidaseneineRolle.Die<br />

Mn-abhängigePeroxidasegreiftvorallemdiehäufigen b-O-4-EtherbindungenderPhenolean.Mn<br />

3+ isteinunspezifischesstarkesOxidationsmittel(Mn<br />

2+ /Mn 3+ ;inaquatisierterFormE o ’+1,5V),dasinkomplexierter<br />

FormvonderPeroxidasewegdiffundiertundentferntvonderlebenden<br />

HyphebeimLigninabbauwirksamwird.EsentziehtdemLignineinElektronunderzeugtsodasreaktiveRadikalkation.DabeientstehtMn<br />

2+ ,das<br />

durchdiePeroxidasemitHilfevonH 2 O 2 wiederzuMn 3+ oxidiertwird.<br />

Möglicherweise spielen noch andere niedermolekulare Mediatoren ein<br />

Rolle,diereaktiveRadikaleerzeugen.DadasMn 3+ -Reagensunspezifisch<br />

ist,reagiertesauchmitFremdstoffen.LigninabbauendePilzesinddeshalbmaßgeblichanderaerobenBeseitigungvonXenobiotikaimBoden<br />

beteiligt(Kap.10.7).<br />

Box10.1 Fenton-Reagens<br />

Das Fenton-Reagens (Fe 2+ +H 2 O 2 ) ist ein anorganisches Modell für die<br />

Peroxidasen.GibtmanH 2 O 2 mitFe 2+ zusammen,entstehteinHydroxylradikal<br />

(Fe 2+ +H 2 O 2 p Fe 3+ +OH – +OH x ). Das Hydroxylradikal ist das<br />

stärkste Oxidationsmittel in biologischen Systemen (OH x<br />

+H + +e – p<br />

H 2 O;E o ’=+2,18V).EsoxidiertwahllosallemöglichenVerbindungen.<br />

Aus Fuchs, G. : <strong>Allgemeine</strong> <strong>Mikrobiologie</strong> (ISBN 978-313-444608-1) © Georg Thieme Verlag KG 2007<br />

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