Didaktische Konzepte und Veranschaulichungsmittel zum - BSCW
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Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich Doris Vogel-Müller<br />
Masterarbeit<br />
1.6 Begründung der Themenwahl aus heilpädagogischer Sicht<br />
Unsere Welt ist vorwiegend eine visuelle, die selbstverständlich auch den Unterricht prägt. Da blinde<br />
Lernende gr<strong>und</strong>legende Erfahrungen mit der Umwelt nur teilweise machen können, ist für sie der Zu-<br />
gang zu mathematischen Inhalten <strong>und</strong> Kompetenzen meist erschwert. Die Aufgabe der Schule ist es,<br />
den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern diese Erfahrungen zu ermöglichen. Die Didaktik für Sehbehinderte <strong>und</strong><br />
Blinde muss sich anders als die allgemeine Didaktik orientieren <strong>und</strong> andere Methoden anwenden. Sie<br />
kann sich nicht an die gebräuchlichen <strong>Veranschaulichungsmittel</strong> halten. Auf den Mathematikunterricht<br />
bezogen zitieren Csocsán, Hogefeld <strong>und</strong> Terbrack die Aussage von Wittmann, welcher feststellt, dass<br />
der Mathematikunterricht der Gr<strong>und</strong>schule von einer wachsenden Flut von Anschauungs- <strong>und</strong> Arbeits-<br />
mitteln überschwemmt wird <strong>und</strong> dies zu Unsicherheiten <strong>und</strong> Verwirrung führt (vgl. Wittmann; zitiert nach<br />
Csocsán et al., 2001, S. 298). Allerdings ergänzen sie dazu, dass es aber in den Schulen kaum sehbe-<br />
hindertenspezifische Arbeitsmittel für den mathematischen Unterricht gibt (vgl. ebd.). In den vergange-<br />
nen zwanzig Jahren kam eine Vielzahl adaptierter <strong>Veranschaulichungsmittel</strong> hinzu. Trotz dieser Vielfalt<br />
sind m.E. längst nicht alle <strong>Veranschaulichungsmittel</strong> für blinde Lernende geeignet (siehe Kapitel 1.2).<br />
Einzelne Mittel genügen den blindenspezifischen Anforderungen nur mangelhaft oder gar nicht. Die<br />
meisten <strong>Veranschaulichungsmittel</strong> müssen Lernende, Lehrer <strong>und</strong> Eltern selbst herstellen. Es zeigt sich<br />
auch in diesem Bereich einmal mehr, dass vor allem kreative in der Praxis stehende Lehrpersonen die<br />
sinnvollsten Arbeitsmittel erfinden.<br />
1.7 Ausgangslage<br />
Ein kurzer historischer Überblick der Blindenbeschulung <strong>und</strong> die allgemeine Einbettung des Themas<br />
sind Ausgangslage <strong>und</strong> dienen als Vorverständnis für die vorliegende Arbeit.<br />
1.7.1 Entstehungsgeschichte der Blindenpädagogik<br />
Im Allgemeinen galten Blinde bis <strong>zum</strong> ausgehenden 18. Jahrh<strong>und</strong>ert als bildungsunfähig. Da es zuerst<br />
um die Beweisführung ihrer Bildsamkeit ging, musste die schulische Bildung mühsam erkämpft werden.<br />
Die Blindenbildung entstand mit ersten Einzelbeschulungen, also Versuchen, Blinde zu unterrichten. Die<br />
erste Blindenanstalt wurde 1784 von Valentin Haüy in Paris gegründet. Innerhalb der darauf folgenden<br />
20 Jahre entstanden in vielen europäischen Ländern Blindenanstalten. Hudelmayer schreibt:<br />
Die Gründung dieser Einrichtungen, die übrigens meist nicht von Pädagogen, sondern von sozial engagierten<br />
Menschen aller möglichen Berufssparten vorangetrieben wurden, müssen als Ausfluss einer Nothilfe-<br />
Pädagogik, heute würde man sagen der Sozial-Pädagogik oder der Sozial-Arbeit, gesehen werden. Es ging<br />
darum, sozialen Notstand zu beheben <strong>und</strong> menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Bildung war ein Instrument<br />
dazu. (Hudelmayer, 1993, S. 205)<br />
Im deutschsprachigen Raum gibt es eine über 200 Jahre dokumentierte Blindenbildung.<br />
1804 gründete Johann Wilhelm Klein das erste Blindeninstitut in Wien. 1806 entstand die Blindenschule<br />
in Berlin. 1809 wurde die Blindenanstalt in Zürich eröffnet. Die weitere Entwicklung des Blindenbil-<br />
dungswesens im 19. Jahrh<strong>und</strong>erts verlief nicht linear. Ökonomische, kulturelle, wissenschaftliche <strong>und</strong><br />
politische Einflüsse wirkten sich auf die Entwicklung aus. Verallgemeinernd gesagt orientierte sich die<br />
Anstaltserziehung des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts vorwiegend am Gedanken der Nützlichkeit für die Gesellschaft,<br />
was mit einer Berufsausbildung <strong>und</strong> lebenslänglichen Versorgung erhofft wurde.<br />
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