Didaktische Konzepte und Veranschaulichungsmittel zum - BSCW
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Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich Doris Vogel-Müller<br />
Masterarbeit<br />
Arbeit in den Blindenanstalten in Köln, Düren <strong>und</strong> Neuwied. Mich beeindrucken <strong>und</strong> überraschen die<br />
wirklich durchdachten Methoden, die zeigen, wie „modern“ damals die Blindenpädagogen waren.<br />
<strong>Veranschaulichungsmittel</strong> wurden vorwiegend entweder von kreativen <strong>und</strong> begabten Blindenpädagogen<br />
erf<strong>und</strong>en bzw. modifiziert oder von blinden Mathematikern sowie auch von Selbstbetroffenen. Noch<br />
heute sind es Leute aus diesen Bereichen welche sich mit Neuerungen oder Verbesserungen befassen.<br />
Die Notation stellte h<strong>und</strong>ert Jahre lang ein Hauptproblem für Blinde dar, sowohl im Allgemeinen wie in<br />
der Mathematik im Besonderen. Auch dies ist sicherlich mit ein Gr<strong>und</strong>, wieso das Kopfrechnen die fast<br />
ausschliessliche Methode im Mathematikunterricht war. Verschiedenste Rechenkästen <strong>und</strong> -tafeln wur-<br />
den ersonnen <strong>und</strong> dienten für diesen Aspekt. Eigentlich löste sich dieses Problem erst nach <strong>und</strong> nach<br />
im späteren 20. Jahrh<strong>und</strong>ert. Und befriedigend ist es bis zur Gegenwart nicht wirklich gelöst, denn die<br />
Mathematikschriften auf dem PC sind überaus komplex.<br />
Die taktile <strong>und</strong> haptische Wahrnehmung, als praktisch gleichwertiger Ersatz für die visuelle, wurde wäh-<br />
rend beinahe 200 Jahren überbewertet. Zwar wurde Tasterziehung speziell betrieben, aber die eigentli-<br />
chen Zusammenhänge vom Tastvorgang waren wohl wenig bekannt. Denn die haptische Wahrneh-<br />
mung stellt „...aufgr<strong>und</strong> der Sukzessivität <strong>und</strong> des oft nicht vorhandenen Überblicks erhöhte Anforderun-<br />
gen an Planung <strong>und</strong> Strategien der Reizaufnahme“ (Heller; zitiert nach Leuders, 2009). Erst neuere<br />
Forschungen von Csocsán <strong>und</strong> ihrem Team zeigen, dass die akustische Komponente weit mehr ge-<br />
wichtet werden sollte. Interessant dünken mich in diesem Zusammenhang die Theorie des akustischen<br />
Zahlenstrahls <strong>und</strong> die daraus hervorgegangene Modifizierung des Zahlenbuches von Leuders.<br />
Erstaunt bin ich über die vorausschauenden Theorien von Klein. Obwohl er noch nicht über wissen-<br />
schaftliche Gr<strong>und</strong>lagen verfügte, haben seine <strong>Konzepte</strong> bis heute teilweise Gültigkeit. „Es war vor allem<br />
Klein, welcher einen ungeheuren Einfluss auf das methodische Denken bei der Unterrichtung Blinder<br />
ausübte“ (Hahn, 2006, S. 94). Wie mehrfach erwähnt versuchte er auch bei den Veranschaulichungsmit-<br />
teln lebensnah nach Lösungen. So kann ich Hahns nachfolgende Aussage bestärken. Hahn formuliert:<br />
„Kleins didaktische Intentionen bei der Verwendung seiner Hilfsmittel ... sind durchaus modern zu nen-<br />
nen, weil beispielsweise Alltagsgegenstände (Nüsse, Bohnen), Zählkugeln <strong>und</strong> die Russische Rechen-<br />
maschine bei der Bildung von Zahlvorstellungen über das Zählen notwendige Handlungs- <strong>und</strong> Veran-<br />
schaulichungsmittel sind“ (Hahn, 2006, S. 97). Denn das entspricht dem Mathematisieren von Alltagser-<br />
fahrungen. So werden im mathematischen Anfangsunterricht auch heute noch häufig Nüsse, Kastanien,<br />
Perlenketten, Münzen usw. wegen ihrer Nähe <strong>zum</strong> Alltag der Kinder zur Veranschaulichung der Zahlen<br />
<strong>und</strong> elementarer Operationen eingesetzt.<br />
In der Blindendidaktik kommt dem Prinzip der Veranschaulichung eine speziell grosse Gewichtung zu.<br />
Lerninhalte müssen über das Begreifen von Dingen näher gebracht werden. Dieses „Begreifen" im Sin-<br />
ne von Ertasten führt dann <strong>zum</strong> Begreifen, also zu Vorstellungen. Diese Ergebnisse decken sich mit<br />
meiner beschriebenen Theorie. Die Veranschaulichung wird zusätzlich über das Verbalisieren von Vor-<br />
gängen ermöglicht. Dieser Aspekt kam im Verlauf meiner Untersuchungen neu dazu. Im Theorieteil<br />
erwähnte ich ihn nicht. Als Gr<strong>und</strong> dafür nehme ich an, dass es für mich als Tochter eines blinden Vaters<br />
einfach selbstverständlich ist, blinden Menschen Gegenstände <strong>und</strong> Vorgänge verbal zu beschreiben.<br />
Ebenso vermute ich aus ähnlichem Gr<strong>und</strong> das nicht explizite Erwähnen beim Grossteil der Autoren.<br />
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