Didaktische Konzepte und Veranschaulichungsmittel zum - BSCW
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Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich Doris Vogel-Müller<br />
Masterarbeit<br />
Verf.]...durch Erziehung <strong>und</strong> Unterricht die Blinden der geistigen <strong>und</strong> körperlichen Untätigkeit zu entreis-<br />
sen, dadurch selbst ihren Zustand zu erleichtern <strong>und</strong> sie für die bürgerliche Gesellschaft, so viel als<br />
möglich, brauchbar zu machen“ (Klein, 1819, S. III). Zeune gewichtete die Bildung zur Erwerbsnützlich-<br />
keit weniger stark <strong>und</strong> vertrat die Meinung, dass die Schule „...mehr zur allgemeinen menschlichen Aus-<br />
bildung als <strong>zum</strong> Erwerb dienen“ soll (Zeune, 1821, S. 44). Da die blinden Kinder meist ohne Kenntnisse<br />
von täglichen Verrichtungen in die Anstalten kamen, mussten deswegen auch diese, neben der Wis-<br />
sensvermittlung, erworben werden. Bald herrschte der Gedanke vor, dass Blinde finanziell nicht zu Las-<br />
ten fallen dürfen <strong>und</strong> deshalb mit allgemeinem Wissen ausgestattet werden müssen. 1913 meinte Zech,<br />
dass jede Anstalt bemüht sein soll, „...dem Blinden eine so gute, gründliche <strong>und</strong> vielseitige Bildung zu<br />
geben, wie sie nach den Anlagen <strong>und</strong> Kräften des Durchschnitts <strong>und</strong> den äusseren Umständen möglich<br />
<strong>und</strong> wie sie für einfache Lebensverhältnisse erforderlich ist“ (Zech; zitiert nach Wanecek, 1969, S.65).<br />
Er erarbeitete Gr<strong>und</strong>sätze zu einem übergeordneten „Lehrziel“, zu Lehraufgaben <strong>und</strong> zu methodischen<br />
Besonderheiten. Diese Gr<strong>und</strong>linien boten die Basis zukünftiger Lehrplanentwicklungen (vgl. Hahn, 2006,<br />
S. 219).<br />
Der handwerkliche Unterricht 21 hatte einen grossen Stellenwert (z.B. Fröbelunterricht). „Neben seinem<br />
praktischen Nutzen schulte der Handarbeitsunterricht Finger <strong>und</strong> Hand, bereitete beide auf diese Weise<br />
auf das Tasten vor“ (Grassmann, 2006, S. 89). Das Erlernen des Handwerks bereitete auf die spätere<br />
Berufstätigkeit vor. Denn die „Brauchbarkeit“ der Blinden umfasste vor allem handwerkliche Tätigkeiten.<br />
Korbflechter war ein typischer Beruf für Blinde. Da jedoch Blinde kaum Anstellungen in der freien Wirt-<br />
schaft fanden, entstanden in vielen Blindenanstalten handwerkliche Betriebe, die sogenannten ge-<br />
schützten Werkstätten.<br />
Es gab immer wieder Vertreter, welche bessere Bildungsmöglichkeiten auch für Blinde forderten. Der<br />
erste Verfechter dieser These war Merle, welcher bereits 1872 verlangte, dass sich der Lehrplan der<br />
Anstalt den Bestimmungen der Volksschulen anschliessen soll <strong>und</strong> kein Fach entbehrt werden darf. Er<br />
forderte die gleichen Lernziele - nicht bloss Lerninhalte wie bisher - wie für Sehende, mit der Begrün-<br />
dung, dass sich durch Bildung dem Blinden eine neue Welt erschliesst, als Ersatz für die Aussenwelt.<br />
Ab ca. 1920 orientierten sich immer mehr Lehrpläne am Bildungsziel der Volksschule, wiesen aber<br />
Schwerpunktverlagerungen auf <strong>und</strong> kamen schlussendlich nur in geringen Mass über Gr<strong>und</strong>wissens-<br />
vermittlung hinaus.<br />
Das blieb bis Mitte des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts praktisch unverändert. Nur einzelne Jugendliche vermoch-<br />
ten eine höhere Schulbildung zu absolvieren 22 . Erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts übernahmen<br />
die meisten Blindenschulen - meist erst mit der Einführung der staatlichen Bildungspläne - die Bildungs-<br />
ziele der Regelschulen. Die Absicht war, Blinde möglichst vollumfänglich in die Gesellschaft der Sehen-<br />
den einzugliedern. Wenn ein Anschluss an weiterführende Schulen gewährleistet werden soll, müssen<br />
auch die Lernziele die gleichen sein. Es entstanden heftige Diskussionen unter Pädagogen <strong>und</strong> Blinden,<br />
welche darin eine Überforderung befürchteten. Sie beobachteten einen schleichenden Verlust von gesi-<br />
chertem blindenpädagogischem Know-how, was letztendlich eine Verschlechterung von Bildungs- <strong>und</strong><br />
Lebenschancen beinhalten würde (vgl. Hahn, 2004, S. 243). Heute sind die Lernziele gleich, jedoch mit<br />
21 Siehe dazu die Ergebnisse zur Unterkategorie 1.24 Selbsttätigkeit: Anschauungs-/Fröbel-/Form-/Zeichenunterricht in Kap. 4.25<br />
22 1916 wurde die Deutsche Blindenanstalt in Marburg gegründet mit einem Gymnasium, welches bis heute die einzige höhere<br />
Bildungseinrichtung geblieben ist (vgl. Hahn, 2006, S. 75).<br />
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