Didaktische Konzepte und Veranschaulichungsmittel zum - BSCW
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Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich Doris Vogel-Müller<br />
Masterarbeit<br />
Untersuchen, dass blinde Kinder häufig ein deutlich besseres Gedächtnis, mehr Hörerfahrung <strong>und</strong> bes-<br />
sere verbale Fertigkeiten als sehende gleichaltrige Lernende haben (vgl., 2002, S. 11).<br />
Die auditive Wahrnehmung von Blinden hat eine grosse Bedeutung zur Kompensation der fehlenden<br />
visuellen Wahrnehmung. Viele frühe Pädagogen begnügten sich damit, den Lehrstoff nur mündlich dar-<br />
zubieten 23 . Seit den zunehmenden technischen Fortschritten von elektronischen Hilfsmitteln <strong>und</strong> Me-<br />
dien, etwa Mitte des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts, wird die auditive Wahrnehmung erneut verstärkt gewichtet.<br />
Waren es früher überwiegend die mündliche Übermittlung des Lehrstoffes, so sind heute neben dieser<br />
vor allem Tonwiedergaben selbstverständlich. „Neben taktiler <strong>und</strong> haptischer Wahrnehmung, sind die<br />
akustische Wahrnehmung <strong>und</strong> die Sprache als Kommunikationsmedium gr<strong>und</strong>legende Schwerpunkte“<br />
(Csocsán, 2002, S. 23).<br />
Im späteren 19. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> vorwiegend vor Aufkommen der neuen Medien wurde die Bedeutung<br />
des Tastsinnes sehr hoch gewichtet. „Das Tasten ist diejenige Funktion des Blinden, welche die reale<br />
Gr<strong>und</strong>lage für seine wichtigsten Erkenntnisse schafft...“, erklärte Simon Heller 1886 (Heller; zitiert nach<br />
Wanecek, 1969, S. 87). Er stellte die Tasterziehung ins Zentrum der Blindenpädagogik. Allgemein<br />
herrschte damals die Ansicht, dass alles Visuelle durch tastbare Darstellungen praktisch gleichwertig<br />
erfassbar sei. Hitschmann ging 1895 so weit, „...dass er aufgr<strong>und</strong> der Priorität des Tastsinns für die Vor-<br />
stellungsbildung bei Blinden der Blindenpädagogik statt des Begriffs ‚Anschaulichkeit‘, welcher durch<br />
sehen vermittele Bildeindrücke zurückzuführen ist, den Terminus ‚Antastlichkeit‘ vorschlägt“<br />
(Hitschmann; zitiert nach Grassmann, 2006, S. 89). Wanecek fasste seine Recherchen folgendermas-<br />
sen zusammen: „Alles durch den Gesichtssinn Wahrnehmbare konnte, dem Blinden dadurch zugänglich<br />
gemacht werden, dass man es tastbar herstellte. Die Gesichtswahrnehmungen waren durch die Tast-<br />
wahrnehmungen bis auf geringe Ausnahmen substituierbar“ (1969, S. 52). Die Konsequenz bei der<br />
Umsetzung war für die Blindenpädagogen die unmittelbare Auseinandersetzung mit Objekten, Tieren<br />
<strong>und</strong> Tätigkeiten (vgl. Lang, 2011a).<br />
Immer wieder äusserten aber Fachpersonen die Ansicht, dass visuelle <strong>und</strong> taktile Wahrnehmungen sehr<br />
unterschiedlich seien. Angefangen bei Niesen (siehe Beginn dieses Kapitels) bis heute. Stellvertretend<br />
sei hier Beyer zitiert: „Es ist unmöglich, einem blinden Menschen die dingliche Umwelt in gleichem Mas-<br />
se taktil nahe zu bringen, wie sie ein sehender Mensch visuell wahrnimmt“ (Beyer, 2008, S. 91). Weiter<br />
erklärt sie:<br />
Vieles was visuell auf einen Blick, also simultan erfassbar <strong>und</strong> auch verstehbar ist, muss sich ein blindes oder<br />
hochgradig sehbehindertes Kind erst erarbeiten. Die Begegnung mit Gegenständen <strong>und</strong> Sachverhalten kann lü-<br />
ckenhaft sein, sie erscheint dem blinden Kind u. U. komplexer <strong>und</strong> ungegliederter als dem sehenden.... (Beyer,<br />
2008, S. 95)<br />
Denn haptische Wahrnehmung erfolgt grösstenteils sukzessiv, d.h. blinde Menschen erk<strong>und</strong>en ihre<br />
Umwelt mehrheitlich nacheinander, während ein sehender Mensch viele Dinge seiner Umwelt gleichzei-<br />
tig, also simultan, wahrnehmen kann (vgl. Ahlberg & Csocsán 1994, S. 19). Eine spezielle Tasterzie-<br />
hung in den Blindenschulen fand vorwiegend im 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ert statt.<br />
Die Verbindung von Tasteten <strong>und</strong> Hören wurde immer wieder geübt. Zech äusserte: „Es ist darum eine<br />
Hauptaufgabe des Blindenunterrichts das ‚Tasthören‘ zu pflegen, die innige Verbindung zwischen Tas-<br />
23 Siehe Ergebnisdarstellung in Kapitel 4.2.5<br />
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