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Wettbewerber- Report Eisenbahn 2010/2011 - Mofair

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4.5 TOP-Thema III: Mittelstandsfeindliche<br />

Normen<br />

Weil die Liberalisierung der Schienenverkehrsmärkte<br />

durch eine Vielzahl unterschiedlicher<br />

technischer Standards (z. B.<br />

Sicherungstechnik, Stromsystem) und<br />

ad ministrativer Eigenheiten der Mitgliedstaaten<br />

(z. B. Zulassungsverfahren, Sicherheits<br />

aufsicht) gehemmt wird, hat die EU-<br />

Kom mis sion sich zum Ziel gesetzt, diese<br />

Schranken durch Harmonisierung abzubauen.<br />

Dieser Ansatz ist im Grundsatz uneingeschränkt<br />

zu befürworten. Erfahrungsberichte<br />

aus der Praxis mit dem Umgang<br />

der Regelwerke lassen jedoch die Vermutung<br />

aufkommen, dass das Zusammenspiel<br />

aus europäischer Vorgabe und nationaler<br />

Umsetzung noch weit davon entfernt ist,<br />

produktive Ergebnisse zu liefern, die den<br />

Sektor <strong>Eisenbahn</strong> stärken. Im Gegenteil soll<br />

anhand der beiden Themen Sicherheitsbescheinigung<br />

und ETCS veranschaulicht<br />

werden, dass fragwürdige Normen und vor<br />

allem deren überzogene Auslegung jene<br />

mittelständischen EVU in ihrer Existenz gefährden,<br />

die einen wesentlichen Beitrag zur<br />

Dynamik im SGV leisten.<br />

Sicherheitsbescheinigung<br />

Die europäische Sicherheitsrichtlinie<br />

2004/49/EG schreibt allen EVU ab dem<br />

1.1.<strong>2011</strong> vor, eine neue Sicherheitsbescheinigung<br />

vorweisen zu können. Zuständig<br />

für das Ausstellen der Testate sind die nationalen<br />

Aufsichtsbehörden. In Deutschland<br />

verlief die Erteilung der Bescheide nach<br />

Angaben zahlreicher Beteiligter überaus<br />

schleppend. Bis zum 1.12.<strong>2010</strong> waren von<br />

348 Anträgen gerade einmal 114 bearbeitet,<br />

darunter 112 mit positivem Ausgang.<br />

Da kurz vor dem Stichtag die Quote der<br />

noch ausstehenden Prüfungen erschreckend<br />

hoch war und bei strenger Auslegung viele<br />

EVU ihren Dienst hätten einstellen müssen,<br />

erteilte das EBA im letzten Moment praktisch<br />

allen Antragstellern die Bescheinigung,<br />

allerdings befristet auf ein Jahr. Damit ist<br />

das Problem zunächst nur vertagt.<br />

Branchenvertreter äußern ihr Unverständnis<br />

über den chaotischen Prozessablauf.<br />

Schließlich kam der Stichtag nicht über<br />

Nacht auf die Beteiligten zu, sondern wurde<br />

mit dreijähriger Vorlaufzeit gewählt.<br />

Dem EBA sei es während dieses Zeitraums<br />

nicht gelungen, den EVU Klarheit über die<br />

gestellten Anforderungen zu verschaffen.<br />

Insbesondere die Kriterien für das »Sicherheitsmanagement«,<br />

das bis dato in den<br />

nationalen Regelungen nicht enthalten<br />

sei, seien zu lange abstrakt geblieben. Die<br />

Schwierigkeiten gründeten darauf, dass die<br />

Neuerung die Verantwortung des Unternehmens<br />

in den Vordergrund rückt, während<br />

national über Jahrzehnte die Praxis<br />

des <strong>Eisenbahn</strong>betriebsleiter-Modells in hohem<br />

Maße auf einzelne Personen als Kompetenzträger<br />

zugeschnitten ist. Ein solcher<br />

Paradigmenwechsel hätte einer engeren<br />

Vorfeldabstimmung zwischen Antragsteller<br />

und Behörde bedurft.<br />

Viele EVU hätten sich eine eindeutige<br />

»Checkliste« oder einen konkreten Anforderungskatalog<br />

gewünscht. Die bereitgestellten<br />

Unterlagen des EBA wie z. B. der<br />

»Leitfaden zur Erteilung von Sicherheitsbescheinigungen«<br />

seien jedoch zu funktional<br />

und praxisfremd gehalten. Auch die<br />

schleppende Auftragsbearbeitung habe zur<br />

Verunsicherung beigetragen, da ohne zeitnahes<br />

Feedback keine rechtzeitigen Nachbesserungen<br />

möglich gewesen seien.<br />

Deutsche EVU-Vertreter weisen darauf<br />

hin, dass der Aufwand für die Erstellung<br />

des Antrags und die Überarbeitung »von<br />

der Wiege bis zur Bahre« intern bis zu<br />

zwei Mannjahre gebunden habe. Besonders<br />

frappierend sei jedoch, dass sich das<br />

EBA »Beratungsleistungen« zu dem Thema<br />

kommerziell vergüten lasse. Es liegt auf der<br />

Hand, hier einen Interessenkonflikt zur Aufgabenstellung<br />

einer Aufsichtsbehörde zu<br />

sehen. Einzelnen EVU seien bereits Aufwendungen<br />

für Honorare und Gebühren von<br />

70.000 Euro entstanden. Dagegen sollen<br />

die Sicherheitsbehörden in anderen EU-<br />

Staaten wie Italien oder Österreich Genehmigungen<br />

für 20 Euro erteilt haben.<br />

Überzogene bürokratische Prozesse sind<br />

für alle Beteiligten ein Ärgernis, von der<br />

großen DB AG bis zum Kleinunternehmen.<br />

In ihrer Wirkung benachteiligen sie<br />

die Wettbewerbsbahnen dennoch überproportional<br />

und erweisen sich als mittelstandsfeindlich,<br />

teilweise sogar existenzgefährdend.<br />

Mit ihrem schlanken Overhead<br />

– der an anderer Stelle den Kunden zugute<br />

kommt – sind sie kaum in der Lage, den<br />

Aufwand zu stemmen. Große Akteure greifen<br />

auf Spezialisten und Fachabteilungen<br />

zurück, deren Existenzberechtigung z.T.<br />

von der Komplexität der Vorgänge lebt.<br />

Schienengüterverkehr 107

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