Wettbewerber- Report Eisenbahn 2010/2011 - Mofair
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NOB schmerzlich erleben, als sie 2005<br />
versuchte, gewisse Nachteile aus der<br />
Einnahmenaufteilung mit der DB AG<br />
durch einen Zuschlag von drei Euro<br />
auf Fernverkehrsfahrkarten auszugleichen.<br />
Nach heftigen Protesten sah sich<br />
die NOB genötigt, den Aufpreis zurückzunehmen,<br />
obwohl die Fahrpreiserhöhung<br />
nur wenige Reisende betroffen<br />
hätte und nach den Vergabebedingungen<br />
zulässig war.<br />
An den Beitritt zur Tarif«gemeinschaft«<br />
knüpft der Marktführer die Bedingung,<br />
dass die Dritten den DB-Tarif ohne Abstriche<br />
übernehmen. Mitbestimmungsrechte<br />
haben sie keine (außer teilweise<br />
bei Sonderangeboten im Fernverkehr),<br />
und zwar ungeachtet der Kooperation<br />
im Tarifverband DB – NE-Bahnen<br />
(TBNE), der sich in dieser Hinsicht als<br />
Feigenblatt erweist.<br />
Die DB AG legt nicht nur fest, welche<br />
Tarife am Markt angeboten werden,<br />
sondern mit welchen Preisanpassungen<br />
sie auf veränderte Kostenstrukturen als<br />
Folge von Tariferhöhungen oder steigende<br />
Energiepreise reagiert. Kostenrisiken<br />
über die Tarifhoheit aussteuern zu<br />
können stellt einen strategischen Hebel<br />
dar, auf den die <strong>Wettbewerber</strong> nicht zugreifen<br />
können. Zwar »schwimmen« sie<br />
im Fahrwasser dieses Effektes »mit«, es<br />
ist aber ein großer Unterschied, ob ein<br />
EVU aktiv die Entwicklung seiner Kosten<br />
bzw. angestrebte Deckungsbeiträge auf<br />
den Nachfrager überwälzen kann oder<br />
ob es auf den Goodwill des überlegenen<br />
Mitbewerbers angewiesen ist.<br />
Des Weiteren hat die DB AG mit dem<br />
Tarifmonopol einen Hebel an der Hand,<br />
durch Sonderangebote die Erlöskalkulation<br />
der <strong>Wettbewerber</strong> zu kannibalisieren.<br />
Vor allem die Einführung der<br />
Länder- und Schönes-Wochenende-Tickets<br />
hat auf bestimmten Strecken die<br />
Tarifergiebigkeiten Dritter unterminiert.<br />
Langlaufende Expressverbindungen<br />
wie München — Hof/Prag oder Hamburg<br />
— Westerland leiden erheblichlich<br />
unter der faktischen Preishoheit der<br />
DB AG.<br />
• Das Wissensmonopol über die Nachfrage-<br />
und Erlösdaten verschafft der DB AG<br />
einen weiteren Bietvorteil von großer<br />
Bedeutung. Zwar ist die DB AG inzwischen<br />
bereit, nicht nur die Nachfragedaten<br />
den Aufgabenträgern und <strong>Wettbewerber</strong>n<br />
zur Verfügung zu stellen,<br />
sondern auch die Erlösgutachten (RES-V-<br />
Erhebung). Doch trotz aller Angaben zur<br />
statistischen Sicherheit der Erhebungsergebnisse<br />
kann letztlich nur die DB AG<br />
verlässlich einschätzen, wie belastbar das<br />
Datenmaterial tatsächlich ist. Insbesondere<br />
die Möglichkeit zur umfangreichen<br />
zeitlichen und räumlichen Verprobung<br />
der Daten steigert deren Validität, wovon<br />
die DB AG exklusiv profitiert.<br />
• Nicht ganz von der Hand zu weisen<br />
sind schließlich – zuweilen eher strategisch<br />
empfundene – Effekte aus der Alleinstellung<br />
im Fernverkehr und damit<br />
der Möglichkeit, durch Aufnahme/Einstellung<br />
von Linien oder Anschlussbildung<br />
erheblich auf das Nachfrageverhalten<br />
im SPNV einzuwirken. An sich<br />
handelt es sich um Risiken, die jedes<br />
EVU zu tragen hat und sich z. B. auch<br />
aus der angekündigten Öffnung des<br />
Fernbusmarktes ergeben können. Allerdings<br />
hat DB Regio den Vorteil, riskante<br />
Prognosen aufgrund des integrierten<br />
Konzernverbundes leichter abfedern zu<br />
können.<br />
Die vorgenannten Marktasymmetrien<br />
erwachsen letztlich aus der mangelnden<br />
Vollendung der Bahnreform und sind hinlänglich<br />
bekannt. Sie verzerren die Marktbedingungen<br />
im SPNV jedoch mit zunehmender<br />
Tendenz, weil immer mehr<br />
nachfragestarke Netze auf den Markt gelangen.<br />
In der Folge sehen sich Aufgabenträger<br />
wie z. B. Bayern oder Rheinland-Pfalz<br />
in der Pflicht, mehr Risiken als zu Beginn<br />
der Regionalisierung zu übernehmen und<br />
Sicherungsinstrumente in die Vergabe<br />
einzubauen, da die reine Nettovertragswelt<br />
mit festen Zuschusssätzen – erst recht<br />
ohne Preisgleitklausel – für die gesamte<br />
Vertragsdauer nicht mehr funktioniert.<br />
Die Sicherungsklauseln sollen sicherstellen,<br />
dass die zum Vergabezeitpunkt genannten<br />
Fahrgastzahlen in der Nähe derer liegen,<br />
die sich zur Betriebsaufnahme einstellen;<br />
auch danach werden Risiken aus rückläufiger<br />
Nachfragemenge teilweise übernommen.<br />
In einigen Fällen begrenzen die Aufgabenträger<br />
das Verlustrisiko nach unten<br />
durch Ergiebigkeitsgarantien. Allerdings<br />
beseitigen diese Unterstützungsmaßnahmen<br />
nicht das Problem der faktischen Tarifvorgabe<br />
durch die DB AG.<br />
Einen anderen Weg beschreiten Modelle<br />
wie in Brandenburg oder Westfalen, die<br />
Schienenpersonennahverkehr 69