Wettbewerber- Report Eisenbahn 2010/2011 - Mofair
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Das finanzielle Interesse des VRR am<br />
Vergleichsvertrag tauge ebenfalls nicht<br />
als Rechtfertigung, weil die vergaberechtlichen<br />
Vorschriften nicht disponibel<br />
seien. Diese dienten dem Schutz<br />
Dritter und der Öffentlichkeit und seien<br />
daher im Regelfall höher zu gewichten.<br />
Die Wettbewerbshüter unterstrichen ihre<br />
Entschlossenheit mit dem Hinweis, Zuwiderhandlungen<br />
wegen »des besonderen<br />
Gewichts der hier in Rede stehenden<br />
öffentlichen Interessen« als schwerwiegende<br />
Ordnungswidrigkeit der Entscheidungsträger<br />
von VRR, Abellio Rail NRW<br />
und DB Regio NRW einzustufen, weshalb<br />
sie in einem solchen Fall umgehend<br />
ein Verfahren einleiten würden. Wörtlich<br />
heißt es zur persönlichen Haftung:<br />
„»Die Beschlussabteilung weist darauf<br />
hin, dass im Ordnungswidrigkeitenrecht<br />
gemäß § 14 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz<br />
der sog. Einheitstäterbegriff<br />
gilt. Dies bedeutet, dass jeder Beteiligte<br />
an einer Ordnungswidrigkeit ordnungswidrig<br />
handelt, gleichgültig, in welcher<br />
Weise er zur Verwirklichung der Ordnungswidrigkeit<br />
beiträgt.«<br />
Augenscheinlich verfehlte der Wink mit<br />
dem Zaunpfahl seine Wirkung nicht –<br />
am 25.1.<strong>2011</strong> verstrich die Frist zur Anmeldung<br />
eines Vergleichs, so dass der<br />
Weg zur BGH-Entscheidung frei war.<br />
• Wie offensiv der Marktführer seine Besitzstände<br />
zu verteidigen sucht, legt ein<br />
Artikel in der Westdeutschen Allgemeinen<br />
Zeitung vom 8.2.<strong>2011</strong> offen. Dort<br />
schreibt der Verfasser David Schraven:<br />
„»Der WAZ liegen nun Dokumente vor,<br />
die belegen, wie die Bahn versuchte, Gerichte<br />
zu manipulieren. In einem internen<br />
Bericht der Bahn-Rechtsanwälte an<br />
die Rechtsabteilung des Konzerns heißt<br />
es: Das Gelsenkirchener Gericht habe Literaturzitate<br />
zu weiten Teilen übernommen.<br />
Im Bereich des Preisrechts gilt dies<br />
insbesondere für den von der DB initiierten<br />
Aufsatz von Scholz/Otting. Dies<br />
zeige, wie richtig es war, die Rechtsauffassung<br />
der Bahn auch durch externe<br />
Literaturstimmen, die nicht unmittelbar<br />
der Bahn zuzurechnen sind, zu untersetzen.<br />
Mit anderen Worten: Die Bahn hat<br />
einen Gutachter angeregt, einen nach<br />
außen hin unabhängigen Aufsatz zum<br />
Prozessthema zu schreiben, und diesen<br />
Aufsatz dann als angeblich unabhängige<br />
Literatur in das Verfahren eingebracht.<br />
Selten wurde über Lobbyschreiber<br />
offener berichtet.«<br />
Auch die Landesregierung übte erheblichen<br />
Druck auf den VRR aus, um den<br />
Vergleich zu retten. So erhielt VRR-Chef<br />
Husmann von seinem Verwaltungsrat<br />
kurz vor der mündlichen Verhandlung<br />
vor dem BGH die »dringliche Anweisung«,<br />
die langjährige Anwältin<br />
auszutauschen und stattdessen jenen<br />
Rechtsanwalt Otting einzusetzen, der<br />
die »externe Literaturstimme« für die<br />
Rechtsauffassung der DB AG geliefert<br />
hatte und für sie bereits im Rechtsstreit<br />
gegen den VRR vor dem VG Gelsenkirchen<br />
aufgetreten war. Als sich Husmann<br />
weigerte, wurde er von seinen Aufgaben<br />
entbunden und mit Hausverbot<br />
belegt. Kurz danach musste diese Entscheidung<br />
revidiert werden, da sie sich<br />
als rechtswidrig erwiesen hatte. 1<br />
• Medial wurde eine Drohkulisse aufgebaut,<br />
die die Direktvergabe großer<br />
Verkehrsverträge seit längerem begleiten.<br />
So ließ der Chef der DB Regio<br />
NRW, Brüggemann, noch am Vorabend<br />
der Urteilsverkündung über die<br />
Presse verlautbaren, dass ein Wegfall<br />
der Direktvergabeoption gravierende<br />
Konsequenzen für den geplanten<br />
Rhein-Ruhr-Express haben könne. Der<br />
Zeitdruck würde so wachsen, dass es<br />
kaum mehr möglich sei, den RRX bis<br />
2016 zu verwirklichen.<br />
Sachlich ist es nicht nachvollziehbar,<br />
warum die Umsetzung des RRX-Konzeptes<br />
zwingend an die Verlängerung<br />
des S‐Bahn-Vertrages zu koppeln sei. Allenfalls<br />
die Verlängerung der RE-Leistungen<br />
bis 12/2016 könnte den RRX fördern<br />
– jedoch nur wenn die Bündelung<br />
großer Leistungsvolumina nicht nach<br />
alter Strategie darauf abzielt, weiteren<br />
Wettbewerb zu verhindern. Zudem<br />
weist das RE-Konzept mit seinen schweren<br />
lokbespannten Doppelstockzügen<br />
in die Gegenrichtung, denn bislang ist<br />
das RRX-Konzept mit stark beschleunigenden<br />
Triebwagen geplant. Von der<br />
Betriebsebene abgesehen scheitert der<br />
1 Vgl. Wassermann, A. (<strong>2010</strong>), Wie die Bahn Wettbewerb<br />
im Nahverkehr verhindert, in: Spiegel online<br />
vom 13.12.<strong>2010</strong><br />
Schienenpersonennahverkehr 51