Wettbewerber- Report Eisenbahn 2010/2011 - Mofair
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Ganzseitige Anzeigen<br />
2002 gab die Vergabekammer Magdeburg der Klage von Connex und Karsdorfer <strong>Eisenbahn</strong><br />
statt, wonach der freihändig vergebene große Verkehrsvertrag des Landes Sachsen-<br />
Anhalt über rund 26 Mio. Zkm nichtig sei. Nach geltendem Vergaberecht müsse er im<br />
Wettbewerb vergeben werden, und zwar in Losen, um auch mittelständischen EVU eine<br />
Chance einzuräumen.<br />
Abbildung 19:<br />
Zeitungsanzeige<br />
der DB AG<br />
Quelle: DB AG<br />
Da die DB AG in der Zeit<br />
der Weichenstellung pro Börsengang<br />
einen Präzedenzfall<br />
fürchten musste, in der fast<br />
alle großen Verkehrsverträge<br />
der Länder zur Vergabe anstanden<br />
(mehr als 80 % des<br />
deutschen Gesamtmarktes),<br />
zog sie eine groß angelegte<br />
Kampagne gegen den Wettbewerb<br />
auf. In ganzseitigen<br />
Anzeigen sowie Briefen an<br />
sämtliche Landesverkehrsminister<br />
hieß es: »Selbstverständlich<br />
akzeptieren wir<br />
jede politische oder juristische<br />
Entscheidung zum<br />
Wettbewerb. Wir fühlen uns<br />
allerdings verpflichtet, rechtzeitig<br />
auf die Konsequenzen<br />
aufmerksam zu machen, die<br />
dann von allen Entscheidern<br />
mitgetragen werden müssen.«<br />
nötige Planungssicherheit fehlt. Denn wir können keine neuen Züge<br />
Bestellerpreise orientierten sich an einem Rationalisierungsstand,<br />
den wir frühestens 2006 errei-<br />
bestellen, wenn nicht einschätzbar ist, ob wir sie brauchen. Und wir<br />
können ohne Planungsgrundlage auch kein Personal – bis hin zum<br />
chen. Und die Modernisierungskosten des Fuhrparks<br />
waren ohne Landeszuschüsse in die Bestel-<br />
Die negativen Folgen des<br />
Azubi – vorhalten oder einstellen, wenn wir nicht wissen, ob wir es<br />
brauchen. Das kann kein Wirtschaftsunternehmen.<br />
lerpreise einkalkuliert.<br />
Wettbewerbs lägen darin,<br />
Die Unterstellung, die Bahn wolle durch längerfristige<br />
Verträge Wettbewerb ausschließen, entbehrt<br />
also bei Sichtung aller Fakten jeder sachlichen<br />
Grundlage. Schon heute ist der deutsche Regionalverkehr<br />
einer der wettbewerbsintensivsten Bahn-<br />
bei mangelnder Planungssicherheit<br />
– definiert als Vermärkte<br />
Europas. In Deutschland verkehren bereits<br />
über 200 Wettbewerbsbahnen – mehr als in jedem<br />
anderen Land Europas. Demgegenüber ist der<br />
Marktzutritt der Deutschen Bahn in wichtigen anderen<br />
europäischen Ländern heute nicht möglich.<br />
kehrsverträge unter zehn<br />
Informationen unter www.bahn.de/fakten<br />
Jahren – nicht in neue Fahrzeuge<br />
investieren zu können.<br />
Bundesweit stünden Investitionen<br />
von 4,3 Mrd. Euro in Frage. Anpassungsprozesse bei den Arbeits- und Ausbildungsplätzen<br />
würden unvermeidlich, die »keinesfalls so sozialverträglich ablaufen können wie bisher«.<br />
Citigate SEA<br />
Wir wollen rund 4,3 Milliarden Euro in<br />
unser Zugmaterial im Nahverkehr investieren.<br />
Dafür brauchen wir Planungssicherheit.<br />
___Wir sind bereit für einen außergewöhnlichen<br />
unternehmerischen Kraftakt.<br />
Wir haben uns bereit erklärt, mit Milliardeninvestitionen<br />
ein zukunftsweisendes Nahverkehrssystem<br />
in allen Regionen Deutschlands aufzubauen.<br />
Hierfür benötigen wir Planungssicherheit. In<br />
Sachsen-Anhalt standen wir kurz davor, dies<br />
durch einen richtungweisenden Verkehrsvertrag<br />
festzulegen. Er bot exzellente Konditionen für<br />
Sachsen-Anhalt und schuf Rechtssicherheit für<br />
sehr hohe Investitionen. Zugleich gab er dem Land<br />
die Option, Aufgaben Schritt für Schritt bei der<br />
Bahn abzubestellen und auszuschreiben.<br />
Diesen Vertrag hat jetzt die Vergabekammer des<br />
Regierungspräsidiums Magdeburg untersagt,<br />
obwohl das Allgemeine <strong>Eisenbahn</strong>gesetz (AEG)<br />
Ausschreibungen ausdrücklich in das Ermessen<br />
der Länder stellt. Das Land Sachsen-Anhalt hat<br />
gegen die Einschränkung seines Handlungsrahmens<br />
keine Rechtsmittel eingelegt. Der Spruch<br />
der Vergabekammer zementiert zunächst den vertragslosen<br />
Zustand des Nahverkehrs in Sachsen-<br />
Anhalt, belastet den Landeshaushalt zusätzlich,<br />
verhindert Investitionen in Millionenhöhe und verzögert<br />
ein attraktiveres Angebot für die Kunden.<br />
___Planungssicherheit durch längerfristige Verträge<br />
ist auch im Interesse der Länder.<br />
Es ist nicht Aufgabe der Bahn, gegen den Spruch der Vergabekammer<br />
Rechtsmittel einzulegen, obwohl wir ihn für rechtlich falsch<br />
halten. Dazu Hartmut Mehdorn: „Wir werden uns nicht unsinnigen<br />
Vorwürfen aussetzen, die Bahn sperre sich gegen Wettbewerb. Wir<br />
werden uns jedem politisch gewollten oder juristisch erzwungenen<br />
Wettbewerbsmodell stellen, allerdings dann auch mit allen betriebswirtschaftlichen<br />
und verkehrlichen Konsequenzen.“<br />
Wenn sich ein Land zum sofortigen ausschließlichen Ausschreibungswettbewerb<br />
entscheidet, muss sich die Bahn konsequent<br />
darauf einstellen. Wir werden im Interesse unseres Unternehmens<br />
gezwungen sein, Rationalisierungsanstrengungen drastisch zu<br />
beschleunigen und Investitionsvorhaben zu stoppen, bei denen die<br />
____Wir brauchen in Deutschland dringend einen Konsens über die Weichenstellung im Nahverkehr: Langfristige<br />
Verkehrsverträge zwischen den Bundesländern und der Bahn schaffen die Basis insbesondere für notwendige milliardenschwere<br />
Investitionen. Verpflichtungen dieser Größenordnung kann kein Unternehmen ohne Planungssicherheit<br />
eingehen, auch nicht die Deutsche Bahn. Selbstverständlich akzeptieren wir jede politische oder juristische<br />
Entscheidung zum Wettbewerb. Wir fühlen uns allerdings verpflichtet, rechtzeitig auf die Konsequenzen aufmerksam<br />
zu machen, die dann von allen Entscheidern mitgetragen werden müssen.<br />
Wir wollen mit nachhaltigen Investitionen für den Nahverkehr –<br />
bundesweit sind 4,3 Milliarden Euro vorgesehen – steigende Fahrgastzahlen<br />
erreichen und unsere Kostenstruktur durch Modernisierung<br />
verbessern. Das können wir aber nur dort tun, wo wir<br />
Planungs- und Investitionssicherheit haben. Andernfalls werden<br />
Anpassungsprozesse bei Arbeitsplätzen unvermeidlich sein, die<br />
keinesfalls so sozialverträglich ablaufen können wie bisher. Auch<br />
müssen wir dann unsere geplanten Investitionen in die Erneuerung<br />
unseres Nahverkehrsfuhrparks anpassen.<br />
___In Deutschland verkehren bereits<br />
über 200 Wettbewerbsbahnen – mehr als<br />
in jedem anderen Land Europas.<br />
___Unterstellungen, wir würden mit langfristigen<br />
Verträgen den Wettbewerb ausschalten wollen,<br />
entsprechen nicht den Fakten.<br />
Wir haben, so wie es Absicht des Gesetzgebers<br />
ist, im Verkehrsvertrag mit Sachsen-Anhalt die<br />
Option eingeräumt, Leistungen schrittweise abzubestellen<br />
und auszuschreiben. Dadurch ist ein geordneter<br />
Übergang zu noch mehr Wettbewerb möglich<br />
und wir können zugleich unseren Modernisierungskurs<br />
beibehalten. Denn je länger Vertragsbindungen<br />
sind, desto mehr Investitionen können wir<br />
verantworten. Für Sachsen-Anhalt waren die vorgesehenen<br />
Konditionen sehr vorteilhaft. Unsere<br />
Kurze Zeit später änderte der Bund im Dezember 2002 – auch auf Drängen vieler Länder<br />
– die Vergabeverordnung, so dass die großen Verkehrsverträge ihre marktschließende Wirkung<br />
entfalten konnten. Inzwischen sind die eigennützigen DB-Thesen zur angeblichen Investitionsfeindlichkeit<br />
des Wettbewerbs längst widerlegt. Im Gegenteil sind es vor allem die<br />
Wettbewerbsverfahren, die einen Schub zugunsten von Neufahrzeugen auslösten, während<br />
vielerorts noch heute über das alte Material der DB AG geklagt wird, das im Rahmen großer<br />
Verträge gefahren wird.<br />
RRX bis auf weiteres an den ausbleibenden<br />
Infrastrukturinvestitionen, die vor<br />
2025 keine Finanzierungschance haben.<br />
Ziel einer solchen Aktion ist es vielmehr,<br />
die Politik zu verunsichern und die Direktvergabeoption<br />
als »alternativlosen<br />
Ausweg« einer Zwangssituation erscheinen<br />
zu lassen. Dass die Aktivitäten einem<br />
bestimmten Muster folgen, zeigt<br />
der Blick in die Vergangenheit (siehe<br />
Kasten »Ganzseitige Anzeigen«).<br />
52 <strong>Wettbewerber</strong>-<strong>Report</strong> <strong>Eisenbahn</strong> <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong>