Wettbewerber- Report Eisenbahn 2010/2011 - Mofair
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Kosten entstehen und ggf. ein Teil der<br />
Einnahmen ausbleibt.<br />
Obschon der Ärger alle EVU ereilt, sehen<br />
sich die <strong>Wettbewerber</strong> der DB AG einer<br />
zusätzlichen Belastung ausgeliefert. Ihre<br />
Rückfallebenen sind erheblich schwächer<br />
ausgeprägt, indem sie z. B. kein Reservoir<br />
überzähliger Altfahrzeuge in der Hinterhand<br />
haben. Auch den Beispielen Maas-<br />
Rhein-Lippe-Netz und Berchtesgadener<br />
Land Bahn lässt sich entnehmen, dass die<br />
Auswirkungen für die Fahrgäste und Unternehmen<br />
in den Fällen, in denen Wettbewerbsbahnen<br />
von Zulassungsproblemen<br />
betroffen waren, meist gravierender als bei<br />
der DB AG zu Tage getreten sind, z. B. als<br />
Schienenersatzverkehr mit Bussen. 2<br />
Insgesamt droht sich die Schiene als<br />
Branche ins Abseits zu manövrieren, wenn<br />
das Normenrisiko das System so verteuert,<br />
dass alle Beteiligten Risikozuschläge einpreisen.<br />
Ohne schwarzsehen zu wollen, erscheint<br />
folgender Teufelskreis nicht unrealistisch:<br />
• Die Aufgabenträger versuchen sich gegen<br />
das »Betreiberwechselchaos« und<br />
»Neufahrzeugrisiko« abzusichern, indem<br />
sie höhere Vertragsstrafen bei Ausfällen<br />
oder Ersatzverkehren vorsehen.<br />
• Die EVU verlangen entsprechende Verfügbarkeitsgarantien<br />
der Hersteller.<br />
• Die Hersteller müssen ihrerseits längere<br />
Lieferzeiten einplanen, um den zusätzlichen<br />
Aufwand der Inbetriebnahme und<br />
mögliche Anpassungsmaßnahmen an<br />
den Fahrzeugen abpuffern zu können.<br />
In Verbindung mit den kalkulatorischen<br />
Ansätzen für mögliche Vertragsstrafen<br />
erhöhen sich so die Fahrzeugpreise.<br />
Fallweise ist auch vorstellbar, dass Hersteller<br />
kein Angebot abgeben.<br />
Höhere Preise werden über den Betreiber<br />
und die Aufgabenträger letztlich auf Fahrgast<br />
wie Steuerzahler überwälzt. Die längeren<br />
Rüstzeiten verschleppen entweder<br />
die Betriebsaufnahmen (wenn der Aufgabenträger<br />
dieses Erfordernis der Industrie<br />
2 Allerdings stößt die DB AG angesichts der schieren<br />
Anzahl der nicht einsetzbaren E‐Talente mittlerweile<br />
an die Leistungsgrenzen ihrer Reserveflotte. Wie<br />
die Wettbewerbsbahnen muss sie Fahrzeuge bei<br />
Leasingfirmen anmieten oder Fahrzeuge mit neuen<br />
Fristuntersuchungen aufwendig wieder betriebsbereit<br />
herrichten, die bereits ausrangiert worden waren<br />
oder werden sollten.<br />
beachtet) und bremsen damit die weitere<br />
Marktöffnung. Nehmen die Aufgabenträger<br />
auf die Probleme wenig Rücksicht, verengt<br />
sich der Markt für Fahrzeuge auf ggf.<br />
nur noch einzelne Hersteller, die über hinreichende<br />
Kapazitäten verfügen. Auch dies<br />
führt am Ende zu steigenden Kosten.<br />
Angesichts der Tragweite des Zulassungsproblems<br />
lautet die Gretchenfrage: Ist das<br />
verschärfte Procedere des EBA angemessen<br />
Wer trägt hierfür die Verantwortung<br />
Liefern die Hersteller – wie von DB-Vorstandschef<br />
Grube behauptet – zunehmend<br />
»grüne Bananen«, oder unterschätzen sie<br />
die Verfahrenshürden Reagiert umgekehrt<br />
die Aufsichtsbehörde überkritisch, z. B. weil<br />
sie ein zu geringes Marktverständnis aufbietet<br />
Die Antwort ist schwierig. Unstrittig unter<br />
allen Beteiligten ist die Auffassung,<br />
dass Sicherheit ein hohes Gut ist. Falsche<br />
Kompromisse kann eine Aufsichtsbehörde<br />
nicht eingehen, so dass das EBA im Zweifel<br />
hart reagieren muss. Darüber hinaus ist<br />
der Handlungsrahmen der EBA-Mitarbeiter<br />
zu beachten, die für ihre Entscheidungen<br />
persönlich haften. Staatsanwaltschaftliche<br />
Ermittlungen wie im Falle der Türschließund<br />
Abfertigungsverfahren bei der S‐Bahn<br />
München 3 tragen dazu bei, Vorschriften<br />
eng auszulegen. Ebenso ist zu bedenken,<br />
dass in der Aufarbeitung der S‐Bahn-Misere<br />
in Berlin öffentlich die Frage aufgeworfen<br />
wurde, warum das EBA erst so spät<br />
von den Versäumnissen des EVU Kenntnis<br />
genommen habe bzw. eingeschritten sei.<br />
Werden Selbstverpflichtungen nicht eingehalten,<br />
führt dies zu einem Vertrauensverlust<br />
der Kontrollorgane.<br />
Dessen ungeachtet verfestigt sich unter<br />
Branchenexperten der Eindruck, dass alle<br />
Beteiligten noch auf der Suche sind, ihre<br />
Rolle optimal auszufüllen:<br />
• Das <strong>Eisenbahn</strong>-Bundesamt (EBA) sollte<br />
die Kritik der Industrie annehmen, dass<br />
ein Nachschärfen von Normen während<br />
des mehrjährigen Herstellungs-<br />
3 Nachdem sich bei den Elektrotriebwagen der S‐Bahn<br />
Baureihe BR 423 mehrere gefährliche Vorfälle beim<br />
Abfertigungsverfahren im Zusammenhang mit<br />
selbsttätig schließenden Türen ereignet hatten und<br />
einige Personen verletzt worden waren, ermittelte<br />
2008 die Staatsanwaltschaft gegen die Mitarbeiter<br />
des EBA, die der Baureihe die Zulassung ausgesprochen<br />
hatten, wegen fahrlässiger Körperverletzung<br />
und gefährlichen Eingreifens in den Bahnverkehr.<br />
82 <strong>Wettbewerber</strong>-<strong>Report</strong> <strong>Eisenbahn</strong> <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong>