Wettbewerber- Report Eisenbahn 2010/2011 - Mofair
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te Steuerschätzung, die Mehreinnahmen<br />
von 135 Mrd. Euro bis 2014 relativ zur Finanzplanung<br />
von Mai/November <strong>2010</strong><br />
prognostiziert, verleitet ebenfalls zu dem<br />
Schluss, die Vorgaben der Schuldenbremse<br />
seien quasi schon erfüllt.<br />
Eine solche Deutung wäre leichtsinnig:<br />
Die Mechanik<br />
der Schuldenbremse<br />
Die Schuldenbremse stellt die Kreditaufnahme<br />
der öffentlichen Haushalte auf<br />
ein neues Fundament. Im Grundsatz gilt<br />
nach Art. 109 Abs. 1 des Grundgesetzes<br />
das Verbot der Kreditaufnahme zum<br />
Haushaltsausgleich. Defizite sollen künftig<br />
durch Einsparungen auf der Ausgabenseite<br />
oder höhere Einnahmen unmittelbar ausgeglichen<br />
werden. Allerdings sind wenige<br />
Abweichungen von der Norm zulässig:<br />
• Der Bund darf ab 2016 Kredite in Höhe<br />
von maximal 0,35 % des nominalen<br />
Bruttoinlandsproduktes je Haushaltsjahr<br />
aufnehmen. Den Ländern ist dieser<br />
Ausweg ab 2020 verwehrt.<br />
• Weicht die konjunkturelle Entwicklung<br />
von der Normallage ab, dürfen zusätzliche<br />
Kredite aufgenommen werden.<br />
Diese müssen im Aufschwung antizyklisch<br />
zurückgeführt werden. Kredite<br />
oberhalb von 0,35 % des BIP werden<br />
auf einem Kontrollkonto verbucht, dessen<br />
Negativsaldo 1,5 % des BIP nicht<br />
übersteigen darf. Ab 1 % des BIP muss<br />
dar Saldo des Kontrollkontos konjunkturgerecht<br />
reduziert werden.<br />
• Darüber hinaus dürfen weitere Schulden<br />
bei Naturkatastrophen und außergewöhnlichen<br />
Notsituationen wie etwa<br />
einer globalen Finanzmarktkrise aufgenommen<br />
werden.<br />
Um den Übergang bis zur vollen Bremswirkung<br />
abzumildern, sind Abweichungen<br />
bei Bund und Ländern bis 2015<br />
bzw. 2019 zulässig. Die Länder Bremen,<br />
Hamburg, Saarland, Sachsen-Anhalt<br />
und Schleswig-Holstein erhalten zusammen<br />
bis 2019 Konsolidierungshilfen von<br />
800 Mio. Euro p. a.<br />
• Der relativ glimpfliche Jahresausklang<br />
mit 44 Mrd. Euro neuen Schulden basiert<br />
auf Einmaleffekten wie z. B. den<br />
Einnahmen durch den Verkauf der Mobilfunklizenzen.<br />
Das strukturelle Defizit<br />
bleibt unverändert hoch. Aus diesem<br />
Grund wird zu Recht der Abbaupfad<br />
vorgegeben, bis 2015 jährlich zusätzlich<br />
10 Mrd. Euro einsparen zu müssen.<br />
• Das Sparpaket umfasst einige Luftbuchungen.<br />
Beispiele sind die Finanzmarkttransaktionssteuer,<br />
ein Teil der<br />
Brennelementesteuer im Falle des vorzeitigen<br />
Atomausstiegs sowie die globale<br />
Minderausgabe von 5,6 Mrd. Euro,<br />
die erst noch mit Maßnahmen hinterlegt<br />
werden muss.<br />
• Der gewichtigste Grund, Maß zu halten,<br />
ist darin zu sehen, dass der nächste<br />
Abschwung gewiss ist. Solange auch<br />
in Boomphasen ein strukturelles Defizit<br />
anfällt, schnellt der Wert bei konjunkturellen<br />
Einbrüchen sicher in die Höhe.<br />
Sofern in solchen Fällen nicht ständig<br />
der Notfall ausgerufen werden soll, sind<br />
harte Einschnitte unvermeidlich.<br />
Insgesamt muss sich der Verkehrssektor<br />
darauf einstellen, bis auf weiteres in jedem<br />
Haushaltsjahr in harte Mittelverteilungskämpfe<br />
verstrickt zu werden. Das ist<br />
für sich gesehen kein Novum – doch die<br />
»Zwangsmechanik« der Schuldenbremse,<br />
die so atypisch für die Politik ist, wird<br />
ebenso eine neue Qualität einläuten wie<br />
die Erkenntnis, dass andere gesellschaftliche<br />
Zukunftsthemen mit hohem Finanzierungsbedarf<br />
wie Energiewende, Bildung,<br />
Gesundheit oder Familie in der Prioritätenliste<br />
vorbeiziehen könnten.<br />
Aus der Sicht des Schienen- bzw. Öffentlichen<br />
Verkehrs »braut« sich für 2013/2014<br />
eine besondere Situation zusammen, die<br />
frühzeitig in den Blick genommen werden<br />
muss. Drei zentrale Finanzierungsquellen<br />
werden der Höhe nach neu verhandelt<br />
oder erfahren Änderungen hinsichtlich ihrer<br />
Mittelverwendung:<br />
• Revision der Regionalisierungsmittel<br />
2014: Das Regionalisierungsgesetz sieht<br />
die Neufestlegung der Regionalisierungsmittel<br />
für 2015 ff. vor. Das Ergebnis<br />
der Verhandlungen mit dem Bund<br />
ist nicht nur für den SPNV existenziell,<br />
sondern darüber hinaus für die Branche<br />
bedeutsam. Als Hauptzahler der Infrastrukturentgelte<br />
(65 % aller Trasseneinnahmen,<br />
85 % der Stationserlöse) kann<br />
der SPNV die – ökonomisch fragwürdige<br />
– Rolle des »Lastenesels« nur dann<br />
weiterhin bekleiden, wenn die Kauf-<br />
18 <strong>Wettbewerber</strong>-<strong>Report</strong> <strong>Eisenbahn</strong> <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong>