Wettbewerber- Report Eisenbahn 2010/2011 - Mofair
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Zur Quote des Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB)<br />
Die Einstufung des ZGB mit einer Quote von knapp über 60 % basiert auf mehreren<br />
schwierigen Annahmen, die wir kurz erläutern möchten.<br />
Lange Zeit lag der Schwerpunkt des ZGB nicht auf der Einführung von Wettbewerb, sondern<br />
auf der Umsetzung der Regionalstadtbahn Braunschweig. Deren Konzeption sah neben<br />
der Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen vor, selbst Fahrzeuge zu beschaffen.<br />
Neue europäische Fahrzeugvorschriften trieben die Kosten des rollenden Materials jedoch so<br />
in die Höhe, dass das Projekt als nicht mehr finanzierbar galt und <strong>2010</strong> eingestellt wurde.<br />
Am 10. Februar <strong>2011</strong> präsentierte der ZGB seine modifizierten Planungen zum »Regionalbahnkonzept<br />
2014+ für den Großraum Braunschweig«. Auffällig ist der klare Kursschwenk<br />
pro Wettbewerb, der ausdrücklich zu begrüßen ist. Ziel ist es nunmehr, sämtliche Leistungen<br />
aus dem Verkehrsvertrag mit DB Regio bis zu dessen Laufzeitende in den Wettbewerb<br />
zu überführen. Darüber hinaus gibt sich der ZGB das ambitionierte Langfristziel vor, das<br />
heutige, leicht reduzierte Angebotsvolumen von rund 5,6 Mio. auf mehr als 7,0 Mio. Zkm<br />
auszubauen. Die Ausweitung soll offenkundig zu einem Gutteil aus der Wettbewerbsdividende<br />
finanziert werden, was den Bestrebungen Nachdruck verleiht.<br />
Im EU-Amtsblatt hat der ZGB fünf Wettbewerbsnetze vorab veröffentlicht, von denen er<br />
zwei Lose – das Elektronetz Niedersachsen-Ost und das Dieselnetz Niedersachsen-Ost – federführend<br />
vergeben möchte (zusammen 4,7 Mio. Zkm, ohne Zusatzfahrten im E‐Netz,<br />
mit Anteilen der Nachbar-Aufgabenträger). Die anderen drei Netze liegen in der Hand der<br />
LNVG (Harz-Weser, Mittelland/Emsland) oder der NASA (E-Netz Nord). Allerdings plant<br />
der ZGB inzwischen einen veränderten Netzzuschnitt, der im Wesentlichen das Dieselnetz<br />
und das Harz-Weser-Netz betrifft. Beide Netze sollen verschmolzen und nach neuer Streckenzuordnung<br />
in zwei Teillose unter der Bezeichnung »Diesel-Netz Süd-Ost« untergliedert<br />
werden. Teillos 1 umfasst die Verbindung Hannover — Goslar — Uelzen; Teillos 2 besteht<br />
aus großen Teilen des heutigen Harz-Weser-Netzes ohne den Abschnitt Hannover — Goslar,<br />
aber mit dem Ast Braunschweig — Schöppenstedt.<br />
Nach unserer Einschätzung ist die rechtzeitige Vergabe des Diesel-Netzes Süd-Ost (vormals<br />
›Harz-Weser-Netz‹) unter der Ägide der LNVG als gesichert anzusehen. Bei den E‐ und<br />
D-Netzen Niedersachsen Ost (alter Zuschnitt) halten wir es angesichts der erheblichen Veränderungen<br />
bei zugleich stark schrumpfendem Zeitfenster für unrealistisch, beide Vergaben<br />
bis Ende 2012 abzuschließen.<br />
Die Erfahrungen anderer Aufgabenträger zeigen, dass neue Netzzuschnitte stets Zeit kosten,<br />
zumal aufgrund der »Sandwich«-Lage des ZGB-Gebietes ein hoher Abstimmungsaufwand<br />
mit den umliegenden Bestellern unvermeidlich ist (vier Akteure bei neuem Teillos 2).<br />
Darüber hinaus ist zu beachten, dass die wettbewerbliche Vergabe laut ZGB von zwei Infrastrukturmaßnahmen<br />
abhängt. Unbedingt betrieblich notwendig seien der zweigleisige Ausbau<br />
Bad Bodenteich sowie der zweigleisige Neubau Rötgesbüttel. Zeitliche Punktlandungen<br />
bei Netzinvestitionen gelingen jedoch höchst selten.<br />
Ferner liegen Abstriche an der Zeitschiene darin begründet, dass das Konzept zunächst innerhalb<br />
des ZGB auf Konsens stoßen muss. Konträr dazu haben Vertreter der Stadt Wolfsburg<br />
kürzlich ihre Unzufriedenheit geäußert und sogar mit dem Austritt aus dem ZGB gedroht.<br />
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der ZGB mit der wettbewerblichen Vergabe<br />
von knapp 5 Mio. Zkm Neuland betritt, so dass ein höherer Zeitbedarf naheliegend ist,<br />
selbst wenn z. B. die LNVG als wettbewerbserfahrener Aufgabenträger seine Erfahrungen<br />
beisteuert.<br />
In der Gesamtschau taxieren wir die Wahrscheinlichkeit auf 50 %, die volle Last fristgerecht<br />
bewältigen zu können. Allerdings lässt die Verkündung eines konsequenten Wettbewerbskurses<br />
hoffen, in den nächsten 18 Monaten zumindest ein größeres Verfahren erfolgreich<br />
anschieben zu können. Der definierte Messpunkt 2016 trifft jedoch u.E. den ZGB<br />
etwas zu früh. Zwei Jahre später erschein die vollständige Abarbeitung des Wettbewerbsfahrplans<br />
hingegen realistisch.<br />
44 <strong>Wettbewerber</strong>-<strong>Report</strong> <strong>Eisenbahn</strong> <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong>