Wettbewerber- Report Eisenbahn 2010/2011 - Mofair
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Handeln tut not<br />
Der für 2015 vorgesehene Ergebnisbeitrag<br />
der Geschäftsfelder Fahrweg und Personenbahnhöfe<br />
von 1,45 Mrd. EBIT verdeutlicht,<br />
dass die DB AG bestrebt ist, die<br />
Ergiebigkeit des Monopols noch weiter zu<br />
steigern. Warum sollte sie auch freiwillig<br />
Verzicht üben, wenn sich dieser komfortable<br />
Hebel aus ihrer Sicht bewährt hat<br />
Kann die DB AG ihre Pläne ungehindert<br />
in die Tat umsetzen, werden der SPNV und<br />
damit die Länder erneut einen Großteil<br />
der Zusatzlasten schultern müssen. Zwar<br />
wird die DB AG auch auf ein strenges Kostenregime<br />
und Mehreinnahmen durch einen<br />
Zuwachs an verkauften Trassen setzen.<br />
Doch ist das Wirkungspotenzial dieser<br />
Stellschrauben als begrenzt anzusehen.<br />
Bereits heute nähert sich das Instandhaltungsbudget<br />
der EIU der Mindestschwelle<br />
von 1,0 Mrd. Euro p. a., die die LuFV vorschreibt<br />
und die sich mittelfristig als nicht<br />
nachhaltig erweisen wird. Auf der Erlösseite<br />
stößt die Steigerung des Trassenabsatzes<br />
– die überwiegend vom SGV kommen<br />
müsste – in naher Zukunft an die Kapazitätsgrenzen<br />
des Netzes.<br />
Steigen die vorleistungsbedingten Zusatzlasten<br />
des SPNV auch künftig stärker<br />
als die Dynamisierungsrate der Regionalisierungsmittel,<br />
können die Länder auf die<br />
Entwertung der Kaufkraft ihrer Mittel auf<br />
vierfache Weise reagieren:<br />
• Sie versuchen die Effizienzpotenziale<br />
durch die flächendeckende Anwendung<br />
von Wettbewerb so schnell und<br />
umfänglich wie möglich zu heben. Allerdings<br />
lässt sich dieser Prozess kaum<br />
mehr beschleunigen, weil sich die Aufnahmefähigkeit<br />
des Marktes bereits<br />
jetzt am Limit bewegt.<br />
• Die zweite Möglichkeit besteht darin,<br />
den Nutzer stärker zur Finanzierung<br />
heranzuziehen. Im Klartext heißt dies,<br />
durch Fahrpreiserhöhungen oberhalb<br />
der Inflationsrate das Delta zum knapper<br />
werdenden Budget für die Bestellent<br />
gelte auszugleichen. Auf dieses Instrument<br />
greifen die DB AG wie auch<br />
die Aufgabenträger schon seit längerem<br />
zurück. Es ist aber fraglich, wie lange an<br />
der Tarifschraube noch gedreht werden<br />
kann, ohne politischen Widerstand<br />
hervorzurufen. Die Einführung von Sozialtickets<br />
und die Zahl der verweigerten<br />
Tariferhöhungsanträge in einigen<br />
Verbünden zeigen, dass die Preispolitik<br />
des ÖPNV sich zunehmend an der<br />
Schmerzgrenze der Politik bewegt.<br />
• Die dritte Option, die Angebotsmenge<br />
des Status quo so lange wie möglich<br />
von Einschnitten zu verschonen, wurzelt<br />
in der Reduktion der Investitionen<br />
in den Nahverkehr (gelbe Linie in Abbildung<br />
29 auf Seite 76). Kurzfristig ist dies<br />
möglich, weil die Finanzierungsverträge<br />
immer unter dem Vorbehalt der verfügbaren<br />
Haushaltsmittel stehen und die<br />
Einbußen auf der Leistungs-/Qualitätsseite<br />
erst mit erheblicher Verzögerung<br />
sichtbar werden. In der mittleren Perspektive<br />
sind die Konsequenzen des Substanzverzehrs<br />
jedoch gravierend. Vor<br />
allem würde der Bund sich selbst schädigen,<br />
da ihm am Ende die Verantwortung<br />
und die Finanzierungslast zufallen.<br />
• Als ultima ratio verbleibt den Bestellern<br />
jene Maßnahme, die politisch stets die<br />
größten Verwerfungen verursacht: die<br />
Streichung von SPNV-Leistungen. Anschauungsunterricht<br />
liefern die kurzfristig<br />
angeordneten Kürzungen der Regionalisierungsmittel<br />
2004 und 2006 ff.<br />
Diese führten vor allem in Baden-Württemberg<br />
zu Einschnitten, die allerdings<br />
nach erheblicher Kritik in der Öffentlichkeit<br />
wieder weitgehend korrigiert<br />
wurden. Das Ausmaß dieser Anpassungsreaktionen<br />
eignet sich jedoch nur<br />
bedingt als Blaupause, wie die Länder<br />
in der kommenden Dekade auf die absehbaren<br />
Handlungzwänge reagieren<br />
können. Zum einen sind inzwischen die<br />
Effizienzreserven im System mittlerweile<br />
stärker ausgereizt, darüber hinaus sind<br />
die Vorgaben durch die Schuldenbremse<br />
deutlich restriktiver.<br />
Ein aussagekräftigeres Muster für den<br />
»Härtegrad« der bevorstehenden Einschnitte<br />
ist in der aktuellen Mittelkürzung<br />
in Sachsen zu sehen. Dort hat die<br />
Landesregierung <strong>2010</strong> eine Einsparung<br />
von 7,5 % der Mittel verfügt. In der Folge<br />
müssen zunächst drei Aufgabenträger<br />
zusammen rund 10 % ihres Zug-Angebotes<br />
streichen. Dieses Beispiel wird<br />
– der Not gehorchend – zeitnah Schule<br />
machen, wenn die Schere zwischen<br />
Budget und Kostenbelastungen weiter<br />
aufgeht.<br />
78 <strong>Wettbewerber</strong>-<strong>Report</strong> <strong>Eisenbahn</strong> <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong>