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Wettbewerber- Report Eisenbahn 2010/2011 - Mofair

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genannte Recast, der Vorschlag zur Neufassung<br />

des ersten <strong>Eisenbahn</strong>pakets, den<br />

die Kommission im September <strong>2010</strong> nach<br />

dreijährigem Anlauf und einigen Interventionsversuchen<br />

zur Diskussion stellte [KOM<br />

(<strong>2010</strong>) 475 endg. vom 17.9.<strong>2010</strong>].<br />

Wie bei solchen Vorschlägen üblich,<br />

reicht das Spektrum der Bewertung des Recast<br />

von »zu weit gehend« bis »zu kurz gesprungen«.<br />

Am ehesten herrscht Konsens<br />

in der Kritik, dass der Verzicht auf die Forderung<br />

nach einer Öffnung der nationalen<br />

Personenverkehrsmärkte enttäuschend<br />

sei. In der Frage der Netzunabhängigkeit<br />

schlägt die Berichterstatterin Serracchiani<br />

für den Verkehrsausschuss des Europäischen<br />

Parlamentes in ihrem Bericht vom<br />

19.4.<strong>2011</strong> vor, die Formulierung der Kommission<br />

zu verschärfen. So solle eine »klare«<br />

Trennung von Netz und Transport in<br />

der neuen Richtlinie verankert werden, zu-<br />

Frankreich pro Netztrennung<br />

Wird über die mangelnde Umsetzung des ersten <strong>Eisenbahn</strong>pakets und die zögerliche Liberalisierung<br />

des europäischen Schienenverkehrs geklagt, gerät Frankreich vorrangig ins Visier.<br />

Zwar ist das Land im Liberalisierungsindex Bahn <strong>2011</strong> zum ersten Mal von der letzten in<br />

die vorletzte Gruppe mit dem Attribut »Marktöffnung im Zeitplan« aufgerückt, doch bedeuten<br />

612 Punkte noch immer einen mäßigen 21. Platz, 230 Punkte hinter Deutschland als<br />

Drittplatziertem.<br />

Unbestritten ist, dass Frankreich nicht die Speerspitze der Bewegung darstellt, z. B. weil<br />

der Personenverkehrsmarkt abgeschottet bleibt (was allerdings mit dem EU-Recht im Einklang<br />

steht). Es stellt sich jedoch die Frage, ob die deutsche Selbsteinschätzung von »gut<br />

sind wir – rückständig die Franzosen« in dieser Polarität berechtigt ist. Dass die Wahrheit<br />

stärker in der Mitte liegen könnte, lässt sich daran festmachen, dass Frankreich das Netz<br />

1997 aus der SNCF herausgelöst und in die eigentumsrechtlich getrennte Réseau Ferré de<br />

France (RFF) überführt hat. Die SNCF bewirtschaftet jedoch weiterhin die Infrastruktur und<br />

erhält dafür eine Vergütung, die ungefähr der Höhe der Trassenentgelte entspricht.<br />

In einem Interview mit dem Handelsblatt vom 23.3.<strong>2011</strong> kritisierte SNCF-Chef Pepy, dass<br />

der Konkurrent DB AG als dominanter Akteur in Europa sein Netz behalten dürfe. »Wenn<br />

ein Bahnbetreiber das Netz und damit die Netzeinnahmen behält, und darüber hinaus über<br />

den Netzzugang entscheidet, so hat dieser Bahnbetreiber einen ungerechtfertigten Vorteil«,<br />

äußerte sich Pepy. Des Weiteren schlug er vor, das französische und deutsche Schienennetz<br />

zu fusionieren. Eine solche pan-europäische unabhängige Netzgesellschaft sei der Schlüssel,<br />

um internationale Schienengütertransporte auf die Schiene zu ziehen.<br />

Dies sind bemerkenswerte Gedanken, wie sie der DB AG und der Bundesregierung bis dato<br />

fremd erscheinen. Schaut man in den Länderbericht des Lib-Index Bahn <strong>2011</strong> zu Deutschland,<br />

keimen weitere Zweifel auf, ob das deutsche Schienennetz 230 Punkte offener ist als<br />

das französische. Während für Frankreich Mängel wie bei der Lizenzerteilung und der Anwendung<br />

der Dispositionsregeln im <strong>Eisenbahn</strong>betrieb aufgeführt werden – die wir nicht in<br />

Frage stellen –, hat Deutschland den Autoren zufolge praktisch eine weiße Weste.<br />

So wird zu Beginn konstatiert, dass Deutschland eine rechtliche, organisatorische und<br />

funktionelle Trennung umgesetzt habe. Dennoch hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren<br />

gegen Deutschland eröffnet – was ohne jede Kommentierung nur deskriptiv erwähnt<br />

wird. Auch andere Wettbewerbsverzerrungen bleiben unerwähnt. »Der Abschluss von Rahmenverträgen<br />

sei möglich«, heiß es – an sich eine Selbstverständlichkeit, die einzufordern<br />

sich allerdings in der Realität nicht als trivial erweist, wie Abschnitt 5.5 zeigt. Die BNetzA<br />

habe seit 2006 rund 600 Ermittlungsverfahren eingeleitet und 150 Entscheidungen gefällt.<br />

Mag dies ein Hinweis auf die Qualität der Regulierung sein, sprechen die Zahlen eher gegen<br />

die Wettbewerbsfreundlichkeit des integrierten Systems.<br />

Die Beispiele zeigen, dass es sich genau hinzuschauen lohnt, welcher Markt wie offen ist.<br />

Vor allem sollte Deutschland nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Es gibt noch reichlich<br />

Luft nach oben, den Wettbewerb im Inland zu fördern.<br />

156 <strong>Wettbewerber</strong>-<strong>Report</strong> <strong>Eisenbahn</strong> <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong>

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