E-Paper | Falstaff Magazin Deutschland 04/2019
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2017 GEISBERG CHARDONNAY<br />
Weingut Wageck<br />
PLATZ<br />
Als im Lauf der Neunzigerjahre<br />
des vergangenen Jahrhunderts<br />
die ersten deutschen Chardonnays<br />
auf den Markt und<br />
ins Verkostungsglas kamen,<br />
da kratzte sich mancher Kommentator nachdenklich<br />
hinterm Ohr: Hm, so schmeckt<br />
der also bei uns.<br />
»So«, das hieß, wenn man es weniger verblümt<br />
sagt: ziemlich langweilig. Neutral in<br />
den Aromen, säuerlich in der Gaumenstruktur.<br />
Nicht wenige – der Schreiber dieser Zeilen<br />
inbegriffen – hatten den Eindruck, dass<br />
sich die Sorte hierzulande schwertun werde.<br />
Um der Neutralität aufzuhelfen, kamen<br />
bald die sogenannten Duftklone in Mode:<br />
Chardonnay-Spielarten, die dem Wein würzige<br />
Aromen mitgeben, weil ihre Trauben –<br />
anders als diejenigen der burgundischen<br />
Standardklone – eine stattliche Menge von<br />
aromatischen Monoterpenen enthalten.<br />
Das Weinbauinstitut Freiburg fand später<br />
heraus, dass das Terpen-Profil dieser Duftklone<br />
demjenigen des Müller-Thurgau<br />
ähnelt. Man ahnt es: Eine wirkliche Verbesserung<br />
brachte auch dieser Kniff nicht.<br />
Ebenso wenig wie der übertriebene Einsatz<br />
von Neuholz oder gar das Spiel mit Botrytis.<br />
Auch in der ersten Dekade des neuen<br />
Jahrhunderts blieb der Chardonnay daher<br />
eher ein Mauerblümchen, ein ewiges Talent<br />
mit fraglicher Zukunft. Aber dann, um das<br />
Jahr 2010 herum, tat es plötzlich einen<br />
Schlag. Die Weine der neueren Jahrgänge<br />
hatten auf einmal Kontur und Tiefe, die<br />
man vorher nicht für möglich gehalten<br />
hätte. Zurückhaltend in ihrer Aromatik<br />
blieben sie weiterhin, aber wo früher eine<br />
neutrale Leere war, da traten plötzlich subtile<br />
Zwischentöne zutage, und am Gaumen<br />
gewann die einstmals holzschnittartige Kernigkeit<br />
mehr und mehr an mineralischen<br />
Facetten. Es war, als würde ein Bild plötzlich<br />
scharf gestellt, das man zuvor nur<br />
unscharf und grob verpixelt, verschwommen<br />
im Sucher hatte.<br />
Und damit kommen wir zur Gegenwart<br />
und zur <strong>Falstaff</strong> Chardonnay Trophy des<br />
Jahres <strong>2019</strong> – der ersten, die <strong>Falstaff</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> durchgeführt hat. Das erste<br />
und wichtigste Fazit, das man aus der Verkostung<br />
von 116 Chardonnays aus ganz<br />
<strong>Deutschland</strong> ziehen kann: Die Spitze hat an<br />
Breite gewonnen. Die Winzer beherrschen<br />
den gerade beim Chardonnay so schwer zu<br />
meisternden Holzeinsatz immer besser.<br />
Dabei schmecken die besten Weine gar<br />
nicht einmal nach Burgund. Sie schmecken<br />
nach Bissersheim, Schweigen, Ihringen und<br />
so weiter. Sie sind burgundisch in ihrer Konzentration<br />
auf den Lagenausdruck und darin,<br />
dass sie auf Reifepotenzial vinifiziert<br />
sind. Aber sie sind dennoch Pfälzer Originale,<br />
badische, rheinhessische und so weiter.<br />
Das sich nach und nach einstellende<br />
Alter der Reben lässt uns heute endlich<br />
verstehen, was einen großen Chardonnay<br />
ausmacht. Und dass er auch hierzulande<br />
gelingen kann. ><br />
2015 MINERAL CHARDONNAY<br />
Weingut Friedrich Becker<br />
PLATZ<br />
jun <strong>2019</strong><br />
falstaff<br />
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