E-Paper | Falstaff Magazin Deutschland 04/2019
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wein / DER RHEIN UND DER WEIN<br />
><br />
Silvia und Joachim Heger pflegen die Reben am Breisacher<br />
Eckartsberg, hier abgelichtet mit Kaiserstuhl im Hintergrund.<br />
im vom Schwarzwald beeinflussten, etwas<br />
feuchteren und kühleren Klima der Gutedel.<br />
Und wo Global Warming ausnahmsweise<br />
wohltuend spürbar wird, setzen die Winzer<br />
eher auf Burgunder als auf Riesling.<br />
Ein einheitliches Merkmal des Weinbaus<br />
zwischen Basel, Straßburg und Karlsruhe<br />
wiederum ist, dass es fast nirgendwo Reben<br />
direkt am Flussufer gibt: Denn dieses verläuft<br />
hier flach, und die Schwemmlandböden<br />
in den Flussauen sind für den Rebstock<br />
in aller Regel kein sonderlich wertvolles<br />
Substrat. So gibt es im ganzen Elsass keine<br />
Reben mit Flussblick. Auch auf der badischen<br />
Seite sind sie äußerst rar. Eine Ausnahme<br />
bildet der Breisacher Eckartsberg,<br />
der durch die Vulkanaktivität des Kaiserstuhls<br />
entstand und sich direkt an den Fluss<br />
schmiegt. Auch der Kaiserstuhl selbst<br />
besitzt in der Sasbacher Lage Limburg<br />
einen solchen Vorposten. Beide Lagen sind<br />
vor allem mit Burgundern bestockt.<br />
RHEINHESSEN<br />
Ab Höhe Karlsruhe flussabwärts ist auch<br />
das linke Rheinufer deutsch – hier grüßen<br />
aus der Ferne die Weinberge der Pfalz, am<br />
rechten Ufer diejenigen der Bergstraße. Der<br />
erste nah am Fluss gelegene weinbauliche<br />
Hotspot dieses Flussabschnitts ist Worms<br />
mit dem Weinberg des Liebfrauenstift-Kirchenstücks.<br />
Der ganze Weinberg liegt auf<br />
Flusssedimenten – aber nicht auf dem üblichen<br />
Schwemmland, sondern auf einer<br />
wertvollen Vielfalt von Geröllen und Verwitterungsprodukten.<br />
Denn unweit dieser<br />
Stelle beginnt der Übergang vom Graben<br />
der Oberrheinischen Tiefebene ins Rheinische<br />
Schiefergebirge.<br />
Da sich der Rhein seinen Weg durch den<br />
Stein erst bahnen musste, verlangsamte sich<br />
sein Fluss, und er hat in Jahrmillionen<br />
immer wieder an derselben Stelle Ballast<br />
abgeworfen. So entstand ein ganz besonderes<br />
Terroir. Der Ruhm des Liebfrauenstift-<br />
Rieslings wurde zum Vorbild der »Liebfrauenmilch«.<br />
Doch in Sachen Komplexität,<br />
Gaumenstruktur und Langlebigkeit spielt<br />
das (trocken ausgebaute) Original in einer<br />
komplett anderen Liga als die kitschige Imitation<br />
aus dem Supermarkt. Der echte Liebfrauenstift-Riesling<br />
kann sich mühelos mit<br />
den Grands Crus messen, die ein paar Kilometer<br />
weiter am Roten Hang auf »rotliegendem«<br />
Tonschiefer wachsen. Lagen wie<br />
Hipping, Pettenthal und Rothenberg und<br />
Weingüter wie Gunderloch, Kühling-Gillot,<br />
Sankt Antony, Heyl zu Herrnsheim und ein<br />
Dutzend weitere sind weltweit ein Begriff.<br />
Hier, in den Orten Oppenheim, Nierstein<br />
und Nackenheim, beginnt sich zudem auch<br />
die rheinische Hochkultur der edelsüßen<br />
Weine erstmals in voller Pracht zu zeigen:<br />
Die Trockenbeerenauslesen aus dem<br />
Nackenheimer Rothenberg, die Fritz Hasselbach<br />
vom Weingut Gunderloch in den<br />
1990er- und 2000er-Jahren erzeugt hat,<br />
zählen zu den großen deutschen Wein-<br />
Legenden der letzten Dekaden.<br />
RHEINGAU<br />
Kurz nach dem Zufluss des Mains beginnt<br />
der Rhein seine Richtung zu ändern: Statt<br />
wie fast während seines ganzen Verlaufs<br />
von Süden nach Norden zu fließen, fließt er<br />
zwischen Wiesbaden und Bingen von Osten<br />
nach Westen. Diese geografische Konstellation<br />
hat zur Folge, dass die direkt am Fluss<br />
liegenden Weinberge nach Süden blicken.<br />
Dabei ist es genau genommen ein Zweiklang<br />
von Lagen, der den Rheingau auszeichnet:<br />
Die »Berglagen« befinden sich<br />
vom Fluss zurückversetzt in der Höhe,<br />
><br />
Am Roten Hang schaffen<br />
Carolin Spanier-Gillot<br />
und H. O. Spanier mit<br />
biodynamischen Methoden<br />
Spitzenriesling, so in der<br />
Niersteiner Lage Hipping.<br />
Karte: Stefanie Hilgarth, Fotos: Roland Krieg Fotodesign, Baschi Bender, beigestellt<br />
28 falstaff jun <strong>2019</strong>