Ausgabe 199
Magazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur: sechs Mal jährlich mit bis zu 145 Seiten Österreich. Downloads in vier verschiedenen pdf-Varianten auf http://oesterreichjournal.at/
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>199</strong> / 22. 06. 2021<br />
Personalia<br />
Christa Ludwig †<br />
Die Wiener Staatsoper trauert um Christa Ludwig, die am<br />
24. April im 94. Lebensjahr in Klosterneuburg verstarb.<br />
117<br />
© Wikipedia / / CC-BY 4.0 / Franz Johann Morgenbesser<br />
Die Opern- und Konzertsängerin (Mezzosopranistin) Christa Ludwig<br />
anläßlich ihrer Ernennung zur Ehrenpräsidentin der Hilde Zadek Stiftung<br />
in Berlin 2015<br />
Christa Ludwig gab ihr Staatsopern-Debüt (in den Redoutensälen)<br />
am 14. April 1955 als Cherubino in Le nozze di Figaro, im Haus<br />
am Ring trat sie erstmals am 26. Dezember 1955, kurz nach der<br />
Eröffnung der aus Ruinen wieder erbauten Staatsoper, als Octavian<br />
im Rosenkavalier auf. Ein Augenblick, den sie im Rückblick oftmals<br />
mit „Verweile doch, du bist so schön“ beschrieb.<br />
Unzählige solcher einzigartiger Augenblicke folgten in den nächsten<br />
knapp 40 Jahren: Insgesamt war sie in 769 Staatsopern-Vorstellungen<br />
in 42 Rollen zu erleben und deckte dabei fast das gesamte<br />
Mezzosopran-Repertoire ab, unternahm aber auch kurze Ausflüge –<br />
etwa mit der Leonore in Fidelio – ins Sopranfach. Interpretationsgeschichte<br />
schrieb sie quer durch alle Fächer: Als Mozart-Sängerin<br />
ebenso wie als Strauss-Interpre tin, als Gestalterin von Wagner- und<br />
Verdi-Partien, in zeitgenössischen Opern, man er lebte sie aber auch<br />
als Orlofsky, Rosina, Ge neviève oder Wozzeck-Marie. Ihre meistgesungene<br />
Partie war die Dorabella in Così fan tutte, als Octavian und<br />
Marschallin war sie ebenso stilbildend wie als Kundry in Parsifal<br />
oder die für sie geschriebene Claire Zacha nassian in Der Besuch der<br />
alten Dame.<br />
Ludwigs künstlerisches Leben war auch durch die Zusammenarbeit<br />
mit allen großen Dirigenten ihrer Zeit gekennzeichnet, Herbert<br />
von Karajan, Karl Böhm und Leonard Bernstein waren jedoch die<br />
drei, die sie selbst als am meisten prägend nannte. Sie war österreichische<br />
Kammersängerin, Ehrenmitglied der Staatsoper und Trägerin<br />
des Goldenen Ehrenrings der Wiener Staatsoper und verabschiedete<br />
sich am 14. Dezember <strong>199</strong>4 als Klytämnestra in Elektra von ihrem<br />
stets be geisterten Wiener Opernpublikum.<br />
Es war die besondere Einheit aus einer einzigartigen Stimme und<br />
einer klugen, dramaturgisch versierten und mit Emphase ge lebten<br />
darstellerischen Durchdringung aller Partien, die sie auszeichnete:<br />
Die absolute Identifikation mit einer Rolle bezeichnete sie einst als<br />
das Allerwichtigste in der musiktheatralischen Gestaltung. „Bei Christa<br />
Ludwig ging es direkt vom Herzen, vom Gehirn zu den Stimmbändern,<br />
sodaß man nicht sagen konnte, ob sie gerade singt oder fühlt<br />
oder re det. Das war alles ein einziger Mikrokosmos“, wurde sie einst<br />
von Otto Schenk beschrieben.<br />
Dem Haus am Ring blieb sie auch nach ihrem Bühnenabschied<br />
eine Wegbegleiterin, die nicht mit großem Interesse Anteil am künstlerische<br />
Geschehen nahm und sogar als Programmheft-Autorin ge -<br />
won nen werden konnte, sondern auch in zahlreichen Ge sprächs -<br />
veranstaltungen auftrat, zuletzt bei der Feier zum 1.000 Rosenkavalier<br />
im Haus am Ring.<br />
Als Pädagogin und Kommentatorin war sie bis fast zuletzt engagiert<br />
tätig, Generationen von Sängerinnen bezeichnen sie bis heute<br />
als ihr erklärtes künstlerisches Vorbild.<br />
Für die Wiener Staatsoper war Christa Ludwig nicht nur Künstlerin,<br />
langjähriges En semblemitglied, Ehrenmitglied und Ikone, sondern<br />
ein Ausnahmefall eines künstlerischen Mitlebens und Miterlebens:<br />
eine, die das Haus, die Musikwelt und alle, die mit ihr in<br />
Berührung kamen, inspirierte und nachhaltig prägte.<br />
Staatsoperndirektor Bogdan Roscic<br />
„Die von Christa Ludwig oft zitierten Worte der Marschallin –<br />
,Mit leichtem Herz und leichten Händen, halten und nehmen, halten<br />
und lassen‘ –, die sie immer wieder als persönlichen Leitspruch be -<br />
zeichnete, waren tatsächlicher und wahrer Ausdruck ihrer Art zu le -<br />
ben. Sie nahm die Kunst so ernst, wie man sie nur ernst nehmen<br />
kann, ordnete dieser ihr Leben unter, nahm aber auf eigenen Wunsch<br />
,mit leichter Hand‘ Abschied von der Bühne. Später konnte sie fast<br />
ohne Wehmut über ihre Jahrzehnte sprechen, immer mit einer Prise<br />
Ironie, Selbsterkenntnis, aber auch ohne falsche Bescheidenheit. Wie<br />
sie auch bis zuletzt eine reflektierte, ehrliche und humorvolle Ge -<br />
sprächspartnerin blieb, deren Analysen von bestechender Klarheit und<br />
großer Kenntnis getragen wurden. Sie bezeichnete sich gerne einfach<br />
als ,Theaterkind‘, und diese künstlerische Unmittelbarkeit, dieses<br />
Selbstverständnis – sie waren in jedem ihrer Auftritte zu spüren und<br />
machten, neben ihrer großen Musikalität und dieser unvergesslichen<br />
Stimme, die Ausnahmeerscheinung Christa Ludwig aus. Unser Mitgefühl<br />
gilt Ihrer Familie.“<br />
n<br />
https://de.wikipedia.org/wiki/Christa_Ludwig<br />
https://www.wiener-staatsoper.at/<br />
»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at