Ausgabe 199
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>199</strong> / 22. 06. 2021<br />
Wissenschaft & Technik<br />
Graphen<br />
128<br />
Atomares »Maßschneidern« nähert sich der makroskopischen Welt<br />
© Wikipedia / / CC-BY 4.0 / Alexander AlUS<br />
Die Eigenschaften von Materialien werden<br />
häufig durch Unvollkommenheiten<br />
in ihrer atomaren Struktur bestimmt, insbesondere<br />
wenn das Material selbst nur ein<br />
Atom dick ist, wie z.B. Graphen. Forscher<br />
der Universität Wien haben nun eine Methode<br />
entwickelt, die die kontrollierte Erzeugung<br />
derartiger Fehlstellen in Graphen auf<br />
Längenskalen erlaubt, die sich der makroskopischen<br />
Welt annähern. Die durch Mikroskopie<br />
in atomarer Auflösung bestätigten<br />
Forschungsergebnisse wurden in der renommierten<br />
Fachzeitschrift „Nano Letters“ veröffentlicht<br />
und dienen als wesentlicher Ausgangspunkt<br />
sowohl für das anwendungsorientierte<br />
Maßschneidern von Graphen als<br />
auch für die Entwicklung neuer Materialien.<br />
Graphen besteht aus Kohlenstoffatomen,<br />
die in einem maschendrahtähnlichen Muster<br />
angeordnet sind. Das nur ein Atom dicke<br />
Ma terial ist bekannt für seine vielen außergewöhnlichen<br />
Eigenschaften, wie z.B. extreme<br />
Festigkeit und bemerkenswerte elektrische<br />
Leitfähigkeit. Seit seiner Entdeckung<br />
haben ForscherInnen nach Möglichkeiten<br />
ge sucht, Graphen durch kontrollierte Manipulation<br />
seiner atomaren Struktur weiter<br />
maßzuschneidern. Bislang konnten solche<br />
Veränderungen jedoch nur lokal bestätigt<br />
Forscher der Universität Wien haben eine Methode entwickelt, die die kontrollierte Erzeugung von<br />
Fehlstellen in Graphen auf Längenskalen erlaubt, die sich der makroskopischen Welt annähern.<br />
»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at<br />
werden, da die Abbildung großer Proben mit<br />
atomarer Auflösung und die Analyse großer<br />
Datensätze eine Herausforderung darstellten.<br />
Nun hat ein Team um Jani Kotakoski an<br />
der Universität Wien zusammen mit Nion<br />
Co. einen experimentellen Aufbau rund um<br />
ein atomar auflösendes Nion UltraSTEM<br />
100 Mikroskop mit neuen Ansätzen zur<br />
Bildgebung und Datenanalyse durch maschinelles<br />
Lernen kombiniert, um die Kontrolle<br />
von Graphen auf atomarer Ebene in Richtung<br />
makroskopischer Probengrößen zu<br />
bringen. Der experimentelle Ablauf ist in<br />
Abbildung 1 dargestellt.<br />
Zu Beginn des Experiments wird Graphen<br />
durch Laserbestrahlung gereinigt und<br />
danach kontrolliert durch niederenergetische<br />
Argon-Ionen-Bestrahlung modifiziert. Da -<br />
nach wird die Probe unter Vakuum in das<br />
Mikroskop überführt, wo sie mithilfe eines<br />
automatischen Algorithmus mit atomarer<br />
Auflösung abgebildet wird. Die aufgenommenen<br />
Bilder werden an ein neuronales<br />
Netzwerk weitergeleitet, das die atomare<br />
Struktur erkennt und so einen umfassenden<br />
Überblick über die atomare Veränderung der<br />
Probe liefert.<br />
„Der Schlüssel zum erfolgreichen Experiment<br />
war die Kombination unseres einzigartigen<br />
Versuchsaufbaus mit den neuen automatisierten<br />
Bildgebungs- und maschinellen<br />
Lernalgorithmen“, sagt Alberto Trentino, der<br />
Hauptautor der Studie. „Die Entwicklung al -<br />
ler notwendigen Teile war der Erfolg echter<br />
Teamarbeit, die jetzt leicht für Folgeexperimente<br />
verwendet werden können“, fährt er<br />
fort. Tatsächlich erweitern die Forscher nach<br />
dieser gelungenen atomaren Veränderung von<br />
Graphen über große Bereiche einer Probe<br />
bereits die Methode, um die erzeugten strukturellen<br />
Unvollkommenheiten zum Beispiel<br />
zur Verankerung von Fremdatomen in der<br />
Struktur zu nutzen. „Wir sind begeistert von<br />
der Möglichkeit, mithilfe dieser Methode –<br />
ausgehend von der atomaren Ebene – neue<br />
Materialien zu erschaffen“, schließt der Leiter<br />
des Forschungsteams Jani Kotakoski.<br />
Die Forschung wurde durch den österreichischen<br />
Wissenschaftsfonds FWF und den<br />
Europäischen Forschungsrat (ERC) finanziert.<br />
Das „Wunder“-Material Graphen verheißt<br />
einen vielfältigen und weitreichenden Einsatz<br />
in der Elektronik der Zukunft, das die<br />
traditionelle Silizium-Technologie ergänzen<br />
oder sogar ersetzen könnte.<br />
n<br />
https://www.univie.ac.at/<br />
https://de.wikipedia.org/wiki/Graphen