Untitled - VDSt zu Bremen
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Bereits die Scholaren hatten einen festen Trinkkomment, wie er schon aus den Scholarenliedern deutlich<br />
erkennbar ist. Auch innerhalb der Bursen gab es – wenn auch unerlaubt – Trinkgesellschaften, die einen<br />
” Bierkomment“ besaßen. Durch ihn waren Vortrinken, Nachtrinken, Bescheidtun, Gesundheitstrinken,<br />
Freundschaftstrinken und Straftrinken geregelt. Auch der Trinkwettkampf war bereits bekannt . . .<br />
Im Jahre 1615 erschien der erste uns bekannte gedruckte Bierkomment in Form einer juristischen wissenschaftlichen<br />
Abhandlung von Blasius Multibibus, nachdem bereits im Jahre 1552 ein Buch gegen das<br />
unmäßige Trinken der ” Saufteufel“, erschienen war. Blasius war der humorvolle Gesetzgeber des Zechens,<br />
der mit juristischer Gründlichkeit die Bräuche des Zechens abhandelte.<br />
” Das Zechrecht ist dasjenige, das da in sich begreift alle Gebräuche und Solemnitäten und <strong>zu</strong> solchem<br />
Werk gehörige Zeremonien und daneben hell und klar alles das, was einer dem anderen nach Statut und<br />
Sat<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> leisten schuldig, vermeidet und anzeigt.“<br />
Nach den ” Ursachen“ des Trinkens werden im Kapitel ” Materia oder der Stoff“ die kommentmäßigen<br />
Getränke abgehandelt. Das Wort ” Stoff“ für Bier hat sich bis heute in der Studentensprache erhalten.<br />
Von den Trinksitten, die Multibibus in dem Kapitel ” Von der Art und Weise des Zechens“ beschreibt,<br />
haben sich nur einige in stark geminderter Form erhalten, so etwa das Zutrinken der ” Blume“ (florikos),<br />
das Nachkommen mit demselben Quantum, vielleicht noch das Bruderschaftstrinken, dessen feierliche<br />
Zeremonie von Blasius mit dem genauen Text der dabei üblichen Rede und Gegenrede angegeben wird.<br />
Wenn wir diesen Komment hier erwähnen, so geschieht es aus dem Grunde, um die Ebene <strong>zu</strong> kennzeichnen,<br />
jene eigentümliche Mischung von Ernst, Scherz und tieferer Bedeutung, in der sich eine Trinkfestlichkeit<br />
abspielt. Sie war – und blieb bis heute – ein Spiel mit Symbolen. Und wenn noch immer gilt: ” Ernst ist<br />
das Leben, heiter die Kunst“, so kann dieses Schillerwort auch von der Kunst des Trinkens gelten.<br />
Die heutige Form der Kneipe (ein Wort, das <strong>zu</strong>r Bezeichnung eines Trinkgelages erst im 19. Jahrhundert<br />
auftauchte, während es im Studentenlexikon des Magisters Kindleben vom Jahre 1781 eine ” schlechte<br />
Bierschenke“ bezeichnet), geht auf das ” Hospiz“ <strong>zu</strong>rück, das schon den Vagantendichtern bekannt war.<br />
Es war ” Gastgelage“ im eigentlichen Sinne des Wortes, <strong>zu</strong> dem ein Student seine Mitstudenten einlud. Im<br />
alten Vagantenlied heißt es:<br />
Diese edle Tafelrunde<br />
Freu’ sich dieser Feierstunde,<br />
Wollen auch bei frohen Späßen<br />
Nicht des schuld’gen Danks vergessen;<br />
Laßt dem Spender uns <strong>zu</strong> Ehren<br />
Jetzo einen Schoppen leeren:<br />
Der dies Fest uns hat gegeben,<br />
Er soll leben.<br />
Feste und kommersähnliche Formen der Hospize haben sich aber wohl erst bedeutend später ausgebildet.<br />
Diese Hospize fanden <strong>zu</strong>meist auf den Zimmern der Studenten, in seltenen Fällen auch im Freien statt.<br />
Beim Eintritt in die Wohnung mußten Stock und Degen abgelegt werden, <strong>zu</strong>m Zeichen daß jeder Streit<br />
verpönt war.<br />
Der Gastgeber, der hospes“, hatte <strong>zu</strong>meist das Amt des Präsiden; er hatte die Kneipgewalt“ und regierte<br />
” ”<br />
mit dem Hausschlüssel als deren äußerem Zeichen. Er gebot Silentium“ und gab die Hospizgesetze“<br />
” ”<br />
bekannt, <strong>zu</strong> denen an erster Stelle das Verbot des Touchierens“ und sogar des Neckens gehörte. Dann<br />
”<br />
trank er auf Allerseits Wohlsein“, das von den Anwesenden mit einem Fiduzit“ mit anschließendem<br />
” ”<br />
” Ganzen“ erwidert wurde. Der Präside hatte das Recht, jeden in die Kanne <strong>zu</strong> schicken, während er jeden<br />
Zutrunk nur symbolisch <strong>zu</strong> erwidern brauchte.<br />
Während im Bierkomment des Blasius Multibibus die Anwesenheit weiblicher Teilnehmer beim Trinkgelage<br />
vorgesehen und in wichtigen Paragraphen aufs genaueste abgehandelt war, waren die Hospitien reine<br />
Männersache. Der Weiblichkeit wurde durch das ” Ausbringen“ der sogenannten ” Charmanten“ gedacht.<br />
Es bestand im Trinken auf ein Mädchen, das der Betreffende besonders verehrte. Jeder war verpflichtet,<br />
eine Charmante aus<strong>zu</strong>bringen. Beanspruchten zwei die gleiche Charmante, so gab dies Veranlassung <strong>zu</strong><br />
einem ” Bierprozeß“, für den es wiederum strenge Regeln gab. Ein Bierprozeß diente aber auch da<strong>zu</strong>, um<br />
irgendwelche ” Beleidigungen“ bei<strong>zu</strong>legen<br />
Zwischen den einzelnen Bierhandlungen“ ertönten fröhliche Lieder, die von der Studenten Freud und<br />
”<br />
Leid kündeten, in denen sie ihr Leben in versöhnlicher Form gespiegelt sahen. Beim anschließenden<br />
” Brüderschafttrinken“ wurde die alte Freundschaft besiegelt.<br />
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